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Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.

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tion des Cinzelnen unter das Allgemeine, und der Ver-
wirklichung des Allgemeinen in dem Einzelnen. Mit Recht
sagen wir daher, die Associationsgesetze sind nur Beziehun-
gen zwischen dem Vorgestellten und sind dem Eigenleben der
Phantasie, die auch zwischen dem Associirten lebend ist,
gleichgültig. Dieses Eigenleben der Phantasie ist schon
in jeder Sinnesaction vorhanden, erweiternd, abstrahirend,
in dem gegebenen Aeußeren sinnliche Formen schaffend, wie
in der Lebensgeschichte gezeigt worden ist. Dieses Eigen-
leben ist auch das allein Wesentliche in den Associationen.



II. Das productive Einbilden im dunkeln
und lichten Sehfelde
.
175.

Das productive Einbilden ist hieraus von selbst
einsichtlich.

Das aus dem Allgemeinen gebildete Concrete, in wel-
chem das Allgemeine verwirklicht ist, kann ein solches seyn,
welches schon einmal Gegenstand einer von außen beding-
ten Sinnesvorstellung war, dann ist die Einbildungskraft
reproductiv, oder das aus dem Allgemeinen gebildete
Concrete ist ein neues, durch Beschränkung des Allgemei-
nen gewordenes, und dann ist die Phantasie productiv
dichtend.

176.

Es ist in der That zu verwundern, wie man so viele
Discussionen darüber hat halten können, ob die productive
Phantasie auch neue einfache Vorstellungen bilde, die nicht
ein Zusammengesetztes aus ehemaligen Theilvorstellungen
wären. Die Phantasie, im dunkeln Sehfeld Grenzen vorstel-

tion des Cinzelnen unter das Allgemeine, und der Ver-
wirklichung des Allgemeinen in dem Einzelnen. Mit Recht
ſagen wir daher, die Aſſociationsgeſetze ſind nur Beziehun-
gen zwiſchen dem Vorgeſtellten und ſind dem Eigenleben der
Phantaſie, die auch zwiſchen dem Aſſociirten lebend iſt,
gleichguͤltig. Dieſes Eigenleben der Phantaſie iſt ſchon
in jeder Sinnesaction vorhanden, erweiternd, abſtrahirend,
in dem gegebenen Aeußeren ſinnliche Formen ſchaffend, wie
in der Lebensgeſchichte gezeigt worden iſt. Dieſes Eigen-
leben iſt auch das allein Weſentliche in den Aſſociationen.



II. Das productive Einbilden im dunkeln
und lichten Sehfelde
.
175.

Das productive Einbilden iſt hieraus von ſelbſt
einſichtlich.

Das aus dem Allgemeinen gebildete Concrete, in wel-
chem das Allgemeine verwirklicht iſt, kann ein ſolches ſeyn,
welches ſchon einmal Gegenſtand einer von außen beding-
ten Sinnesvorſtellung war, dann iſt die Einbildungskraft
reproductiv, oder das aus dem Allgemeinen gebildete
Concrete iſt ein neues, durch Beſchraͤnkung des Allgemei-
nen gewordenes, und dann iſt die Phantaſie productiv
dichtend.

176.

Es iſt in der That zu verwundern, wie man ſo viele
Discuſſionen daruͤber hat halten koͤnnen, ob die productive
Phantaſie auch neue einfache Vorſtellungen bilde, die nicht
ein Zuſammengeſetztes aus ehemaligen Theilvorſtellungen
waͤren. Die Phantaſie, im dunkeln Sehfeld Grenzen vorſtel-

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[99/0115] tion des Cinzelnen unter das Allgemeine, und der Ver- wirklichung des Allgemeinen in dem Einzelnen. Mit Recht ſagen wir daher, die Aſſociationsgeſetze ſind nur Beziehun- gen zwiſchen dem Vorgeſtellten und ſind dem Eigenleben der Phantaſie, die auch zwiſchen dem Aſſociirten lebend iſt, gleichguͤltig. Dieſes Eigenleben der Phantaſie iſt ſchon in jeder Sinnesaction vorhanden, erweiternd, abſtrahirend, in dem gegebenen Aeußeren ſinnliche Formen ſchaffend, wie in der Lebensgeſchichte gezeigt worden iſt. Dieſes Eigen- leben iſt auch das allein Weſentliche in den Aſſociationen. II. Das productive Einbilden im dunkeln und lichten Sehfelde. 175. Das productive Einbilden iſt hieraus von ſelbſt einſichtlich. Das aus dem Allgemeinen gebildete Concrete, in wel- chem das Allgemeine verwirklicht iſt, kann ein ſolches ſeyn, welches ſchon einmal Gegenſtand einer von außen beding- ten Sinnesvorſtellung war, dann iſt die Einbildungskraft reproductiv, oder das aus dem Allgemeinen gebildete Concrete iſt ein neues, durch Beſchraͤnkung des Allgemei- nen gewordenes, und dann iſt die Phantaſie productiv dichtend. 176. Es iſt in der That zu verwundern, wie man ſo viele Discuſſionen daruͤber hat halten koͤnnen, ob die productive Phantaſie auch neue einfache Vorſtellungen bilde, die nicht ein Zuſammengeſetztes aus ehemaligen Theilvorſtellungen waͤren. Die Phantaſie, im dunkeln Sehfeld Grenzen vorſtel-

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Zitationshilfe: Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826/115>, abgerufen am 29.03.2024.