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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796.

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der in der Geschichte seiner Familie, um die
gangbaren Laster derselben aufzufinden. Er
durchblättere aber nicht nur den öffentlichen
Theil seiner Familien-Geschichte, sondern stu-
dire noch weit mehr den geheimern verborge-
nen Theil derselben. Er selbst wird manches
davon noch wissen, seine Geschwister werden
ihm viel davon sagen können; auch werden die
vertrautesten Freunde seiner Eltern ihm noch
wichtige Entdeckungen darüber machen. Wir
forschen ja wohl eher in den Geschichten un-
serer Häuser sehr lange und begierig nach, und
lassen uns keine Mühe deshalb verdriessen;
wir lassen wohl lange Ahnen-Verzeichnisse
und grosse Stammbaüme verfertigen, die am
Ende weiter nichts darthun, als dass wir nicht
von uns selbst sind, sondern eben so Vorfahren
gehabt haben, wie sie die ganze Welt hat. Es
würdevielzur Nutzbarkeit solcher Ahnen-
Verzeichnisse beytragen, wenn bey jedem
Ahnherrn, am Rande etwa, sein herr-
schendes Laster angeführt wäre, falls er
nehmlich ein solches hatte. Die Nachkom-
menwürden oft am sichersten sick dadurch
überzeugen können, dass sie von ihm ab-
stammten
.
Wenn wir denn nun mit jener

der in der Geschichte seiner Familie, um die
gangbaren Laster derselben aufzufinden. Er
durchblättere aber nicht nur den öffentlichen
Theil seiner Familien-Geschichte, sondern stu-
dire noch weit mehr den geheimern verborge-
nen Theil derselben. Er selbst wird manches
davon noch wissen, seine Geschwister werden
ihm viel davon sagen können; auch werden die
vertrautesten Freunde seiner Eltern ihm noch
wichtige Entdeckungen darüber machen. Wir
forschen ja wohl eher in den Geschichten un-
serer Häuser sehr lange und begierig nach, und
lassen uns keine Mühe deshalb verdriessen;
wir lassen wohl lange Ahnen-Verzeichnisse
und groſse Stammbaüme verfertigen, die am
Ende weiter nichts darthun, als daſs wir nicht
von uns selbst sind, sondern eben so Vorfahren
gehabt haben, wie sie die ganze Welt hat. Es
würdevielzur Nutzbarkeit solcher Ahnen-
Verzeichnisse beytragen, wenn bey jedem
Ahnherrn, am Rande etwa, sein herr-
schendes Laster angeführt wäre, falls er
nehmlich ein solches hatte. Die Nachkom-
menwürden oft am sichersten sick dadurch
überzeugen können, daſs sie von ihm ab-
stammten
.
Wenn wir denn nun mit jener

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[249/0255] der in der Geschichte seiner Familie, um die gangbaren Laster derselben aufzufinden. Er durchblättere aber nicht nur den öffentlichen Theil seiner Familien-Geschichte, sondern stu- dire noch weit mehr den geheimern verborge- nen Theil derselben. Er selbst wird manches davon noch wissen, seine Geschwister werden ihm viel davon sagen können; auch werden die vertrautesten Freunde seiner Eltern ihm noch wichtige Entdeckungen darüber machen. Wir forschen ja wohl eher in den Geschichten un- serer Häuser sehr lange und begierig nach, und lassen uns keine Mühe deshalb verdriessen; wir lassen wohl lange Ahnen-Verzeichnisse und groſse Stammbaüme verfertigen, die am Ende weiter nichts darthun, als daſs wir nicht von uns selbst sind, sondern eben so Vorfahren gehabt haben, wie sie die ganze Welt hat. Es würdevielzur Nutzbarkeit solcher Ahnen- Verzeichnisse beytragen, wenn bey jedem Ahnherrn, am Rande etwa, sein herr- schendes Laster angeführt wäre, falls er nehmlich ein solches hatte. Die Nachkom- menwürden oft am sichersten sick dadurch überzeugen können, daſs sie von ihm ab- stammten. Wenn wir denn nun mit jener

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Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/255>, abgerufen am 28.03.2024.