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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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16.

Von Messeniens innern Verhältnissen können
wir noch weniger wissen, als von denen Lakonikas, da
nach dem Aufhören der politischen Existenz auch die
Monumente, ja selbst die Menschen untergingen, an
denen und durch die sich die Kunde hätte fortpflanzen
können. Indessen geben doch, Ephoros Nachrichten bei
Seite gesetzt, einige sehr einfache Umstände einen Be-
griff von dem Zustande des Landes. Man erzählt, daß
als Kresphontes durch Verrath umgekommen, die Ar-
kader, vereinigt mit den Königen Sparta's und Keisos
von Argos, seinen Sohn Aepytos wieder eingesetzt
hätten 1, der bei dem Vater seiner Mutter Merope,
dem Arkader Kypselos, erzogen worden war 2, und
durch seine Thaten so viel Ruhm erwarb, daß alle
seine Nachfolger Aepytiden genannt wurden. Aepy-
tos Name hängt offenbar zusammen mit Aepytis, wel-
che Gegend auf den Gränzen von Arkadien und Mes-
senien beim uralten Andania, dem ältesten Cultursitze
des Landes, lag. Die Namen seiner Nachfolger,
Glaukos, Isthmios, Dotadas, Sybotas (Sauhirt),
Phintas (der Liebreiche) stehn im merkwürdigen Ge-
gensatze gegen die der Lakonischen Könige, wie Eury-
sthenes (Weitstark), Prokleas (Vorruhm), Agis (Heer-

1 Apollod. 2, 8, 5. Paus. 4, 3. 8, 5, 5. Der sophistische
Isokrates Archidam c. 7. läßt von der Zeit an die Lakedämonier
Messenien beherrschen, das ihnen die Söhne des Kresphontes gege-
ben. -- Euripides in der Merope erzählte so: Polyphontes hatte
den Kresphontes getödtet und sich seiner Gemahlin Merope und
der Herrschaft bemächtigt. Der Sohn Telephon, den Merope zu
einem Gastfreund in Aetolien gesandt, kommt zurück, und tödtet
durch List und nach allerlei tragischen Scenen den Thronräuber.
S. Fragmente und Hygin f. 137. die Forts. in 184. Apollodors
Erzählung ist mehr mit der Landessage in Uebereinstimmung ge-
bracht.
2 Der Stammbaum ist der: Aepytos -- Kypselos --
Merope -- Aepytos -- Aepytidä.
7 *
16.

Von Meſſeniens innern Verhaͤltniſſen koͤnnen
wir noch weniger wiſſen, als von denen Lakonikas, da
nach dem Aufhoͤren der politiſchen Exiſtenz auch die
Monumente, ja ſelbſt die Menſchen untergingen, an
denen und durch die ſich die Kunde haͤtte fortpflanzen
koͤnnen. Indeſſen geben doch, Ephoros Nachrichten bei
Seite geſetzt, einige ſehr einfache Umſtaͤnde einen Be-
griff von dem Zuſtande des Landes. Man erzaͤhlt, daß
als Kresphontes durch Verrath umgekommen, die Ar-
kader, vereinigt mit den Koͤnigen Sparta’s und Keiſos
von Argos, ſeinen Sohn Aepytos wieder eingeſetzt
haͤtten 1, der bei dem Vater ſeiner Mutter Merope,
dem Arkader Kypſelos, erzogen worden war 2, und
durch ſeine Thaten ſo viel Ruhm erwarb, daß alle
ſeine Nachfolger Aepytiden genannt wurden. Aepy-
tos Name haͤngt offenbar zuſammen mit Aepytis, wel-
che Gegend auf den Graͤnzen von Arkadien und Meſ-
ſenien beim uralten Andania, dem aͤlteſten Culturſitze
des Landes, lag. Die Namen ſeiner Nachfolger,
Glaukos, Iſthmios, Dotadas, Sybotas (Sauhirt),
Phintas (der Liebreiche) ſtehn im merkwuͤrdigen Ge-
genſatze gegen die der Lakoniſchen Koͤnige, wie Eury-
ſthenes (Weitſtark), Prokleas (Vorruhm), Agis (Heer-

