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Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.

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Stufe aus äußeren Eindrücken Phantasmen im Sehfelde
sich ergänzen, so wird ein Gleiches statt haben müssen,
wenn die Eindrücke auf die Sehsinnsubstanz innerliche, so-
genannte subjective Gesichtserscheinungen sind. Bei geschlos-
senen Augen ist das Sehfeld nie rein von solchen Reflexen
innerer organischer Reizungen anderer Organe in die Seh-
sinnsubstauz, die hier als Lichtflecken, Nebel, Blitze, Strah-
len, Sterne, Farben erscheinen. Auch diese Erscheinungen
metamorphosirt die im Sehfelde plastisch wirkende Phanta-
sie, und zwar um so mehr, als diese rein subjectiven Ge-
sichtserscheinungen viel veränderlicher, flüchtiger sind als
die gesetzmäßigen aus äußerer Anregung entstandenen.
Diese Metamorphose ist daher am lebhaftesten bei geschlos-
senen Augen vor dem Einschlafen.



VI. Das Einbilden im dunkeln Sehfeld
mit Leuchten der Phantasmen
.

Das Hellsehen des Halbwachens.
85.

Wie diese Stufe von der vorhergehenden in Hinsicht
des Genetischen durchaus verschieden sey, habe ich früher
gezeigt. Es ist hier nicht eine subjective Gesichtserscheinung
als Lichtflecken, Nebel, welche zu besonderen Formen ergänzt
wird. Das Phantasma in bestimmter Form entsteht ur-
plötzlich leuchtend im dunkeln Sehfeld ohne Absicht, ohne
Willen, ohne scheinbare äußere Anregung. Das Gene-
tische ist dieses. In der ersten Stufe schon wirkt die Phan-
tasie im dunkeln und lichten Sehfeld Phantasmen durch

Stufe aus aͤußeren Eindruͤcken Phantasmen im Sehfelde
ſich ergaͤnzen, ſo wird ein Gleiches ſtatt haben muͤſſen,
wenn die Eindruͤcke auf die Sehſinnſubſtanz innerliche, ſo-
genannte ſubjective Geſichtserſcheinungen ſind. Bei geſchloſ-
ſenen Augen iſt das Sehfeld nie rein von ſolchen Reflexen
innerer organiſcher Reizungen anderer Organe in die Seh-
ſinnſubſtauz, die hier als Lichtflecken, Nebel, Blitze, Strah-
len, Sterne, Farben erſcheinen. Auch dieſe Erſcheinungen
metamorphoſirt die im Sehfelde plaſtiſch wirkende Phanta-
ſie, und zwar um ſo mehr, als dieſe rein ſubjectiven Ge-
ſichtserſcheinungen viel veraͤnderlicher, fluͤchtiger ſind als
die geſetzmaͤßigen aus aͤußerer Anregung entſtandenen.
Dieſe Metamorphoſe iſt daher am lebhafteſten bei geſchloſ-
ſenen Augen vor dem Einſchlafen.



VI. Das Einbilden im dunkeln Sehfeld
mit Leuchten der Phantasmen
.

Das Hellſehen des Halbwachens.
85.

Wie dieſe Stufe von der vorhergehenden in Hinſicht
des Genetiſchen durchaus verſchieden ſey, habe ich fruͤher
gezeigt. Es iſt hier nicht eine ſubjective Geſichtserſcheinung
als Lichtflecken, Nebel, welche zu beſonderen Formen ergaͤnzt
wird. Das Phantasma in beſtimmter Form entſteht ur-
ploͤtzlich leuchtend im dunkeln Sehfeld ohne Abſicht, ohne
Willen, ohne ſcheinbare aͤußere Anregung. Das Gene-
tiſche iſt dieſes. In der erſten Stufe ſchon wirkt die Phan-
taſie im dunkeln und lichten Sehfeld Phantasmen durch

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[48/0064] Stufe aus aͤußeren Eindruͤcken Phantasmen im Sehfelde ſich ergaͤnzen, ſo wird ein Gleiches ſtatt haben muͤſſen, wenn die Eindruͤcke auf die Sehſinnſubſtanz innerliche, ſo- genannte ſubjective Geſichtserſcheinungen ſind. Bei geſchloſ- ſenen Augen iſt das Sehfeld nie rein von ſolchen Reflexen innerer organiſcher Reizungen anderer Organe in die Seh- ſinnſubſtauz, die hier als Lichtflecken, Nebel, Blitze, Strah- len, Sterne, Farben erſcheinen. Auch dieſe Erſcheinungen metamorphoſirt die im Sehfelde plaſtiſch wirkende Phanta- ſie, und zwar um ſo mehr, als dieſe rein ſubjectiven Ge- ſichtserſcheinungen viel veraͤnderlicher, fluͤchtiger ſind als die geſetzmaͤßigen aus aͤußerer Anregung entſtandenen. Dieſe Metamorphoſe iſt daher am lebhafteſten bei geſchloſ- ſenen Augen vor dem Einſchlafen. VI. Das Einbilden im dunkeln Sehfeld mit Leuchten der Phantasmen. Das Hellſehen des Halbwachens. 85. Wie dieſe Stufe von der vorhergehenden in Hinſicht des Genetiſchen durchaus verſchieden ſey, habe ich fruͤher gezeigt. Es iſt hier nicht eine ſubjective Geſichtserſcheinung als Lichtflecken, Nebel, welche zu beſonderen Formen ergaͤnzt wird. Das Phantasma in beſtimmter Form entſteht ur- ploͤtzlich leuchtend im dunkeln Sehfeld ohne Abſicht, ohne Willen, ohne ſcheinbare aͤußere Anregung. Das Gene- tiſche iſt dieſes. In der erſten Stufe ſchon wirkt die Phan- taſie im dunkeln und lichten Sehfeld Phantasmen durch

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Zitationshilfe: Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826/64>, abgerufen am 18.04.2024.