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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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Gefangenen nach Haus, behandelte ihn als Gastfreund
und Tischgenoß; solche hießen hernach doruxenoi, im
Gegensatz von dorualotoi.

11.

Wir wenden uns nach Lakonika, welches
nach jener Theilungssage dem Aristodemos oder dessen
Söhnen zum Erbtheile zugefallen war. Nach der ge-
meinen Sage nämlich, die von epischen Dichtern auf-
genommen war 1, waren es die Zwillingsbrüder Eury-
sthenes
und Prokles (Prokleas dorisch) 2, die
nach dem Tode ihres Vaters Sparta einnahmen; die
Spartanische Landestradition ließ dagegen, wie Hero-
dot berichtet, Aristodemos selbst einziehn 3, und erst
nach dessen Tode die Doppelherrschaft seiner Kinder an-
geordnet werden, doch so, daß der Erstgeborne gewis-
ser Vorzüge genießen sollte 4. Dem widerspräche zwar
wieder Thukydides 5, der als Lakonische Sage anführt,
daß die Könige, welche zuerst Lakedämon einnahmen,
er meint Eurysthenes und Prokles, mit Chören und Op-
fern eingeführt wurden, welche Ehre auf Gebot des Del-
phischen Orakels nachmals dem Pleistoanax bei seiner
Wiedereinsetzung wiederfuhr. Indessen liegt diese Ab-
weichung vielleicht nur in einer verzeihlichen Nachläs-
sigkeit des Schriftstellers.

12.

Aber weit schwieriger ist es, eine Ansicht von
dem Zustande Lakonikas unmittelbar nach der Einwande-
rung zu gewinnen. Denn daß die Geschichte, wie sie

1 S. oben S. 51.
2 Kuhn zu Paus. 3, 1. Nach Po-
lyän 1, 10. eroberten Prokles und Temenos zusammen Lakedä-
mon.
3 In dem Orakel, welches Herod. 6, 52. umschreibt,
stand wohl mallon de geraiteron esti gerairein.
4 Dieser
folgt Plutarch Ages. 19.
5 5, 16. Auch bei Platon Gesetze 3,
683. antwortet der Spartaner Megillos auf die Frage: kai basileus
men -- Lakedaimonos Prokles kai Eurusthenes; pos gar ou;
gegen seine Landessage.

Gefangenen nach Haus, behandelte ihn als Gaſtfreund
und Tiſchgenoß; ſolche hießen hernach δοϱύξενοι, im
Gegenſatz von δορυάλωτοι.

11.

Wir wenden uns nach Lakonika, welches
nach jener Theilungsſage dem Ariſtodemos oder deſſen
Soͤhnen zum Erbtheile zugefallen war. Nach der ge-
meinen Sage naͤmlich, die von epiſchen Dichtern auf-
genommen war 1, waren es die Zwillingsbruͤder Eury-
ſthenes
und Prokles (Πϱοκλέας doriſch) 2, die
nach dem Tode ihres Vaters Sparta einnahmen; die
Spartaniſche Landestradition ließ dagegen, wie Hero-
dot berichtet, Ariſtodemos ſelbſt einziehn 3, und erſt
nach deſſen Tode die Doppelherrſchaft ſeiner Kinder an-
geordnet werden, doch ſo, daß der Erſtgeborne gewiſ-
ſer Vorzuͤge genießen ſollte 4. Dem widerſpraͤche zwar
wieder Thukydides 5, der als Lakoniſche Sage anfuͤhrt,
daß die Koͤnige, welche zuerſt Lakedaͤmon einnahmen,
er meint Euryſthenes und Prokles, mit Choͤren und Op-
fern eingefuͤhrt wurden, welche Ehre auf Gebot des Del-
phiſchen Orakels nachmals dem Pleiſtoanax bei ſeiner
Wiedereinſetzung wiederfuhr. Indeſſen liegt dieſe Ab-
weichung vielleicht nur in einer verzeihlichen Nachlaͤſ-
ſigkeit des Schriftſtellers.

12.

Aber weit ſchwieriger iſt es, eine Anſicht von
dem Zuſtande Lakonikas unmittelbar nach der Einwande-
rung zu gewinnen. Denn daß die Geſchichte, wie ſie

1 S. oben S. 51.
2 Kuhn zu Pauſ. 3, 1. Nach Po-
lyaͤn 1, 10. eroberten Prokles und Temenos zuſammen Lakedaͤ-
mon.
3 In dem Orakel, welches Herod. 6, 52. umſchreibt,
ſtand wohl μᾶλλον δὲ γεϱαίτεϱον ἔστι γεϱαίϱειν.
4 Dieſer
folgt Plutarch Ageſ. 19.
5 5, 16. Auch bei Platon Geſetze 3,
683. antwortet der Spartaner Megillos auf die Frage: καὶ βασιλεὺς
μὲν — Λακεδαίμονος Πϱοκλῆς καὶ Εὐϱυσϑένης; πῶς γὰϱ οὐ;
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[90/0120] Gefangenen nach Haus, behandelte ihn als Gaſtfreund und Tiſchgenoß; ſolche hießen hernach δοϱύξενοι, im Gegenſatz von δορυάλωτοι. 11. Wir wenden uns nach Lakonika, welches nach jener Theilungsſage dem Ariſtodemos oder deſſen Soͤhnen zum Erbtheile zugefallen war. Nach der ge- meinen Sage naͤmlich, die von epiſchen Dichtern auf- genommen war 1, waren es die Zwillingsbruͤder Eury- ſthenes und Prokles (Πϱοκλέας doriſch) 2, die nach dem Tode ihres Vaters Sparta einnahmen; die Spartaniſche Landestradition ließ dagegen, wie Hero- dot berichtet, Ariſtodemos ſelbſt einziehn 3, und erſt nach deſſen Tode die Doppelherrſchaft ſeiner Kinder an- geordnet werden, doch ſo, daß der Erſtgeborne gewiſ- ſer Vorzuͤge genießen ſollte 4. Dem widerſpraͤche zwar wieder Thukydides 5, der als Lakoniſche Sage anfuͤhrt, daß die Koͤnige, welche zuerſt Lakedaͤmon einnahmen, er meint Euryſthenes und Prokles, mit Choͤren und Op- fern eingefuͤhrt wurden, welche Ehre auf Gebot des Del- phiſchen Orakels nachmals dem Pleiſtoanax bei ſeiner Wiedereinſetzung wiederfuhr. Indeſſen liegt dieſe Ab- weichung vielleicht nur in einer verzeihlichen Nachlaͤſ- ſigkeit des Schriftſtellers. 12. Aber weit ſchwieriger iſt es, eine Anſicht von dem Zuſtande Lakonikas unmittelbar nach der Einwande- rung zu gewinnen. Denn daß die Geſchichte, wie ſie 1 S. oben S. 51. 2 Kuhn zu Pauſ. 3, 1. Nach Po- lyaͤn 1, 10. eroberten Prokles und Temenos zuſammen Lakedaͤ- mon. 3 In dem Orakel, welches Herod. 6, 52. umſchreibt, ſtand wohl μᾶλλον δὲ γεϱαίτεϱον ἔστι γεϱαίϱειν. 4 Dieſer folgt Plutarch Ageſ. 19. 5 5, 16. Auch bei Platon Geſetze 3, 683. antwortet der Spartaner Megillos auf die Frage: καὶ βασιλεὺς μὲν — Λακεδαίμονος Πϱοκλῆς καὶ Εὐϱυσϑένης; πῶς γὰϱ οὐ; gegen ſeine Landesſage.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/120>, abgerufen am 19.04.2024.