Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Behandlung das Gewissen in ihm erwachte, such-
ten ihn seine Augendiener von Casuisten damit
einzuschläfern, dass sie diesem einfältigen König
vorstellten: Gott habe zwar befohlen, Vater
und Mutter zu ehren; er habe aber nicht befoh-
len, dass man beständig mit ihnen leben solle.
Der König sey also, um des Bessten willen sei-
nes Staats, wohl befugt, seine Mutter von sich
zu entfernen, ja nöthigen Falls auch des Reichs
zu verweisen *).

26.
Wie die Könige lieben.

K. Ludwig XIV. in Frankreich sezte in der
seinem Enkel, K. Philipp in Spanien, im Jahr
1700. Mitgegebenen Instruction, die in dem Mund
eines Königs fürchterlich lautende Worte **):
"Habt niemahls gegen jemand eine Vorliebe
oder Anhänglichkeit". Ein weiser Mann machte
die Glosse darüber: "Diese Lehre braucht man
den Königen nicht erst zu geben; denn, wer
nicht nöthig hat, andern zu gefallen, liebt oh-
nehin selten".

*) Memoires du C. de Brienne T. II. p. 50.
**) Memoir. polit. et milit. de Noailles T. II. p. 4. N'ayes
jamais d'attachement pour personne.

Behandlung das Gewissen in ihm erwachte, such-
ten ihn seine Augendiener von Casuisten damit
einzuschläfern, daſs sie diesem einfältigen König
vorstellten: Gott habe zwar befohlen, Vater
und Mutter zu ehren; er habe aber nicht befoh-
len, daſs man beständig mit ihnen leben solle.
Der König sey also, um des Beſsten willen sei-
nes Staats, wohl befugt, seine Mutter von sich
zu entfernen, ja nöthigen Falls auch des Reichs
zu verweisen *).

26.
Wie die Könige lieben.

K. Ludwig XIV. in Frankreich sezte in der
seinem Enkel, K. Philipp in Spanien, im Jahr
1700. Mitgegebenen Instruction, die in dem Mund
eines Königs fürchterlich lautende Worte **):
„Habt niemahls gegen jemand eine Vorliebe
oder Anhänglichkeit„. Ein weiser Mann machte
die Glosse darüber: „Diese Lehre braucht man
den Königen nicht erst zu geben; denn, wer
nicht nöthig hat, andern zu gefallen, liebt oh-
nehin selten„.

*) Memoires du C. de Brienne T. II. p. 50.
**) Memoir. polit. et milit. de Noailles T. II. p. 4. N’ayés
jamais d’attachement pour personne.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0265" n="259"/>
Behandlung das Gewissen in ihm erwachte, such-<lb/>
ten ihn seine Augendiener von Casuisten damit<lb/>
einzuschläfern, da&#x017F;s sie diesem einfältigen König<lb/>
vorstellten: Gott habe zwar befohlen, Vater<lb/>
und Mutter zu ehren; er habe aber nicht befoh-<lb/>
len, da&#x017F;s man beständig mit ihnen leben solle.<lb/>
Der König sey also, um des Be&#x017F;sten willen sei-<lb/>
nes Staats, wohl befugt, seine Mutter von sich<lb/>
zu entfernen, ja nöthigen Falls auch des Reichs<lb/>
zu verweisen <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#i">Memoires du C. de Brienne</hi> T. II. p. 50.</note>.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>26.<lb/>
Wie die Könige lieben.</head><lb/>
          <p>K. Ludwig XIV. in Frankreich sezte in der<lb/>
seinem Enkel, K. Philipp in Spanien, im Jahr<lb/>
1700. Mitgegebenen Instruction, die in dem Mund<lb/>
eines Königs fürchterlich lautende Worte <note place="foot" n="**)"><hi rendition="#i">Memoir. polit. et milit. de Noailles T. II. p.</hi> 4. <hi rendition="#i">N&#x2019;ayés<lb/>
jamais d&#x2019;attachement pour personne.</hi></note>:<lb/>
&#x201E;Habt niemahls gegen jemand eine Vorliebe<lb/>
oder Anhänglichkeit&#x201E;. Ein weiser Mann machte<lb/>
die Glosse darüber: &#x201E;Diese Lehre braucht man<lb/>
den Königen nicht erst zu geben; denn, wer<lb/>
nicht nöthig hat, andern zu gefallen, liebt oh-<lb/>
nehin selten&#x201E;.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[259/0265] Behandlung das Gewissen in ihm erwachte, such- ten ihn seine Augendiener von Casuisten damit einzuschläfern, daſs sie diesem einfältigen König vorstellten: Gott habe zwar befohlen, Vater und Mutter zu ehren; er habe aber nicht befoh- len, daſs man beständig mit ihnen leben solle. Der König sey also, um des Beſsten willen sei- nes Staats, wohl befugt, seine Mutter von sich zu entfernen, ja nöthigen Falls auch des Reichs zu verweisen *). 26. Wie die Könige lieben. K. Ludwig XIV. in Frankreich sezte in der seinem Enkel, K. Philipp in Spanien, im Jahr 1700. Mitgegebenen Instruction, die in dem Mund eines Königs fürchterlich lautende Worte **): „Habt niemahls gegen jemand eine Vorliebe oder Anhänglichkeit„. Ein weiser Mann machte die Glosse darüber: „Diese Lehre braucht man den Königen nicht erst zu geben; denn, wer nicht nöthig hat, andern zu gefallen, liebt oh- nehin selten„. *) Memoires du C. de Brienne T. II. p. 50. **) Memoir. polit. et milit. de Noailles T. II. p. 4. N’ayés jamais d’attachement pour personne.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/265
Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/265>, abgerufen am 28.03.2024.