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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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rodie. Auch die Kataloge der Hera-Priesterinnen,
die man wahrscheinlich in Argos selbst hatte, schlossen
die Fabel nicht aus.

3.

Es gab Lakonische öffentlich verfaßte anagra-
phai, in denen Plutarch die Töchter des Agesilaos 1,
und in den ältesten auch das Pythische Orakel über
Lykurg fand 2 -- dasselbe, welches Herodot im ersten
Buche anführt. In diesen standen ohne Zweifel die
Namen aller Könige, und wahrscheinlich auch die
Jahre und zwar bis Prokles hinauf angegeben, der
nach einer oben gegebenen Notiz ein Jahr jünger als
sein Bruder Eurysthenes 3 starb, was schwerlich aus
einer andern Quelle fließen konnte, als einheimischer,
wenn es auch in die schriftlichen Aufzeichnungen selbst
erst wieder aus der Sage kam; wobei es freilich sehr
räthselhaft bleibt, wie die Sage gegen ihren sonstigen
Charakter Jahreszahlen aufbewahrte. Aus diesen Auf-
zeichnungen bildete ohne Zweifel Charon von Lampsakos
vor Herodot sein Werk: "die Prytanen oder Herrscher
von Lakedämon" 4, woselbst er auch Weihgeschenke und
Denkmäler alter Zeiten bemerkte 5. Von Timäos
chronologischer Arbeit aber sagt Polybios 6: "Dieser
Schriftsteller verglich von Anfang an die Ephoren mit
den Königen in Lakedämon, und die Archonten in
Athen und Priesterinnen in Argos mit den Olympioni-
ken, und bemerkte die Irrthümer der Städte in den
Aufzeichnungen derselben, wenn sie auch nur um drei

1 Agesil. 19.
2 gegen Kolotes 17. S. 268. Lakedai-
monioi ton peri Lukourgou khresmon en tais palaiotatais ana-
graphais ekhontes. Ueber dies Orakel vgl. Theodoret Graec. affect.
9. 10. Max. Tyr. diss. 13, 1. Das Orakel bei Oenomaos (Eu-
seb. Praep. Ev. 5. p. 113.) ist sicher spätere Erfindung.
3 Die-
fer regierte nach Euseb 42 Jahre.
4 Suidas Kharon.
5 Athen.
11, 475. über das karkhesion.
6 12, 12, 1.
9 *

rodie. Auch die Kataloge der Hera-Prieſterinnen,
die man wahrſcheinlich in Argos ſelbſt hatte, ſchloſſen
die Fabel nicht aus.

3.

Es gab Lakoniſche oͤffentlich verfaßte ἀναγρα-
φαὶ, in denen Plutarch die Toͤchter des Ageſilaos 1,
und in den aͤlteſten auch das Pythiſche Orakel uͤber
Lykurg fand 2 — daſſelbe, welches Herodot im erſten
Buche anfuͤhrt. In dieſen ſtanden ohne Zweifel die
Namen aller Koͤnige, und wahrſcheinlich auch die
Jahre und zwar bis Prokles hinauf angegeben, der
nach einer oben gegebenen Notiz ein Jahr juͤnger als
ſein Bruder Euryſthenes 3 ſtarb, was ſchwerlich aus
einer andern Quelle fließen konnte, als einheimiſcher,
wenn es auch in die ſchriftlichen Aufzeichnungen ſelbſt
erſt wieder aus der Sage kam; wobei es freilich ſehr
raͤthſelhaft bleibt, wie die Sage gegen ihren ſonſtigen
Charakter Jahreszahlen aufbewahrte. Aus dieſen Auf-
zeichnungen bildete ohne Zweifel Charon von Lampſakos
vor Herodot ſein Werk: “die Prytanen oder Herrſcher
von Lakedaͤmon” 4, woſelbſt er auch Weihgeſchenke und
Denkmaͤler alter Zeiten bemerkte 5. Von Timaͤos
chronologiſcher Arbeit aber ſagt Polybios 6: “Dieſer
Schriftſteller verglich von Anfang an die Ephoren mit
den Koͤnigen in Lakedaͤmon, und die Archonten in
Athen und Prieſterinnen in Argos mit den Olympioni-
ken, und bemerkte die Irrthuͤmer der Staͤdte in den
Aufzeichnungen derſelben, wenn ſie auch nur um drei

