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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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den sei. Es gilt also auch für Megara, was bald bei
Athen nachgewiesen werden wird, daß diese Sendun-
gen einen heiligen Zehnten bedeuteten 1.

9.

Wir sind indeß den Attischen Mythen nahe ge-
kommen, und sehen uns bald genöthigt, die Entwicke-
lung des verworrenen Sagenconvoluts zu unternehmen,
welches vor allen hier die Götterdienste und so auch
den des Apollon umgiebt. Wir machen mit den My-
then den Anfang, die sich an das Heiligthum von
Thorikos anschließen.

Thorikos, an der Südostküste Attika's gelegen,
war unter den alten Zwölfstädten des Landes, und blieb
stets eine der ersten Ortschaften desselben. Noch jetzt
stehen in der Ringmauer Trümmer eines Apollontem-
pels von bedeutendem Alter 2. Die günstige Lage be-
wirkte frühzeitigen Seeverkehr, und Kretische Schiffer
pflegten in alter Zeit hier anzulegen 3. Es wohnte
aber hier, nach Erzählung alter Dichter 4, Kephalos,
Sohn Deions, ein Phthiotischer Achäer. Aber die Fa-
bel von ihm unb seiner Gattin Prokris spielt größten-
theils in Kreta bei Minos 5; die Verbindung mit
diesem Lande ist unter mancher dichterischen Erfindung
ohne Zweifel ein ächter Zug der Sage. Auf diesem
Wege kamen die Sacra Apollinaria herüber und Sym-

1 Von Megara hat Kalchedon (s. die Münzen) den Dienst
und das Orakel (Dionys. Byz. S. 23.); nahe dabei Demonesos,
ein Ap. von Demonesischem Erz b. Aristot. Mirab. 59. Jungerm. zu
Pollux. 5, 5, 39 Eben daher Byzanz, wo ein Apollotempel auf
dem Vorgeb. Metopon nach Dionysius de Bosp. Thracio.
2 Attika Encykl. von Ersch und Gruber S. 221. vgl. Erato-
sthenes en Erigone bei Steph. astu, wo wohl zu schr.: astu te
de Thorikou kalon ikanen edos.
3 Hom. Hymn. Homer an
Dem. 126.
4 welche Pherekydes wiedergiebt, Schol. Od. 11.
320. S. 122. St. Apollod. 2, 4, 7.
5 Heyne Obss. ad Apol-
lod.
S. 333.

den ſei. Es gilt alſo auch fuͤr Megara, was bald bei
Athen nachgewieſen werden wird, daß dieſe Sendun-
gen einen heiligen Zehnten bedeuteten 1.

9.

Wir ſind indeß den Attiſchen Mythen nahe ge-
kommen, und ſehen uns bald genoͤthigt, die Entwicke-
lung des verworrenen Sagenconvoluts zu unternehmen,
welches vor allen hier die Goͤtterdienſte und ſo auch
den des Apollon umgiebt. Wir machen mit den My-
then den Anfang, die ſich an das Heiligthum von
Thorikos anſchließen.

Thorikos, an der Suͤdoſtkuͤſte Attika’s gelegen,
war unter den alten Zwoͤlfſtaͤdten des Landes, und blieb
ſtets eine der erſten Ortſchaften deſſelben. Noch jetzt
ſtehen in der Ringmauer Truͤmmer eines Apollontem-
pels von bedeutendem Alter 2. Die guͤnſtige Lage be-
wirkte fruͤhzeitigen Seeverkehr, und Kretiſche Schiffer
pflegten in alter Zeit hier anzulegen 3. Es wohnte
aber hier, nach Erzaͤhlung alter Dichter 4, Kephalos,
Sohn Deions, ein Phthiotiſcher Achaͤer. Aber die Fa-
bel von ihm unb ſeiner Gattin Prokris ſpielt groͤßten-
theils in Kreta bei Minos 5; die Verbindung mit
dieſem Lande iſt unter mancher dichteriſchen Erfindung
ohne Zweifel ein aͤchter Zug der Sage. Auf dieſem
Wege kamen die Sacra Apollinaria heruͤber und Sym-

