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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

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womit er Muth genug hatte, sich auf den Weg
zu machen, ohngeachtet Philipp Reiser ihm die
Unbesonnenheit dieses Unternehmens genug vor¬
stellte. -- Aber mit Gelde konnte ihn dieser aus
dem sehr wichtigen Grunde nicht unterstützen,
weil es ihm selbst gemeiniglich und gerade jetzt
gänzlich daran fehlte. --

Anton Reiser konnte also nun im eigent¬
lichen Verstande von sich sagen, daß er alle das
seinige mit sich trug. -- Das gute Kleid, worin
er die Rede auf der Königin Geburtstag gehal¬
ten hatte, nebst einem Ueberrock war seine ganze
Garderobe -- dabei trug er einen vergoldeten
Galanteriedegen an der Seite und Schuh und
seidene Strümpfe. -- Ein reines Oberhemde,
nebst noch ein paar seidenen Strümpfen, Homers
Odysse in Duodez mit der lateinischen Version,
und der lateinische Anschlagbogen von der Rede¬
übung an der Königin Geburtstage, worauf sein
Nahme gedruckt stand, war alles, was er in der
Tasche bei sich trug. --

Es war in der Mitte des Winters, an einem
Sonntagmorgen, den er noch bei Philipp Rei¬

womit er Muth genug hatte, ſich auf den Weg
zu machen, ohngeachtet Philipp Reiſer ihm die
Unbeſonnenheit dieſes Unternehmens genug vor¬
ſtellte. — Aber mit Gelde konnte ihn dieſer aus
dem ſehr wichtigen Grunde nicht unterſtuͤtzen,
weil es ihm ſelbſt gemeiniglich und gerade jetzt
gaͤnzlich daran fehlte. —

Anton Reiſer konnte alſo nun im eigent¬
lichen Verſtande von ſich ſagen, daß er alle das
ſeinige mit ſich trug. — Das gute Kleid, worin
er die Rede auf der Koͤnigin Geburtstag gehal¬
ten hatte, nebſt einem Ueberrock war ſeine ganze
Garderobe — dabei trug er einen vergoldeten
Galanteriedegen an der Seite und Schuh und
ſeidene Struͤmpfe. — Ein reines Oberhemde,
nebſt noch ein paar ſeidenen Struͤmpfen, Homers
Odyſſe in Duodez mit der lateiniſchen Verſion,
und der lateiniſche Anſchlagbogen von der Rede¬
uͤbung an der Koͤnigin Geburtstage, worauf ſein
Nahme gedruckt ſtand, war alles, was er in der
Taſche bei ſich trug. —

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Sonntagmorgen, den er noch bei Philipp Rei¬

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[240/0250] womit er Muth genug hatte, ſich auf den Weg zu machen, ohngeachtet Philipp Reiſer ihm die Unbeſonnenheit dieſes Unternehmens genug vor¬ ſtellte. — Aber mit Gelde konnte ihn dieſer aus dem ſehr wichtigen Grunde nicht unterſtuͤtzen, weil es ihm ſelbſt gemeiniglich und gerade jetzt gaͤnzlich daran fehlte. — Anton Reiſer konnte alſo nun im eigent¬ lichen Verſtande von ſich ſagen, daß er alle das ſeinige mit ſich trug. — Das gute Kleid, worin er die Rede auf der Koͤnigin Geburtstag gehal¬ ten hatte, nebſt einem Ueberrock war ſeine ganze Garderobe — dabei trug er einen vergoldeten Galanteriedegen an der Seite und Schuh und ſeidene Struͤmpfe. — Ein reines Oberhemde, nebſt noch ein paar ſeidenen Struͤmpfen, Homers Odyſſe in Duodez mit der lateiniſchen Verſion, und der lateiniſche Anſchlagbogen von der Rede¬ uͤbung an der Koͤnigin Geburtstage, worauf ſein Nahme gedruckt ſtand, war alles, was er in der Taſche bei ſich trug. — Es war in der Mitte des Winters, an einem Sonntagmorgen, den er noch bei Philipp Rei¬

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/250>, abgerufen am 29.03.2024.