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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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flüchtet, Feuer angelegt hätten 1. Eine andere giebt
an, daß Aletes, da ihm das Orakel geweissagt: er solle
am kranzreichen Tage die Stadt angreifen, sie während
eines großen Leichenfestes durch Verrath der jüngsten
Tochter des Kreon eingenommen: doch sind dies zum
Theil nur scheinbar historische Deutungen von alten Fest-
gebräuchen. Weil Aletes, der Genealogie zufolge, ein
Menschenalter nach den Eroberern des Peloponnes lebt:
setzte man die Einnahme von Korinth 30 Jahre nach dem
Heraklidenzuge 2, und verfiel dann auch wohl in den
Irrthum, frühere Dorier in Korinth anzunehmen, weil
ja doch die Herakliden den Peloponnes mit einem Schla-
ge eingenommen haben sollten. Jetzt erst scheint die
Stadt den Namen Korinth erhalten zu haben, da sie
bis dahin Ephyra hieß 3; und zwar scheint es, daß sie
die Dorier mit einer gewissen Vorliebe "des Zeus Ko-
rinth
" nannten, ohne daß es den Bemühungen alter
Erklärer gelungen ist, den Namen befriedigend zu er-
klären.

9.

Die früheren Bewohner Korinths waren nach
Thukydides Ausdruck Aeoler gewesen, und ihre Sa-
gen und Culte zeigen, daß sie in naher Verwandtschaft
mit den Minyern von Jolkos und Orchomenos standen 4.
Ihre Könige sind die Sisyphiden, deren Genealogie mit
Hyantidas und Doridas schließt. Wir finden in dem
letzten Namen dieselbe Verwirrung, die ich unter andern
in der Sage von Thessalos, Jasons Sohn, nachgewiesen
habe 5; wodurch ein neu eintretender Volkstamm genea-

1 Schol. Pind. Ol. 13, 56.
2 Didymos Schol. Pind. O.
13, 17. Konon a. O. vgl. Diodor bei Euseb. Chron. p. 35.
(Fragm. 6. S. 635 Wess.) Ephoros bei Str. 8, 389 d. und
Skymn. 526.
3 Nach Vellej. Paterc. 1, 3. 3.
4 Orchom.
S. 140. Nach Konon a. O. fand Aletes Sisyphiden und mit ih-
nen Jonier.
5 S. 257.

fluͤchtet, Feuer angelegt haͤtten 1. Eine andere giebt
an, daß Aletes, da ihm das Orakel geweiſſagt: er ſolle
am kranzreichen Tage die Stadt angreifen, ſie waͤhrend
eines großen Leichenfeſtes durch Verrath der juͤngſten
Tochter des Kreon eingenommen: doch ſind dies zum
Theil nur ſcheinbar hiſtoriſche Deutungen von alten Feſt-
gebraͤuchen. Weil Aletes, der Genealogie zufolge, ein
Menſchenalter nach den Eroberern des Peloponnes lebt:
ſetzte man die Einnahme von Korinth 30 Jahre nach dem
Heraklidenzuge 2, und verfiel dann auch wohl in den
Irrthum, fruͤhere Dorier in Korinth anzunehmen, weil
ja doch die Herakliden den Peloponnes mit einem Schla-
ge eingenommen haben ſollten. Jetzt erſt ſcheint die
Stadt den Namen Korinth erhalten zu haben, da ſie
bis dahin Ephyra hieß 3; und zwar ſcheint es, daß ſie
die Dorier mit einer gewiſſen Vorliebe “des Zeus Ko-
rinth
” nannten, ohne daß es den Bemuͤhungen alter
Erklaͤrer gelungen iſt, den Namen befriedigend zu er-
klaͤren.

9.

Die fruͤheren Bewohner Korinths waren nach
Thukydides Ausdruck Aeoler geweſen, und ihre Sa-
gen und Culte zeigen, daß ſie in naher Verwandtſchaft
mit den Minyern von Jolkos und Orchomenos ſtanden 4.
Ihre Koͤnige ſind die Siſyphiden, deren Genealogie mit
Hyantidas und Doridas ſchließt. Wir finden in dem
letzten Namen dieſelbe Verwirrung, die ich unter andern
in der Sage von Theſſalos, Jaſons Sohn, nachgewieſen
habe 5; wodurch ein neu eintretender Volkſtamm genea-

1 Schol. Pind. Ol. 13, 56.
2 Didymos Schol. Pind. O.
13, 17. Konon a. O. vgl. Diodor bei Euſeb. Chron. p. 35.
(Fragm. 6. S. 635 Weſſ.) Ephoros bei Str. 8, 389 d. und
Skymn. 526.
3 Nach Vellej. Paterc. 1, 3. 3.
4 Orchom.
S. 140. Nach Konon a. O. fand Aletes Siſyphiden und mit ih-
nen Jonier.
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[86/0116] fluͤchtet, Feuer angelegt haͤtten 1. Eine andere giebt an, daß Aletes, da ihm das Orakel geweiſſagt: er ſolle am kranzreichen Tage die Stadt angreifen, ſie waͤhrend eines großen Leichenfeſtes durch Verrath der juͤngſten Tochter des Kreon eingenommen: doch ſind dies zum Theil nur ſcheinbar hiſtoriſche Deutungen von alten Feſt- gebraͤuchen. Weil Aletes, der Genealogie zufolge, ein Menſchenalter nach den Eroberern des Peloponnes lebt: ſetzte man die Einnahme von Korinth 30 Jahre nach dem Heraklidenzuge 2, und verfiel dann auch wohl in den Irrthum, fruͤhere Dorier in Korinth anzunehmen, weil ja doch die Herakliden den Peloponnes mit einem Schla- ge eingenommen haben ſollten. Jetzt erſt ſcheint die Stadt den Namen Korinth erhalten zu haben, da ſie bis dahin Ephyra hieß 3; und zwar ſcheint es, daß ſie die Dorier mit einer gewiſſen Vorliebe “des Zeus Ko- rinth” nannten, ohne daß es den Bemuͤhungen alter Erklaͤrer gelungen iſt, den Namen befriedigend zu er- klaͤren. 9. Die fruͤheren Bewohner Korinths waren nach Thukydides Ausdruck Aeoler geweſen, und ihre Sa- gen und Culte zeigen, daß ſie in naher Verwandtſchaft mit den Minyern von Jolkos und Orchomenos ſtanden 4. Ihre Koͤnige ſind die Siſyphiden, deren Genealogie mit Hyantidas und Doridas ſchließt. Wir finden in dem letzten Namen dieſelbe Verwirrung, die ich unter andern in der Sage von Theſſalos, Jaſons Sohn, nachgewieſen habe 5; wodurch ein neu eintretender Volkſtamm genea- 1 Schol. Pind. Ol. 13, 56. 2 Didymos Schol. Pind. O. 13, 17. Konon a. O. vgl. Diodor bei Euſeb. Chron. p. 35. (Fragm. 6. S. 635 Weſſ.) Ephoros bei Str. 8, 389 d. und Skymn. 526. 3 Nach Vellej. Paterc. 1, 3. 3. 4 Orchom. S. 140. Nach Konon a. O. fand Aletes Siſyphiden und mit ih- nen Jonier. 5 S. 257.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/116>, abgerufen am 18.04.2024.