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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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3.

In Delos finden wir mit lokalen Veränderun-
gen denselben Grundzug der Sage 1. Hieher sollte
erstens Leto von den Hyperboreern als Wölfin gekom-
men sein, nachdem sie, von der Hera verfolgt, den
Weg in 12 Tagen und Nächten vollendet hatte 2.
Dann kamen die Jungfrauen Arge und Opis mit den
göttlichen Geschwistern selbst; sie hatten zu Delos ein
hohes Grab aus Opferasche; ihre Erscheinung feierte
ein alter -- Olenischer -- Hymnus 3. Darauf sandten
die Hyperboreer zwei andere Jungfrauen, Hyperoche
und Laodike, (dieselben Namen hatten wir schon oben)
und mit ihnen fünf Münner, welche Perpherees, auch
Amallophoroi, Ulophoroi 4, heißen, weil sie in Wai-
zenstroh gewickelte Heiligthümer brachten, die im We-
sentlichen nichts anders bedeuten, als das khusoun the-
ros der Delpher. Die Perpherees hatten in Delos
große Ehren, und auf die Gräber der gestorbenen
Jungfrauen legten die Delischen Mädchen vor der Hei-
rath eine Spindel, die Jünglinge einen jungen Zweig,
beide mit Haarlocken umflochten. Was aber die Hy-
perboreerinnen brachten, war eigentlich ein Tribut zur
Lösung eines Gelübdes für die Geburt der Götter an
Eleithyia. Diese Sendungen dauerten nun nach Deli-
scher Sage fort. Die Hyperboreer übergäben sie den

1 Oenomaos bei Euseb. Praep. Ev. p. 133. Steph. eitirt
aus einem angeblichen Orakel einer Weissagerin Asteria, daß von
den Hyperboreern die Bewohner und Priester von Delos gekommen
seien.
2 Arist. Hist. An. 6, 35. (29. S. 312. Schn.) Antig.
Karyst. 61. S. 111. Veckm. Schol. Apoll. 2, 124.
3 Herod.
4, 35. Opis und Hekaergos nach Ps. Platon Axioch. 371 a. Serv.
Aen. 11, 858. -- Daß die theke dieser Jungfrauen pros eo te-
trammene war, zeigt daß sie aus Kretischer Zeit ist, da die Dorier
ihre Todten gegen O., die Jonier gegen W. legten.
4 S.
Porphyr. de abstin. 2, 19. vgl. Rhoer zur Stelle und Spanh.
Kallim. Del. 283.
3.

In Delos finden wir mit lokalen Veraͤnderun-
gen denſelben Grundzug der Sage 1. Hieher ſollte
erſtens Leto von den Hyperboreern als Woͤlfin gekom-
men ſein, nachdem ſie, von der Hera verfolgt, den
Weg in 12 Tagen und Naͤchten vollendet hatte 2.
Dann kamen die Jungfrauen Arge und Opis mit den
goͤttlichen Geſchwiſtern ſelbſt; ſie hatten zu Delos ein
hohes Grab aus Opferaſche; ihre Erſcheinung feierte
ein alter — Oleniſcher — Hymnus 3. Darauf ſandten
die Hyperboreer zwei andere Jungfrauen, Hyperoche
und Laodike, (dieſelben Namen hatten wir ſchon oben)
und mit ihnen fuͤnf Muͤnner, welche Perpherees, auch
Amallophoroi, Ulophoroi 4, heißen, weil ſie in Wai-
zenſtroh gewickelte Heiligthuͤmer brachten, die im We-
ſentlichen nichts anders bedeuten, als das χυσοῦν ϑέ-
ρος der Delpher. Die Perpherees hatten in Delos
große Ehren, und auf die Graͤber der geſtorbenen
Jungfrauen legten die Deliſchen Maͤdchen vor der Hei-
rath eine Spindel, die Juͤnglinge einen jungen Zweig,
beide mit Haarlocken umflochten. Was aber die Hy-
perboreerinnen brachten, war eigentlich ein Tribut zur
Loͤſung eines Geluͤbdes fuͤr die Geburt der Goͤtter an
Eleithyia. Dieſe Sendungen dauerten nun nach Deli-
ſcher Sage fort. Die Hyperboreer uͤbergaͤben ſie den