1 Ageſil. 19.
2 gegen Kolotes 17. S. 268. Λακεδαι-
μόνιοι τὸν πεϱὶ Λυκούϱγου χϱησμὸν ἐν ταῖς παλαιοτάταις ἀνα-
γϱαφαῖς ἔχοντες. Ueber dies Orakel vgl. Theodoret Graec. affect.
9. 10. Max. Tyr. diss. 13, 1. Das Orakel bei Oenomaos (Eu-
ſeb. Praep. Ev. 5. p. 113.) iſt ſicher ſpaͤtere Erfindung.
3 Die-
fer regierte nach Euſeb 42 Jahre.
4 Suidas Χάϱων.
5 Athen.
11, 475. uͤber das καϱχήσιον.
6 12, 12, 1.
9 *
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[131/0161] rodie. Auch die Kataloge der Hera-Prieſterinnen, die man wahrſcheinlich in Argos ſelbſt hatte, ſchloſſen die Fabel nicht aus. 3. Es gab Lakoniſche oͤffentlich verfaßte ἀναγρα- φαὶ, in denen Plutarch die Toͤchter des Ageſilaos 1, und in den aͤlteſten auch das Pythiſche Orakel uͤber Lykurg fand 2 — daſſelbe, welches Herodot im erſten Buche anfuͤhrt. In dieſen ſtanden ohne Zweifel die Namen aller Koͤnige, und wahrſcheinlich auch die Jahre und zwar bis Prokles hinauf angegeben, der nach einer oben gegebenen Notiz ein Jahr juͤnger als ſein Bruder Euryſthenes 3 ſtarb, was ſchwerlich aus einer andern Quelle fließen konnte, als einheimiſcher, wenn es auch in die ſchriftlichen Aufzeichnungen ſelbſt erſt wieder aus der Sage kam; wobei es freilich ſehr raͤthſelhaft bleibt, wie die Sage gegen ihren ſonſtigen Charakter Jahreszahlen aufbewahrte. Aus dieſen Auf- zeichnungen bildete ohne Zweifel Charon von Lampſakos vor Herodot ſein Werk: “die Prytanen oder Herrſcher von Lakedaͤmon” 4, woſelbſt er auch Weihgeſchenke und Denkmaͤler alter Zeiten bemerkte 5. Von Timaͤos chronologiſcher Arbeit aber ſagt Polybios 6: “Dieſer Schriftſteller verglich von Anfang an die Ephoren mit den Koͤnigen in Lakedaͤmon, und die Archonten in Athen und Prieſterinnen in Argos mit den Olympioni- ken, und bemerkte die Irrthuͤmer der Staͤdte in den Aufzeichnungen derſelben, wenn ſie auch nur um drei 1 Ageſil. 19. 2 gegen Kolotes 17. S. 268. Λακεδαι- μόνιοι τὸν πεϱὶ Λυκούϱγου χϱησμὸν ἐν ταῖς παλαιοτάταις ἀνα- γϱαφαῖς ἔχοντες. Ueber dies Orakel vgl. Theodoret Graec. affect. 9. 10. Max. Tyr. diss. 13, 1. Das Orakel bei Oenomaos (Eu- ſeb. Praep. Ev. 5. p. 113.) iſt ſicher ſpaͤtere Erfindung. 3 Die- fer regierte nach Euſeb 42 Jahre. 4 Suidas Χάϱων. 5 Athen. 11, 475. uͤber das καϱχήσιον. 6 12, 12, 1. 9 *

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/161>, abgerufen am 25.04.2024.