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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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auch im Peloponnes gegeben haben; nur sind freilich
die monumenta saxis sculpta et aere prisco, durch die die
Messenier den Römern die ursprünglichen Gränzen ge-
gen Lakonien nachweisen wollten, sicher erst nach der
Rückkehr gemacht 1.

4.

Diese Monumente würden, wenn wir sie hät-
ten, eine unverächtliche Grundlage der Geschichte in
den drei Jahrhunderten vor dem Anfange der Historie
geben, aber immer nur ein Gerippe. Alles Fleisch
und Leben der Geschichte müßten wir doch noch immer
von andern Quellen entnehmen. Und zwar theils von
den lyrischen Dichtern, die damals geblüht, und
die Zeit mehr als die Epiker mit in ihre Gesänge auf-
genommen, wie Eumelos, wie Thaletas, Tyrtäos, Alk-
man, Terpandros 2, deren Leben sich größtentheils um
Sparta drehte; und die beiden mittlern lehren in der
That in ihren Bruchstücken noch am Meisten von dem,
was wir vorzüglich zu wissen wünschen; dann die
mündliche Tradition, die zwar in Namen und
Zahlen rechts und links irrend, doch immer etwas
Wesentliches aussagt: endlich die in spätern Zeiten
fortbestehenden, politischen, Institute, die ihren Ur-
sprung in dieser Periode genommen.

Diese und keine andere Mittel konnten diejenigen
benutzen, welche in dem Jahrhundert der erwachenden
Geschichte auch über Lakonien schrieben, wie Hellani-
kos, Charon und Herodot, und auf dieselben mittelbar
oder unmittelbar mußten auch die bauen, die in
den Zeiten der Griechischen Gelehrsamkeit Lykurgos
Zeiten behandelten. Aber wie wenig erkennt man doch

1 bei Tacit. Ann. 4, 44.
2 Eumelos nenne ich hier, als
Lyriker im modernen Sinne, wegen seines asma prosodion für die
Messenische Theorie nach Delos. Paus. 4, 4, 1.

auch im Peloponnes gegeben haben; nur ſind freilich
die monumenta saxis sculpta et aere prisco, durch die die
Meſſenier den Roͤmern die urſpruͤnglichen Graͤnzen ge-
gen Lakonien nachweiſen wollten, ſicher erſt nach der
Ruͤckkehr gemacht 1.

4.

Dieſe Monumente wuͤrden, wenn wir ſie haͤt-
ten, eine unveraͤchtliche Grundlage der Geſchichte in
den drei Jahrhunderten vor dem Anfange der Hiſtorie
geben, aber immer nur ein Gerippe. Alles Fleiſch
und Leben der Geſchichte muͤßten wir doch noch immer
von andern Quellen entnehmen. Und zwar theils von
den lyriſchen Dichtern, die damals gebluͤht, und
die Zeit mehr als die Epiker mit in ihre Geſaͤnge auf-
genommen, wie Eumelos, wie Thaletas, Tyrtaͤos, Alk-
man, Terpandros 2, deren Leben ſich groͤßtentheils um
Sparta drehte; und die beiden mittlern lehren in der
That in ihren Bruchſtuͤcken noch am Meiſten von dem,
was wir vorzuͤglich zu wiſſen wuͤnſchen; dann die
muͤndliche Tradition, die zwar in Namen und
Zahlen rechts und links irrend, doch immer etwas
Weſentliches ausſagt: endlich die in ſpaͤtern Zeiten
fortbeſtehenden, politiſchen, Inſtitute, die ihren Ur-
ſprung in dieſer Periode genommen.

Dieſe und keine andere Mittel konnten diejenigen
benutzen, welche in dem Jahrhundert der erwachenden
Geſchichte auch uͤber Lakonien ſchrieben, wie Hellani-
kos, Charon und Herodot, und auf dieſelben mittelbar
oder unmittelbar mußten auch die bauen, die in
den Zeiten der Griechiſchen Gelehrſamkeit Lykurgos
Zeiten behandelten. Aber wie wenig erkennt man doch

1 bei Tacit. Ann. 4, 44.
2 Eumelos nenne ich hier, als
Lyriker im modernen Sinne, wegen ſeines ᾆσμα πϱοσόδιον fuͤr die
Meſſeniſche Theorie nach Delos. Pauſ. 4, 4, 1.
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[136/0166] auch im Peloponnes gegeben haben; nur ſind freilich die monumenta saxis sculpta et aere prisco, durch die die Meſſenier den Roͤmern die urſpruͤnglichen Graͤnzen ge- gen Lakonien nachweiſen wollten, ſicher erſt nach der Ruͤckkehr gemacht 1. 4. Dieſe Monumente wuͤrden, wenn wir ſie haͤt- ten, eine unveraͤchtliche Grundlage der Geſchichte in den drei Jahrhunderten vor dem Anfange der Hiſtorie geben, aber immer nur ein Gerippe. Alles Fleiſch und Leben der Geſchichte muͤßten wir doch noch immer von andern Quellen entnehmen. Und zwar theils von den lyriſchen Dichtern, die damals gebluͤht, und die Zeit mehr als die Epiker mit in ihre Geſaͤnge auf- genommen, wie Eumelos, wie Thaletas, Tyrtaͤos, Alk- man, Terpandros 2, deren Leben ſich groͤßtentheils um Sparta drehte; und die beiden mittlern lehren in der That in ihren Bruchſtuͤcken noch am Meiſten von dem, was wir vorzuͤglich zu wiſſen wuͤnſchen; dann die muͤndliche Tradition, die zwar in Namen und Zahlen rechts und links irrend, doch immer etwas Weſentliches ausſagt: endlich die in ſpaͤtern Zeiten fortbeſtehenden, politiſchen, Inſtitute, die ihren Ur- ſprung in dieſer Periode genommen. Dieſe und keine andere Mittel konnten diejenigen benutzen, welche in dem Jahrhundert der erwachenden Geſchichte auch uͤber Lakonien ſchrieben, wie Hellani- kos, Charon und Herodot, und auf dieſelben mittelbar oder unmittelbar mußten auch die bauen, die in den Zeiten der Griechiſchen Gelehrſamkeit Lykurgos Zeiten behandelten. Aber wie wenig erkennt man doch 1 bei Tacit. Ann. 4, 44. 2 Eumelos nenne ich hier, als Lyriker im modernen Sinne, wegen ſeines ᾆσμα πϱοσόδιον fuͤr die Meſſeniſche Theorie nach Delos. Pauſ. 4, 4, 1.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/166>, abgerufen am 25.04.2024.