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Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.

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gung waren, und endlich wirkliche Buhlerei und zwar, wie
es scheint, oft mit verkappten Personen oder mit bekannten
Personen, in deren Gestalt gerade jetzt einmal der Teufel
erscheint.

53.

4) Das populäre Geister- und Gespenster-
sehen
, das Selbstsehen des Doppelgängers u. s. w.
Auch hier ist der Zustand, in welchem die phantastische
Erscheinung auftritt, entweder der der Leidenschaft, wie
der Furcht, oder der wirklichen Ekstase.

122.

Allen diesen Erscheinungen ist es gemein, daß das äu-
ßere Sinnesleben auf irgend eine Art durch äußere Ein-
wirkung oder innere leidenschaftliche Zustände beschränkt
wird. Das innere Sinnesleben beginnt dann von selbst
und es erscheinen die Objecte der Gedanken und Vorstellun-
gen als religiöse, magische, dämonische Gesichte, immer aber
nach der Begriffsweise des Sehers verschieden anthropo-
morphisirt, anders dem Indischen, dem Heidnischen, dem
Christlichen Schwärmer, Andern andere Dämonen.

123.

Eigenthümlich diesen krankhaften oder leidenschaftlichen
Zuständen ist es, daß die Objectivität der Erscheinungen
zuverlässig anerkannt wird. Ita enim cum hominibus com-
paratum est, ut quidquid puro intellectu concipiunt,
solo intellectu et ratione, quidquid contra ex animi af-
fectibus opinantur, iisdem etiam defendant.
In dem
Glauben eines sichtbaren Umganges mit dem Teufel besteigt
der Angeklagte den Scheiterhaufen, ein Opfer seiner eige-
nen Phantasie. Je nachdem die Vision die Gestalt eines

gung waren, und endlich wirkliche Buhlerei und zwar, wie
es ſcheint, oft mit verkappten Perſonen oder mit bekannten
Perſonen, in deren Geſtalt gerade jetzt einmal der Teufel
erſcheint.

53.

4) Das populaͤre Geiſter- und Geſpenſter-
ſehen
, das Selbſtſehen des Doppelgaͤngers u. ſ. w.
Auch hier iſt der Zuſtand, in welchem die phantaſtiſche
Erſcheinung auftritt, entweder der der Leidenſchaft, wie
der Furcht, oder der wirklichen Ekſtaſe.

122.

Allen dieſen Erſcheinungen iſt es gemein, daß das aͤu-
ßere Sinnesleben auf irgend eine Art durch aͤußere Ein-
wirkung oder innere leidenſchaftliche Zuſtaͤnde beſchraͤnkt
wird. Das innere Sinnesleben beginnt dann von ſelbſt
und es erſcheinen die Objecte der Gedanken und Vorſtellun-
gen als religioͤſe, magiſche, daͤmoniſche Geſichte, immer aber
nach der Begriffsweiſe des Sehers verſchieden anthropo-
morphiſirt, anders dem Indiſchen, dem Heidniſchen, dem
Chriſtlichen Schwaͤrmer, Andern andere Daͤmonen.

123.

Eigenthuͤmlich dieſen krankhaften oder leidenſchaftlichen
Zuſtaͤnden iſt es, daß die Objectivitaͤt der Erſcheinungen
zuverlaͤſſig anerkannt wird. Ita enim cum hominibus com-
paratum est, ut quidquid puro intellectu concipiunt,
solo intellectu et ratione, quidquid contra ex animi af-
fectibus opinantur, iisdem etiam defendant.
In dem
Glauben eines ſichtbaren Umganges mit dem Teufel beſteigt
der Angeklagte den Scheiterhaufen, ein Opfer ſeiner eige-
nen Phantaſie. Je nachdem die Viſion die Geſtalt eines

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[68/0084] gung waren, und endlich wirkliche Buhlerei und zwar, wie es ſcheint, oft mit verkappten Perſonen oder mit bekannten Perſonen, in deren Geſtalt gerade jetzt einmal der Teufel erſcheint. 53. 4) Das populaͤre Geiſter- und Geſpenſter- ſehen, das Selbſtſehen des Doppelgaͤngers u. ſ. w. Auch hier iſt der Zuſtand, in welchem die phantaſtiſche Erſcheinung auftritt, entweder der der Leidenſchaft, wie der Furcht, oder der wirklichen Ekſtaſe. 122. Allen dieſen Erſcheinungen iſt es gemein, daß das aͤu- ßere Sinnesleben auf irgend eine Art durch aͤußere Ein- wirkung oder innere leidenſchaftliche Zuſtaͤnde beſchraͤnkt wird. Das innere Sinnesleben beginnt dann von ſelbſt und es erſcheinen die Objecte der Gedanken und Vorſtellun- gen als religioͤſe, magiſche, daͤmoniſche Geſichte, immer aber nach der Begriffsweiſe des Sehers verſchieden anthropo- morphiſirt, anders dem Indiſchen, dem Heidniſchen, dem Chriſtlichen Schwaͤrmer, Andern andere Daͤmonen. 123. Eigenthuͤmlich dieſen krankhaften oder leidenſchaftlichen Zuſtaͤnden iſt es, daß die Objectivitaͤt der Erſcheinungen zuverlaͤſſig anerkannt wird. Ita enim cum hominibus com- paratum est, ut quidquid puro intellectu concipiunt, solo intellectu et ratione, quidquid contra ex animi af- fectibus opinantur, iisdem etiam defendant. In dem Glauben eines ſichtbaren Umganges mit dem Teufel beſteigt der Angeklagte den Scheiterhaufen, ein Opfer ſeiner eige- nen Phantaſie. Je nachdem die Viſion die Geſtalt eines

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Zitationshilfe: Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826/84>, abgerufen am 29.03.2024.