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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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Höhe des Felsens der Tempel des Gottes, einer der
ältesten der Niederlassung, angeblich Dädalischer Bau 1;
unten die Grotte der Sibylle; auch hier sollte Aeneas
gelandet sein (und Stesichoros ließ ihn vermuthlich nur
in diese Gegend gehen 2). Es war ja nichts natürli-
cher, als daß jene Orakel überall lokal angewandt,
und somit das neue Troja hier und dort gefunden wurde.
So geschah es denn nun auch, als die Griechischen
Sibyllinenorakel in Verbindung mit Apollocultus in
Rom Staatsorakel wurden, daß was darin für die
Gegenden am Hellespont und benachbarte geweissagt
war, ohne viel Umstände, obgleich nicht ohne Kunst-
griffe der Dollmetscher und Ausleger, auf Rom ge-
deutet wurde. Es ist deutlich, wie sich auf diese ein-
fache Weise der Ursprung der seltsamen Fabel von Ae-
neas, Romulus Vater, und was man weiter hinzu-
erfand, fast von selbst erklärt.

5.

Auch der älteste Tempel Apollons in Thrakien
gehört zu den Kretischen Anlagen, das Heiligthum zu
Ismaros oder Maroneia, dessen Priester bei Homer dem
Odysseus den trefflichen Wein schenkt 3; Maron aber ist
der Tradition zufolge ein Kretischer Ankömmling 4. Da-
mit hängt wohl der alte Orakeltempel Apollons zu De-
räa bei Abdera zusammen 5, auf den sich der Münz-
typus der Abderiten bezieht: Apollon mit dem Pfeil
auf der Hand auf einer, der Greif auf der andern
Seite, welchen wieder die Teier, da sie eine Zeitlang
in ihrer Colonie Abdera wohnten, daher angenommen
zu haben scheinen.


1 Heyne Exc. Aen. 6, 3. Der Fels heißt Zosteria klitus
(Lykophr. 1278.) wie das Vorgeb. in Attika mit dem Apollotempel.
2 S. tabula Iliaca MISENOS.
3 Od. 9, 197.
4 Diod.
5, 79. vgl. Raoul-Rochette 2. p. 160.
5 Pindar Päanen bei
Tzetz. Lyk. 445.

Hoͤhe des Felſens der Tempel des Gottes, einer der
aͤlteſten der Niederlaſſung, angeblich Daͤdaliſcher Bau 1;
unten die Grotte der Sibylle; auch hier ſollte Aeneas
gelandet ſein (und Steſichoros ließ ihn vermuthlich nur
in dieſe Gegend gehen 2). Es war ja nichts natuͤrli-
cher, als daß jene Orakel uͤberall lokal angewandt,
und ſomit das neue Troja hier und dort gefunden wurde.
So geſchah es denn nun auch, als die Griechiſchen
Sibyllinenorakel in Verbindung mit Apollocultus in
Rom Staatsorakel wurden, daß was darin fuͤr die
Gegenden am Helleſpont und benachbarte geweiſſagt
war, ohne viel Umſtaͤnde, obgleich nicht ohne Kunſt-
griffe der Dollmetſcher und Ausleger, auf Rom ge-
deutet wurde. Es iſt deutlich, wie ſich auf dieſe ein-
fache Weiſe der Urſprung der ſeltſamen Fabel von Ae-
neas, Romulus Vater, und was man weiter hinzu-
erfand, faſt von ſelbſt erklaͤrt.

5.

Auch der aͤlteſte Tempel Apollons in Thrakien
gehoͤrt zu den Kretiſchen Anlagen, das Heiligthum zu
Iſmaros oder Maroneia, deſſen Prieſter bei Homer dem
Odyſſeus den trefflichen Wein ſchenkt 3; Maron aber iſt
der Tradition zufolge ein Kretiſcher Ankoͤmmling 4. Da-
mit haͤngt wohl der alte Orakeltempel Apollons zu De-
raͤa bei Abdera zuſammen 5, auf den ſich der Muͤnz-
typus der Abderiten bezieht: Apollon mit dem Pfeil
auf der Hand auf einer, der Greif auf der andern
Seite, welchen wieder die Teier, da ſie eine Zeitlang
in ihrer Colonie Abdera wohnten, daher angenommen
zu haben ſcheinen.


1 Heyne Exc. Aen. 6, 3. Der Fels heißt Ζωστηϱία κλιτὺς
(Lykophr. 1278.) wie das Vorgeb. in Attika mit dem Apollotempel.
2 S. tabula Iliaca ΜΙΣΗΝΟΣ.
3 Od. 9, 197.
4 Diod.
5, 79. vgl. Raoul-Rochette 2. p. 160.
5 Pindar Paͤanen bei
Tzetz. Lyk. 445.
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[223/0253] Hoͤhe des Felſens der Tempel des Gottes, einer der aͤlteſten der Niederlaſſung, angeblich Daͤdaliſcher Bau 1; unten die Grotte der Sibylle; auch hier ſollte Aeneas gelandet ſein (und Steſichoros ließ ihn vermuthlich nur in dieſe Gegend gehen 2). Es war ja nichts natuͤrli- cher, als daß jene Orakel uͤberall lokal angewandt, und ſomit das neue Troja hier und dort gefunden wurde. So geſchah es denn nun auch, als die Griechiſchen Sibyllinenorakel in Verbindung mit Apollocultus in Rom Staatsorakel wurden, daß was darin fuͤr die Gegenden am Helleſpont und benachbarte geweiſſagt war, ohne viel Umſtaͤnde, obgleich nicht ohne Kunſt- griffe der Dollmetſcher und Ausleger, auf Rom ge- deutet wurde. Es iſt deutlich, wie ſich auf dieſe ein- fache Weiſe der Urſprung der ſeltſamen Fabel von Ae- neas, Romulus Vater, und was man weiter hinzu- erfand, faſt von ſelbſt erklaͤrt. 5. Auch der aͤlteſte Tempel Apollons in Thrakien gehoͤrt zu den Kretiſchen Anlagen, das Heiligthum zu Iſmaros oder Maroneia, deſſen Prieſter bei Homer dem Odyſſeus den trefflichen Wein ſchenkt 3; Maron aber iſt der Tradition zufolge ein Kretiſcher Ankoͤmmling 4. Da- mit haͤngt wohl der alte Orakeltempel Apollons zu De- raͤa bei Abdera zuſammen 5, auf den ſich der Muͤnz- typus der Abderiten bezieht: Apollon mit dem Pfeil auf der Hand auf einer, der Greif auf der andern Seite, welchen wieder die Teier, da ſie eine Zeitlang in ihrer Colonie Abdera wohnten, daher angenommen zu haben ſcheinen. 1 Heyne Exc. Aen. 6, 3. Der Fels heißt Ζωστηϱία κλιτὺς (Lykophr. 1278.) wie das Vorgeb. in Attika mit dem Apollotempel. 2 S. tabula Iliaca ΜΙΣΗΝΟΣ. 3 Od. 9, 197. 4 Diod. 5, 79. vgl. Raoul-Rochette 2. p. 160. 5 Pindar Paͤanen bei Tzetz. Lyk. 445.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/253>, abgerufen am 25.04.2024.