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Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.

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2.

Wenn zwei Wesen, gleich oder verschieden, auf einan-
der wirkend gedacht werden, so läßt sich eine dreifache
Art dieser Wirksamkeit logisch einsehen. Jedermann weiß,
daß es in der Natur Veränderungen giebt, in welchen das
Verändernde seine eigene Qualität oder seinen eigenen Zu-
stand auf das Veränderte überträgt. Das Bewegte, auf
ein Ruhendes stossend, macht seinen eigenen Zustand in
dem Ruhenden geltend. Wir können diese erste Wirksam-
keit schlechthin die mechanische nennen, ohne hier wei-
ter untersuchen zu wollen, wie eng oder weit die Grenzen
dieser Wirksamkeit seyn mögen und ohne auf diese Benen-
nung einen besondern Werth zu legen.

3.

Es giebt ferner Veränderungen, in welchen das Eine
nicht dem Andern seine Qualität oder seinen Zustand mit-
theilt, sondern mit dem Andern und seiner Qualität zu ei-
nem neutralen Producte sich vereinigt, welches die Qua-
lität des Einen und des Andern verschweigt, nur als ein
drittes Eigenwirksames sich präsentirt. Die chemisch wirkenden
Körper wirken auf einander nur in dieser Weise. Wir kön-
nen diese Wirksamkeit schlechthin die chemische nennen.

4.

Es ist schwieriger, die Wesenheit einer dritten Wirk-
samkeit festzuhalten, weil wir selbst es sind, die sie beur-
kunden. Es giebt Veränderungen in der Natur, in wel-
chen das Ursachliche weder seine eigene Wirksamkeit auf das
Veränderte überträgt, wie in den mechanischen Verände-
rungen, noch mit der Wirksamkeit des Veränderten zu ei-
nem verschieden Thätigen vereinigt, wie in den chemi-
schen
Veränderungen, sondern wo das Ursachliche in dem,
auf was es wirkt, immer nur eine Qualität des letztern

2.

Wenn zwei Weſen, gleich oder verſchieden, auf einan-
der wirkend gedacht werden, ſo laͤßt ſich eine dreifache
Art dieſer Wirkſamkeit logiſch einſehen. Jedermann weiß,
daß es in der Natur Veraͤnderungen giebt, in welchen das
Veraͤndernde ſeine eigene Qualitaͤt oder ſeinen eigenen Zu-
ſtand auf das Veraͤnderte uͤbertraͤgt. Das Bewegte, auf
ein Ruhendes ſtoſſend, macht ſeinen eigenen Zuſtand in
dem Ruhenden geltend. Wir koͤnnen dieſe erſte Wirkſam-
keit ſchlechthin die mechaniſche nennen, ohne hier wei-
ter unterſuchen zu wollen, wie eng oder weit die Grenzen
dieſer Wirkſamkeit ſeyn moͤgen und ohne auf dieſe Benen-
nung einen beſondern Werth zu legen.

3.

Es giebt ferner Veraͤnderungen, in welchen das Eine
nicht dem Andern ſeine Qualitaͤt oder ſeinen Zuſtand mit-
theilt, ſondern mit dem Andern und ſeiner Qualitaͤt zu ei-
nem neutralen Producte ſich vereinigt, welches die Qua-
litaͤt des Einen und des Andern verſchweigt, nur als ein
drittes Eigenwirkſames ſich praͤſentirt. Die chemiſch wirkenden
Koͤrper wirken auf einander nur in dieſer Weiſe. Wir koͤn-
nen dieſe Wirkſamkeit ſchlechthin die chemiſche nennen.

4.

Es iſt ſchwieriger, die Weſenheit einer dritten Wirk-
ſamkeit feſtzuhalten, weil wir ſelbſt es ſind, die ſie beur-
kunden. Es giebt Veraͤnderungen in der Natur, in wel-
chen das Urſachliche weder ſeine eigene Wirkſamkeit auf das
Veraͤnderte uͤbertraͤgt, wie in den mechaniſchen Veraͤnde-
rungen, noch mit der Wirkſamkeit des Veraͤnderten zu ei-
nem verſchieden Thaͤtigen vereinigt, wie in den chemi-
ſchen
Veraͤnderungen, ſondern wo das Urſachliche in dem,
auf was es wirkt, immer nur eine Qualitaͤt des letztern

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[4/0020] 2. Wenn zwei Weſen, gleich oder verſchieden, auf einan- der wirkend gedacht werden, ſo laͤßt ſich eine dreifache Art dieſer Wirkſamkeit logiſch einſehen. Jedermann weiß, daß es in der Natur Veraͤnderungen giebt, in welchen das Veraͤndernde ſeine eigene Qualitaͤt oder ſeinen eigenen Zu- ſtand auf das Veraͤnderte uͤbertraͤgt. Das Bewegte, auf ein Ruhendes ſtoſſend, macht ſeinen eigenen Zuſtand in dem Ruhenden geltend. Wir koͤnnen dieſe erſte Wirkſam- keit ſchlechthin die mechaniſche nennen, ohne hier wei- ter unterſuchen zu wollen, wie eng oder weit die Grenzen dieſer Wirkſamkeit ſeyn moͤgen und ohne auf dieſe Benen- nung einen beſondern Werth zu legen. 3. Es giebt ferner Veraͤnderungen, in welchen das Eine nicht dem Andern ſeine Qualitaͤt oder ſeinen Zuſtand mit- theilt, ſondern mit dem Andern und ſeiner Qualitaͤt zu ei- nem neutralen Producte ſich vereinigt, welches die Qua- litaͤt des Einen und des Andern verſchweigt, nur als ein drittes Eigenwirkſames ſich praͤſentirt. Die chemiſch wirkenden Koͤrper wirken auf einander nur in dieſer Weiſe. Wir koͤn- nen dieſe Wirkſamkeit ſchlechthin die chemiſche nennen. 4. Es iſt ſchwieriger, die Weſenheit einer dritten Wirk- ſamkeit feſtzuhalten, weil wir ſelbſt es ſind, die ſie beur- kunden. Es giebt Veraͤnderungen in der Natur, in wel- chen das Urſachliche weder ſeine eigene Wirkſamkeit auf das Veraͤnderte uͤbertraͤgt, wie in den mechaniſchen Veraͤnde- rungen, noch mit der Wirkſamkeit des Veraͤnderten zu ei- nem verſchieden Thaͤtigen vereinigt, wie in den chemi- ſchen Veraͤnderungen, ſondern wo das Urſachliche in dem, auf was es wirkt, immer nur eine Qualitaͤt des letztern

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Zitationshilfe: Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826/20>, abgerufen am 19.04.2024.