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Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.

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unangenehme Art die Ohren davon gellten. Rousseau's
Leiden in den letzten Jahren seines Lebens scheinen auch
hieher zu gehören. Mehrere Beispiele phantastischer Ge-
hörempfindungen hat C. G. T. Cortum (Beiträge zur prac-
tischen Arzneiwissenschaft. Gött. 1796. S. 272--280) ge-
sammelt. Auch aus dem Alterthum sind einige solcher
Beispiele überkommen. Aristot. de Mirabilibus. Horat.
epist. II. 2. 128. Aelian. V. H.
4. 25.

155.

Die Gehörphantasmen sind bald isolirt, bald mit phan-
tastischen Gesichtserscheinungen verbunden. So sah Nico-
lai
z. B. zuerst nur Gesichtsphantasmen am hellen Tage,
später erst fiengen diese zu reden an, redeten ihn selbst an.
In unsern Träumen sind meist beide verbunden.

156.

Phantastische Gefühlsempfindungen sind im Traume
häufig genug, sonst aber selten. Aber von jenem haemor-
rhoidalischen Greise wird erzählt, daß es sich zuletzt auch um
und bei ihm zu regen anfieng und es ihm zuweilen vorkam,
als faßte ihn Jemand bei der Schulter u. d. gl. Bei den
Irren sind sie sehr häufig.

157.

Geruchsphantasmen kommen dagegen auch häufig au-
ßer dem Traume vor, besonders bei nervösen Subjecten.
Hysterische Subjecte riechen oft die sonderbarsten Dinge.
Auch in der magischen und anderen Ekstasen kommen Ge-
ruchsphantasmen vor, wie sich denn die Daemonen nicht
selten durch besondere Gerüche ankündigten und Abschied
nahmen.


unangenehme Art die Ohren davon gellten. Rouſſeau’s
Leiden in den letzten Jahren ſeines Lebens ſcheinen auch
hieher zu gehoͤren. Mehrere Beiſpiele phantaſtiſcher Ge-
hoͤrempfindungen hat C. G. T. Cortum (Beitraͤge zur prac-
tiſchen Arzneiwiſſenſchaft. Goͤtt. 1796. S. 272—280) ge-
ſammelt. Auch aus dem Alterthum ſind einige ſolcher
Beiſpiele uͤberkommen. Aristot. de Mirabilibus. Horat.
epist. II. 2. 128. Aelian. V. H.
4. 25.

155.

Die Gehoͤrphantasmen ſind bald iſolirt, bald mit phan-
taſtiſchen Geſichtserſcheinungen verbunden. So ſah Nico-
lai
z. B. zuerſt nur Geſichtsphantasmen am hellen Tage,
ſpaͤter erſt fiengen dieſe zu reden an, redeten ihn ſelbſt an.
In unſern Traͤumen ſind meiſt beide verbunden.

156.

Phantaſtiſche Gefuͤhlsempfindungen ſind im Traume
haͤufig genug, ſonſt aber ſelten. Aber von jenem haemor-
rhoidaliſchen Greiſe wird erzaͤhlt, daß es ſich zuletzt auch um
und bei ihm zu regen anfieng und es ihm zuweilen vorkam,
als faßte ihn Jemand bei der Schulter u. d. gl. Bei den
Irren ſind ſie ſehr haͤufig.

157.

Geruchsphantasmen kommen dagegen auch haͤufig au-
ßer dem Traume vor, beſonders bei nervoͤſen Subjecten.
Hyſteriſche Subjecte riechen oft die ſonderbarſten Dinge.
Auch in der magiſchen und anderen Ekſtaſen kommen Ge-
ruchsphantasmen vor, wie ſich denn die Daemonen nicht
ſelten durch beſondere Geruͤche ankuͤndigten und Abſchied
nahmen.


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[86/0102] unangenehme Art die Ohren davon gellten. Rouſſeau’s Leiden in den letzten Jahren ſeines Lebens ſcheinen auch hieher zu gehoͤren. Mehrere Beiſpiele phantaſtiſcher Ge- hoͤrempfindungen hat C. G. T. Cortum (Beitraͤge zur prac- tiſchen Arzneiwiſſenſchaft. Goͤtt. 1796. S. 272—280) ge- ſammelt. Auch aus dem Alterthum ſind einige ſolcher Beiſpiele uͤberkommen. Aristot. de Mirabilibus. Horat. epist. II. 2. 128. Aelian. V. H. 4. 25. 155. Die Gehoͤrphantasmen ſind bald iſolirt, bald mit phan- taſtiſchen Geſichtserſcheinungen verbunden. So ſah Nico- lai z. B. zuerſt nur Geſichtsphantasmen am hellen Tage, ſpaͤter erſt fiengen dieſe zu reden an, redeten ihn ſelbſt an. In unſern Traͤumen ſind meiſt beide verbunden. 156. Phantaſtiſche Gefuͤhlsempfindungen ſind im Traume haͤufig genug, ſonſt aber ſelten. Aber von jenem haemor- rhoidaliſchen Greiſe wird erzaͤhlt, daß es ſich zuletzt auch um und bei ihm zu regen anfieng und es ihm zuweilen vorkam, als faßte ihn Jemand bei der Schulter u. d. gl. Bei den Irren ſind ſie ſehr haͤufig. 157. Geruchsphantasmen kommen dagegen auch haͤufig au- ßer dem Traume vor, beſonders bei nervoͤſen Subjecten. Hyſteriſche Subjecte riechen oft die ſonderbarſten Dinge. Auch in der magiſchen und anderen Ekſtaſen kommen Ge- ruchsphantasmen vor, wie ſich denn die Daemonen nicht ſelten durch beſondere Geruͤche ankuͤndigten und Abſchied nahmen.

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Zitationshilfe: Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826/102>, abgerufen am 28.03.2024.