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Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.

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ühl verschont wurden. Ein andermal überrascht uns eine
hüpfende Freude, ohne das wir wissen, worüber wir uns
freuen, eine Bangigkeit ohne daß wir wissen, worüber wir
bange sind. Wieder ein andermal verlieren wir uns mit unsern
finstern Gedanken in einem endlosen Himmelsraum, in unend-
lichen Zahlen und Kreisen." etc. Moritz und Pockels Ma-
gazin zur Erfahrungsseelenkunde. 5. B. S. 92.

98.

Das ist der täglich eintretende natürliche Zustand,
in welchem einzelne Organe in ihrem Eigenleben schon
träumen, während andere noch wachen, in welchem
wir der Reflexion über diesen Zustand fähig sind, in wel-
chem du dich über deine eigenen Träume und Gesichte noch
mit einem Andern unterhalten kannst. Was bleibt von
den Wundern und der Beseligung des magnetischen
Hellsehens übrig, wenn wir die endlosen Betrügereien der
Magnetischen, die endlosen Mystificationen der Magnetiseurs
abrechnen, die dadurch entstehen, daß beide nichts wissend
von dem, was sie wollen, nach einem Wunderbaren schwär-
mend, ihre gegenseitigen Träume, dort halb wach, hier wa-
chend einander träumend auslegen.

99.

Alles Hellsehen im Magnetismus reducirt sich auf
das freiwillige Hellwerden des dunkeln Sehfeldes und auf
die Phantasiebilder im Schlafwachen, die selbst bei vollkom-
menem Wachen bei geschlossenen Augen eintreten können.
Der Gegenstand des Phantasiebildes kann hier Alles seyn,
womit sich die Phantasie reproductiv und productiv be-
schäfftigt. Es ist entweder ein reproducirtes Wirkliches oder
producirtes Unwirkliches. Die Beschreibungen der Hellsehen-
denen, wie sie ihren eignen Körper sehen, ihre Organe, sind
beides reproducirte, und producirte Phantasmen, höchst

uͤhl verſchont wurden. Ein andermal uͤberraſcht uns eine
huͤpfende Freude, ohne das wir wiſſen, woruͤber wir uns
freuen, eine Bangigkeit ohne daß wir wiſſen, woruͤber wir
bange ſind. Wieder ein andermal verlieren wir uns mit unſern
finſtern Gedanken in einem endloſen Himmelsraum, in unend-
lichen Zahlen und Kreiſen.« ꝛc. Moritz und Pockels Ma-
gazin zur Erfahrungsſeelenkunde. 5. B. S. 92.

98.

Das iſt der taͤglich eintretende natuͤrliche Zuſtand,
in welchem einzelne Organe in ihrem Eigenleben ſchon
traͤumen, waͤhrend andere noch wachen, in welchem
wir der Reflexion uͤber dieſen Zuſtand faͤhig ſind, in wel-
chem du dich uͤber deine eigenen Traͤume und Geſichte noch
mit einem Andern unterhalten kannſt. Was bleibt von
den Wundern und der Beſeligung des magnetiſchen
Hellſehens uͤbrig, wenn wir die endloſen Betruͤgereien der
Magnetiſchen, die endloſen Myſtificationen der Magnetiſeurs
abrechnen, die dadurch entſtehen, daß beide nichts wiſſend
von dem, was ſie wollen, nach einem Wunderbaren ſchwaͤr-
mend, ihre gegenſeitigen Traͤume, dort halb wach, hier wa-
chend einander traͤumend auslegen.

99.

Alles Hellſehen im Magnetismus reducirt ſich auf
das freiwillige Hellwerden des dunkeln Sehfeldes und auf
die Phantaſiebilder im Schlafwachen, die ſelbſt bei vollkom-
menem Wachen bei geſchloſſenen Augen eintreten koͤnnen.
Der Gegenſtand des Phantaſiebildes kann hier Alles ſeyn,
womit ſich die Phantaſie reproductiv und productiv be-
ſchaͤfftigt. Es iſt entweder ein reproducirtes Wirkliches oder
producirtes Unwirkliches. Die Beſchreibungen der Hellſehen-
denen, wie ſie ihren eignen Koͤrper ſehen, ihre Organe, ſind
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[56/0072] uͤhl verſchont wurden. Ein andermal uͤberraſcht uns eine huͤpfende Freude, ohne das wir wiſſen, woruͤber wir uns freuen, eine Bangigkeit ohne daß wir wiſſen, woruͤber wir bange ſind. Wieder ein andermal verlieren wir uns mit unſern finſtern Gedanken in einem endloſen Himmelsraum, in unend- lichen Zahlen und Kreiſen.« ꝛc. Moritz und Pockels Ma- gazin zur Erfahrungsſeelenkunde. 5. B. S. 92. 98. Das iſt der taͤglich eintretende natuͤrliche Zuſtand, in welchem einzelne Organe in ihrem Eigenleben ſchon traͤumen, waͤhrend andere noch wachen, in welchem wir der Reflexion uͤber dieſen Zuſtand faͤhig ſind, in wel- chem du dich uͤber deine eigenen Traͤume und Geſichte noch mit einem Andern unterhalten kannſt. Was bleibt von den Wundern und der Beſeligung des magnetiſchen Hellſehens uͤbrig, wenn wir die endloſen Betruͤgereien der Magnetiſchen, die endloſen Myſtificationen der Magnetiſeurs abrechnen, die dadurch entſtehen, daß beide nichts wiſſend von dem, was ſie wollen, nach einem Wunderbaren ſchwaͤr- mend, ihre gegenſeitigen Traͤume, dort halb wach, hier wa- chend einander traͤumend auslegen. 99. Alles Hellſehen im Magnetismus reducirt ſich auf das freiwillige Hellwerden des dunkeln Sehfeldes und auf die Phantaſiebilder im Schlafwachen, die ſelbſt bei vollkom- menem Wachen bei geſchloſſenen Augen eintreten koͤnnen. Der Gegenſtand des Phantaſiebildes kann hier Alles ſeyn, womit ſich die Phantaſie reproductiv und productiv be- ſchaͤfftigt. Es iſt entweder ein reproducirtes Wirkliches oder producirtes Unwirkliches. Die Beſchreibungen der Hellſehen- denen, wie ſie ihren eignen Koͤrper ſehen, ihre Organe, ſind beides reproducirte, und producirte Phantasmen, hoͤchſt

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Zitationshilfe: Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826/72>, abgerufen am 25.04.2024.