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Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.

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Und urplötzlich erscheint ein Lichtes, nicht zuerst Vorgestelltes
gegen meinen Willen, ohne alle erkennbare Association. Aber
diese Erscheinung, die ich selbst im wachenden Zustand leuch-
tend zu sehen fähig bin, leuchtet so gewiß, als der Blitz
leuchtet, den ich als subjectives Gesichtsphaenomen durch
Druck dem Auge entlocke.

41.

Am leichtesten treten diese Phaenomene ein, wenn ich
ganz wohl bin, wenn keine besondere Erregung in irgend
einem Theil des Organismus geistig oder physisch obwaltet,
und besonders, wenn ich gefastet habe. Durch Fasten kann
ich diese Phaenomene zu einer wunderbaren Lebendigkeit
bringen. Nie habe ich sie bemerkt, wenn ich Wein vorher
getrunken hatte.

42.

Daß jeder Mensch wenigstens Spuren dieser Erschei-
nungen habe, davon bin ich gewiß. In der That sind
unsere Traumbilder, die uns ja gewöhnlich auch im hellen
Sehraum erscheinen, nichts anders als die Fortsetzung
dieser Erscheinungen vor dem Einschlafen, und so wie diese
in die Traumbilder übergehen, so bleiben sie auch oft nach
dem Erwachen eine kurze Zeit im Sehfelde haften, worauf
sie allmählig in Licht- und Nebelflecken erlöschen, verscheucht
durch die stärkere Anregung der Sehsinnsubstanz von Aussen.

Wer am Tage nicht zu diesen Erscheinungen disponirt
ist, wird wenigstens vor dem Einschlafen darauf aufmerk-
sam seyn können, wenn er es nicht schon gewesen. Wem
sie vor dem Einschlafen nicht erscheinen, dem ist dasselbe
Phaenomen doch im Traume gewiß.

43.

Daß diese Erscheinungen aber bei unzähligen Menschen

Und urploͤtzlich erſcheint ein Lichtes, nicht zuerſt Vorgeſtelltes
gegen meinen Willen, ohne alle erkennbare Aſſociation. Aber
dieſe Erſcheinung, die ich ſelbſt im wachenden Zuſtand leuch-
tend zu ſehen faͤhig bin, leuchtet ſo gewiß, als der Blitz
leuchtet, den ich als ſubjectives Geſichtsphaenomen durch
Druck dem Auge entlocke.

41.

Am leichteſten treten dieſe Phaenomene ein, wenn ich
ganz wohl bin, wenn keine beſondere Erregung in irgend
einem Theil des Organismus geiſtig oder phyſiſch obwaltet,
und beſonders, wenn ich gefaſtet habe. Durch Faſten kann
ich dieſe Phaenomene zu einer wunderbaren Lebendigkeit
bringen. Nie habe ich ſie bemerkt, wenn ich Wein vorher
getrunken hatte.

42.

Daß jeder Menſch wenigſtens Spuren dieſer Erſchei-
nungen habe, davon bin ich gewiß. In der That ſind
unſere Traumbilder, die uns ja gewoͤhnlich auch im hellen
Sehraum erſcheinen, nichts anders als die Fortſetzung
dieſer Erſcheinungen vor dem Einſchlafen, und ſo wie dieſe
in die Traumbilder uͤbergehen, ſo bleiben ſie auch oft nach
dem Erwachen eine kurze Zeit im Sehfelde haften, worauf
ſie allmaͤhlig in Licht- und Nebelflecken erloͤſchen, verſcheucht
durch die ſtaͤrkere Anregung der Sehſinnſubſtanz von Auſſen.

Wer am Tage nicht zu dieſen Erſcheinungen diſponirt
iſt, wird wenigſtens vor dem Einſchlafen darauf aufmerk-
ſam ſeyn koͤnnen, wenn er es nicht ſchon geweſen. Wem
ſie vor dem Einſchlafen nicht erſcheinen, dem iſt daſſelbe
Phaenomen doch im Traume gewiß.

43.

Daß dieſe Erſcheinungen aber bei unzaͤhligen Menſchen

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[24/0040] Und urploͤtzlich erſcheint ein Lichtes, nicht zuerſt Vorgeſtelltes gegen meinen Willen, ohne alle erkennbare Aſſociation. Aber dieſe Erſcheinung, die ich ſelbſt im wachenden Zuſtand leuch- tend zu ſehen faͤhig bin, leuchtet ſo gewiß, als der Blitz leuchtet, den ich als ſubjectives Geſichtsphaenomen durch Druck dem Auge entlocke. 41. Am leichteſten treten dieſe Phaenomene ein, wenn ich ganz wohl bin, wenn keine beſondere Erregung in irgend einem Theil des Organismus geiſtig oder phyſiſch obwaltet, und beſonders, wenn ich gefaſtet habe. Durch Faſten kann ich dieſe Phaenomene zu einer wunderbaren Lebendigkeit bringen. Nie habe ich ſie bemerkt, wenn ich Wein vorher getrunken hatte. 42. Daß jeder Menſch wenigſtens Spuren dieſer Erſchei- nungen habe, davon bin ich gewiß. In der That ſind unſere Traumbilder, die uns ja gewoͤhnlich auch im hellen Sehraum erſcheinen, nichts anders als die Fortſetzung dieſer Erſcheinungen vor dem Einſchlafen, und ſo wie dieſe in die Traumbilder uͤbergehen, ſo bleiben ſie auch oft nach dem Erwachen eine kurze Zeit im Sehfelde haften, worauf ſie allmaͤhlig in Licht- und Nebelflecken erloͤſchen, verſcheucht durch die ſtaͤrkere Anregung der Sehſinnſubſtanz von Auſſen. Wer am Tage nicht zu dieſen Erſcheinungen diſponirt iſt, wird wenigſtens vor dem Einſchlafen darauf aufmerk- ſam ſeyn koͤnnen, wenn er es nicht ſchon geweſen. Wem ſie vor dem Einſchlafen nicht erſcheinen, dem iſt daſſelbe Phaenomen doch im Traume gewiß. 43. Daß dieſe Erſcheinungen aber bei unzaͤhligen Menſchen

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Zitationshilfe: Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826/40>, abgerufen am 25.04.2024.