1 Apollod. 2, 8, 5. Pauſ. 4, 3. 8, 5, 5. Der ſophiſtiſche
Iſokrates Archidam c. 7. laͤßt von der Zeit an die Lakedaͤmonier
Meſſenien beherrſchen, das ihnen die Soͤhne des Kresphontes gege-
ben. — Euripides in der Merope erzaͤhlte ſo: Polyphontes hatte
den Kresphontes getoͤdtet und ſich ſeiner Gemahlin Merope und
der Herrſchaft bemaͤchtigt. Der Sohn Telephon, den Merope zu
einem Gaſtfreund in Aetolien geſandt, kommt zuruͤck, und toͤdtet
durch Liſt und nach allerlei tragiſchen Scenen den Thronraͤuber.
S. Fragmente und Hygin f. 137. die Fortſ. in 184. Apollodors
Erzaͤhlung iſt mehr mit der Landesſage in Uebereinſtimmung ge-
bracht.
2 Der Stammbaum iſt der: Aepytos — Kypſelos —
Merope — Aepytos — Aepytidaͤ.
7 *
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[99/0129] 16. Von Meſſeniens innern Verhaͤltniſſen koͤnnen wir noch weniger wiſſen, als von denen Lakonikas, da nach dem Aufhoͤren der politiſchen Exiſtenz auch die Monumente, ja ſelbſt die Menſchen untergingen, an denen und durch die ſich die Kunde haͤtte fortpflanzen koͤnnen. Indeſſen geben doch, Ephoros Nachrichten bei Seite geſetzt, einige ſehr einfache Umſtaͤnde einen Be- griff von dem Zuſtande des Landes. Man erzaͤhlt, daß als Kresphontes durch Verrath umgekommen, die Ar- kader, vereinigt mit den Koͤnigen Sparta’s und Keiſos von Argos, ſeinen Sohn Aepytos wieder eingeſetzt haͤtten 1, der bei dem Vater ſeiner Mutter Merope, dem Arkader Kypſelos, erzogen worden war 2, und durch ſeine Thaten ſo viel Ruhm erwarb, daß alle ſeine Nachfolger Aepytiden genannt wurden. Aepy- tos Name haͤngt offenbar zuſammen mit Aepytis, wel- che Gegend auf den Graͤnzen von Arkadien und Meſ- ſenien beim uralten Andania, dem aͤlteſten Culturſitze des Landes, lag. Die Namen ſeiner Nachfolger, Glaukos, Iſthmios, Dotadas, Sybotas (Sauhirt), Phintas (der Liebreiche) ſtehn im merkwuͤrdigen Ge- genſatze gegen die der Lakoniſchen Koͤnige, wie Eury- ſthenes (Weitſtark), Prokleas (Vorruhm), Agis (Heer- 1 Apollod. 2, 8, 5. Pauſ. 4, 3. 8, 5, 5. Der ſophiſtiſche Iſokrates Archidam c. 7. laͤßt von der Zeit an die Lakedaͤmonier Meſſenien beherrſchen, das ihnen die Soͤhne des Kresphontes gege- ben. — Euripides in der Merope erzaͤhlte ſo: Polyphontes hatte den Kresphontes getoͤdtet und ſich ſeiner Gemahlin Merope und der Herrſchaft bemaͤchtigt. Der Sohn Telephon, den Merope zu einem Gaſtfreund in Aetolien geſandt, kommt zuruͤck, und toͤdtet durch Liſt und nach allerlei tragiſchen Scenen den Thronraͤuber. S. Fragmente und Hygin f. 137. die Fortſ. in 184. Apollodors Erzaͤhlung iſt mehr mit der Landesſage in Uebereinſtimmung ge- bracht. 2 Der Stammbaum iſt der: Aepytos — Kypſelos — Merope — Aepytos — Aepytidaͤ. 7 *

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/129>, abgerufen am 24.04.2024.