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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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tet sein kann, nämlich Phäsana am Alpheios in Aepytis
oder Süd-Arkadien 1.

3.

Auf die Dorische Wanderung folgten bald andere
durch jene veranlaßte, welche auch den Apollodienst
weiter ausbreiteten: und zwar jetzt nicht mehr als ei-
nes Dorisch-kretischen Stammgottes, sondern im wei-
term Sinne als Hellenischer Nationalgottheit.
Dies bewirkte besonders das Ansehn Delphi's, welches
jene Wanderung ungemein gehoben haben muß. Es
tritt in der That seit dieser Zeit mit einer wahrhaft
imponirenden Kraft auf, wie kaum ein Institut nach
ihm. Der Gott schaltet mit den Völkern nach seinem
Willen, sendet sie in die Nähe und in die Ferne, nö-
thigt sie, ungeachtet ihres Widerstrebens, zu weiten
Zügen, weist ihnen mit bestimmten Worten ihre Wohn-
sitze an. Um diese wunderbare Erscheinung näher ken-
nen zu lernen, muß hier der für das ältere Völkerrecht
sehr wichtige Zustand der unmittelbaren Unterthanen
des Pythischen Tempels näher beleuchtet werden.

Als das Gebiet der Kretischen Kirrhäer durch den
Amphiktyonenkrieg dem Tempel zugefallen war, gehörte
ihm eine bedeutende Landschaft. Zwei Inschriften be-
lehren uns aus den Determinationen der Hieromnemo-
nes über die Marken derselben, die eine über die ge-
gen Antikirrha in Osten, die andere wie es scheint
gegen Amphissa in Westen 2: vielleicht daß man sie
einst bei genauer Lokalvergleichung im Ganzen wieder
ausmittelt. Nun scheint es freilich, daß früher, als
Kirrha stand, dem Tempel nichts davon gehört, und
er folglich so gut wie ohne Land gewesen sei. Allein

1 Ueber die Jamiden hat Böckh Explic. ad Pind. O. 6.
Alles aufs schönste zusammengestellt.
2 Beide zusammen bei
Dodwell 2. p. 510. n. 5. vgl. Bd. 1. S. 496.

tet ſein kann, naͤmlich Phaͤſana am Alpheios in Aepytis
oder Suͤd-Arkadien 1.

3.

Auf die Doriſche Wanderung folgten bald andere
durch jene veranlaßte, welche auch den Apollodienſt
weiter ausbreiteten: und zwar jetzt nicht mehr als ei-
nes Doriſch-kretiſchen Stammgottes, ſondern im wei-
term Sinne als Helleniſcher Nationalgottheit.
Dies bewirkte beſonders das Anſehn Delphi’s, welches
jene Wanderung ungemein gehoben haben muß. Es
tritt in der That ſeit dieſer Zeit mit einer wahrhaft
imponirenden Kraft auf, wie kaum ein Inſtitut nach
ihm. Der Gott ſchaltet mit den Voͤlkern nach ſeinem
Willen, ſendet ſie in die Naͤhe und in die Ferne, noͤ-
thigt ſie, ungeachtet ihres Widerſtrebens, zu weiten
Zuͤgen, weist ihnen mit beſtimmten Worten ihre Wohn-
ſitze an. Um dieſe wunderbare Erſcheinung naͤher ken-
nen zu lernen, muß hier der fuͤr das aͤltere Voͤlkerrecht
ſehr wichtige Zuſtand der unmittelbaren Unterthanen
des Pythiſchen Tempels naͤher beleuchtet werden.

Als das Gebiet der Kretiſchen Kirrhaͤer durch den
Amphiktyonenkrieg dem Tempel zugefallen war, gehoͤrte
ihm eine bedeutende Landſchaft. Zwei Inſchriften be-
lehren uns aus den Determinationen der Hieromnemo-
nes uͤber die Marken derſelben, die eine uͤber die ge-
gen Antikirrha in Oſten, die andere wie es ſcheint
gegen Amphiſſa in Weſten 2: vielleicht daß man ſie
einſt bei genauer Lokalvergleichung im Ganzen wieder
ausmittelt. Nun ſcheint es freilich, daß fruͤher, als
Kirrha ſtand, dem Tempel nichts davon gehoͤrt, und
er folglich ſo gut wie ohne Land geweſen ſei. Allein

1 Ueber die Jamiden hat Boͤckh Explic. ad Pind. O. 6.
Alles aufs ſchoͤnſte zuſammengeſtellt.
2 Beide zuſammen bei
Dodwell 2. p. 510. n. 5. vgl. Bd. 1. S. 496.
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[254/0284] tet ſein kann, naͤmlich Phaͤſana am Alpheios in Aepytis oder Suͤd-Arkadien 1. 3. Auf die Doriſche Wanderung folgten bald andere durch jene veranlaßte, welche auch den Apollodienſt weiter ausbreiteten: und zwar jetzt nicht mehr als ei- nes Doriſch-kretiſchen Stammgottes, ſondern im wei- term Sinne als Helleniſcher Nationalgottheit. Dies bewirkte beſonders das Anſehn Delphi’s, welches jene Wanderung ungemein gehoben haben muß. Es tritt in der That ſeit dieſer Zeit mit einer wahrhaft imponirenden Kraft auf, wie kaum ein Inſtitut nach ihm. Der Gott ſchaltet mit den Voͤlkern nach ſeinem Willen, ſendet ſie in die Naͤhe und in die Ferne, noͤ- thigt ſie, ungeachtet ihres Widerſtrebens, zu weiten Zuͤgen, weist ihnen mit beſtimmten Worten ihre Wohn- ſitze an. Um dieſe wunderbare Erſcheinung naͤher ken- nen zu lernen, muß hier der fuͤr das aͤltere Voͤlkerrecht ſehr wichtige Zuſtand der unmittelbaren Unterthanen des Pythiſchen Tempels naͤher beleuchtet werden. Als das Gebiet der Kretiſchen Kirrhaͤer durch den Amphiktyonenkrieg dem Tempel zugefallen war, gehoͤrte ihm eine bedeutende Landſchaft. Zwei Inſchriften be- lehren uns aus den Determinationen der Hieromnemo- nes uͤber die Marken derſelben, die eine uͤber die ge- gen Antikirrha in Oſten, die andere wie es ſcheint gegen Amphiſſa in Weſten 2: vielleicht daß man ſie einſt bei genauer Lokalvergleichung im Ganzen wieder ausmittelt. Nun ſcheint es freilich, daß fruͤher, als Kirrha ſtand, dem Tempel nichts davon gehoͤrt, und er folglich ſo gut wie ohne Land geweſen ſei. Allein 1 Ueber die Jamiden hat Boͤckh Explic. ad Pind. O. 6. Alles aufs ſchoͤnſte zuſammengeſtellt. 2 Beide zuſammen bei Dodwell 2. p. 510. n. 5. vgl. Bd. 1. S. 496.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/284>, abgerufen am 29.03.2024.