1 Oenomaos bei Euſeb. Praep. Ev. p. 133. Steph. eitirt
aus einem angeblichen Orakel einer Weiſſagerin Aſteria, daß von
den Hyperboreern die Bewohner und Prieſter von Delos gekommen
ſeien.
2 Ariſt. Hist. An. 6, 35. (29. S. 312. Schn.) Antig.
Karyſt. 61. S. 111. Veckm. Schol. Apoll. 2, 124.
3 Herod.
4, 35. Opis und Hekaergos nach Pſ. Platon Axioch. 371 a. Serv.
Aen. 11, 858. — Daß die ϑήκη dieſer Jungfrauen πϱὸς ἠῶ τε-
τϱαμμένη war, zeigt daß ſie aus Kretiſcher Zeit iſt, da die Dorier
ihre Todten gegen O., die Jonier gegen W. legten.
4 S.
Porphyr. de abstin. 2, 19. vgl. Rhoer zur Stelle und Spanh.
Kallim. Del. 283.
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[271/0301] 3. In Delos finden wir mit lokalen Veraͤnderun- gen denſelben Grundzug der Sage 1. Hieher ſollte erſtens Leto von den Hyperboreern als Woͤlfin gekom- men ſein, nachdem ſie, von der Hera verfolgt, den Weg in 12 Tagen und Naͤchten vollendet hatte 2. Dann kamen die Jungfrauen Arge und Opis mit den goͤttlichen Geſchwiſtern ſelbſt; ſie hatten zu Delos ein hohes Grab aus Opferaſche; ihre Erſcheinung feierte ein alter — Oleniſcher — Hymnus 3. Darauf ſandten die Hyperboreer zwei andere Jungfrauen, Hyperoche und Laodike, (dieſelben Namen hatten wir ſchon oben) und mit ihnen fuͤnf Muͤnner, welche Perpherees, auch Amallophoroi, Ulophoroi 4, heißen, weil ſie in Wai- zenſtroh gewickelte Heiligthuͤmer brachten, die im We- ſentlichen nichts anders bedeuten, als das χυσοῦν ϑέ- ρος der Delpher. Die Perpherees hatten in Delos große Ehren, und auf die Graͤber der geſtorbenen Jungfrauen legten die Deliſchen Maͤdchen vor der Hei- rath eine Spindel, die Juͤnglinge einen jungen Zweig, beide mit Haarlocken umflochten. Was aber die Hy- perboreerinnen brachten, war eigentlich ein Tribut zur Loͤſung eines Geluͤbdes fuͤr die Geburt der Goͤtter an Eleithyia. Dieſe Sendungen dauerten nun nach Deli- ſcher Sage fort. Die Hyperboreer uͤbergaͤben ſie den 1 Oenomaos bei Euſeb. Praep. Ev. p. 133. Steph. eitirt aus einem angeblichen Orakel einer Weiſſagerin Aſteria, daß von den Hyperboreern die Bewohner und Prieſter von Delos gekommen ſeien. 2 Ariſt. Hist. An. 6, 35. (29. S. 312. Schn.) Antig. Karyſt. 61. S. 111. Veckm. Schol. Apoll. 2, 124. 3 Herod. 4, 35. Opis und Hekaergos nach Pſ. Platon Axioch. 371 a. Serv. Aen. 11, 858. — Daß die ϑήκη dieſer Jungfrauen πϱὸς ἠῶ τε- τϱαμμένη war, zeigt daß ſie aus Kretiſcher Zeit iſt, da die Dorier ihre Todten gegen O., die Jonier gegen W. legten. 4 S. Porphyr. de abstin. 2, 19. vgl. Rhoer zur Stelle und Spanh. Kallim. Del. 283.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/301>, abgerufen am 24.04.2024.