1 Von Megara hat Kalchedon (ſ. die Muͤnzen) den Dienſt
und das Orakel (Dionyſ. Byz. S. 23.); nahe dabei Demoneſos,
ein Ap. von Demoneſiſchem Erz b. Ariſtot. Mirab. 59. Jungerm. zu
Pollux. 5, 5, 39 Eben daher Byzanz, wo ein Apollotempel auf
dem Vorgeb. Metopon nach Dionyſius de Bosp. Thracio.
2 Attika Encykl. von Erſch und Gruber S. 221. vgl. Erato-
ſthenes ἐν Ἠϱιγόνῃ bei Steph. ἄστυ, wo wohl zu ſchr.: ἄστυ τε
δὴ Θοϱικοῦ καλὸν ἵκανεν ἕδος.
3 Hom. Hymn. Homer an
Dem. 126.
4 welche Pherekydes wiedergiebt, Schol. Od. 11.
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lod.
S. 333.
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[230/0260] den ſei. Es gilt alſo auch fuͤr Megara, was bald bei Athen nachgewieſen werden wird, daß dieſe Sendun- gen einen heiligen Zehnten bedeuteten 1. 9. Wir ſind indeß den Attiſchen Mythen nahe ge- kommen, und ſehen uns bald genoͤthigt, die Entwicke- lung des verworrenen Sagenconvoluts zu unternehmen, welches vor allen hier die Goͤtterdienſte und ſo auch den des Apollon umgiebt. Wir machen mit den My- then den Anfang, die ſich an das Heiligthum von Thorikos anſchließen. Thorikos, an der Suͤdoſtkuͤſte Attika’s gelegen, war unter den alten Zwoͤlfſtaͤdten des Landes, und blieb ſtets eine der erſten Ortſchaften deſſelben. Noch jetzt ſtehen in der Ringmauer Truͤmmer eines Apollontem- pels von bedeutendem Alter 2. Die guͤnſtige Lage be- wirkte fruͤhzeitigen Seeverkehr, und Kretiſche Schiffer pflegten in alter Zeit hier anzulegen 3. Es wohnte aber hier, nach Erzaͤhlung alter Dichter 4, Kephalos, Sohn Deions, ein Phthiotiſcher Achaͤer. Aber die Fa- bel von ihm unb ſeiner Gattin Prokris ſpielt groͤßten- theils in Kreta bei Minos 5; die Verbindung mit dieſem Lande iſt unter mancher dichteriſchen Erfindung ohne Zweifel ein aͤchter Zug der Sage. Auf dieſem Wege kamen die Sacra Apollinaria heruͤber und Sym- 1 Von Megara hat Kalchedon (ſ. die Muͤnzen) den Dienſt und das Orakel (Dionyſ. Byz. S. 23.); nahe dabei Demoneſos, ein Ap. von Demoneſiſchem Erz b. Ariſtot. Mirab. 59. Jungerm. zu Pollux. 5, 5, 39 Eben daher Byzanz, wo ein Apollotempel auf dem Vorgeb. Metopon nach Dionyſius de Bosp. Thracio. 2 Attika Encykl. von Erſch und Gruber S. 221. vgl. Erato- ſthenes ἐν Ἠϱιγόνῃ bei Steph. ἄστυ, wo wohl zu ſchr.: ἄστυ τε δὴ Θοϱικοῦ καλὸν ἵκανεν ἕδος. 3 Hom. Hymn. Homer an Dem. 126. 4 welche Pherekydes wiedergiebt, Schol. Od. 11. 320. S. 122. St. Apollod. 2, 4, 7. 5 Heyne Obss. ad Apol- lod. S. 333.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/260>, abgerufen am 18.04.2024.