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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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idee, die abwehrende und dadurch heilbringende Kraft
des Gottes, als weit älter vorausgesetzt werden. In
allen diesen Namen wird er nicht sowohl als Geber
eines positiven Guts, sondern als Schützer und Ab-
wehrer gefaßt, und in dieser Beziehung auch nach dem
Orakel um Gesundheit und gutes Glück angefleht 1.
An diese Reihe schließt sich der Dienst des Apollon
Ulios und der Artemis Ulia, denen Theseus von
Kreta kommend opferte, und die sonst in Delos und
Milet verehrt wurden 2. Ohne Zweifel heißen sie so
als Heilgötter, vom dem alten Stammworte, das im
Gruße "oule" übrig geblieben 3. Doch lag auch merk-
würdiger Weise der entgegengesetzte Sinn "die Ver-
derblichen" sehr nah, und daß man diesen Doppelsinn
nicht vermied, scheint mir ein Beweis, daß man ihn
wollte und suchte
.

4.

Ob es sich nicht vielleicht gerade eben so mit
Paean (Homer. Paieon) verhält? Denn einerseits
bezeichnet dieser Name offenbar einen Heilgott, und
wenn diesen Homer auch als eine besondere, freilich
ziemlich charakterlose, Person, als den Arzt in der
Olympischen Haushaltung, behandelt 4: so ging diese
Absonderung wahrscheinlich blos von den Dichtern,

zu Lindos, Macrob. Sat. 1, 17. Medicus zu Rom seit 416 a. C.
Iatros Tz. Lyk. 1206. S. über dies Thema besonders Millin
Mon. ined. T. 2. p. 90. auch Sprengel Sesch. der Medicin 1, 164.
1 Demosth. a. O.
2 Pherekydes und Leandrios von
Milet bei Macr. 1, 17. vgl. Spanh. zu Call. Apoll. 40. 46. Str.
14, 635,
3 Buttmann Lexilog. S. 190.
4 S. Il. 5,
401. 899. mit Schol. Villois. vgl. Od. 4, 232. Aristarch hielt
Ap. und Päon auch bei Homer für identisch, doch unterscheidet noch
Hesiod in dem Frgm. bei Eust. Od. 4, 282. p. 1493. Schol. min.
ad l. l.
vgl. Hemsterh. bei Gaisf. Poetae Gr. min. p. 551., und
vielleicht noch Solon bei Brunk Anal. 1. p. 67. -- Päon wuchs so
mit Asklepios zusammen, vgl. die Sage Bd. 1. S. 201. N. 3.

idee, die abwehrende und dadurch heilbringende Kraft
des Gottes, als weit aͤlter vorausgeſetzt werden. In
allen dieſen Namen wird er nicht ſowohl als Geber
eines poſitiven Guts, ſondern als Schuͤtzer und Ab-
wehrer gefaßt, und in dieſer Beziehung auch nach dem
Orakel um Geſundheit und gutes Gluͤck angefleht 1.
An dieſe Reihe ſchließt ſich der Dienſt des Apollon
Ulios und der Artemis Ulia, denen Theſeus von
Kreta kommend opferte, und die ſonſt in Delos und
Milet verehrt wurden 2. Ohne Zweifel heißen ſie ſo
als Heilgoͤtter, vom dem alten Stammworte, das im
Gruße “οὖλε” uͤbrig geblieben 3. Doch lag auch merk-
wuͤrdiger Weiſe der entgegengeſetzte Sinn “die Ver-
derblichen” ſehr nah, und daß man dieſen Doppelſinn
nicht vermied, ſcheint mir ein Beweis, daß man ihn
wollte und ſuchte
.

4.

Ob es ſich nicht vielleicht gerade eben ſo mit
Paean (Homer. Παιήων) verhaͤlt? Denn einerſeits
bezeichnet dieſer Name offenbar einen Heilgott, und
wenn dieſen Homer auch als eine beſondere, freilich
ziemlich charakterloſe, Perſon, als den Arzt in der
Olympiſchen Haushaltung, behandelt 4: ſo ging dieſe
Abſonderung wahrſcheinlich blos von den Dichtern,

zu Lindos, Macrob. Sat. 1, 17. Medicus zu Rom ſeit 416 a. C.
̓Ιατϱὸς Tz. Lyk. 1206. S. uͤber dies Thema beſonders Millin
Mon. ined. T. 2. p. 90. auch Sprengel Seſch. der Medicin 1, 164.
1 Demoſth. a. O.
2 Pherekydes und Leandrios von
Milet bei Macr. 1, 17. vgl. Spanh. zu Call. Apoll. 40. 46. Str.
14, 635,
3 Buttmann Lexilog. S. 190.
4 S. Il. 5,
401. 899. mit Schol. Villoiſ. vgl. Od. 4, 232. Ariſtarch hielt
Ap. und Paͤon auch bei Homer fuͤr identiſch, doch unterſcheidet noch
Heſiod in dem Frgm. bei Euſt. Od. 4, 282. p. 1493. Schol. min.
ad l. l.
vgl. Hemſterh. bei Gaisf. Poëtae Gr. min. p. 551., und
vielleicht noch Solon bei Brunk Anal. 1. p. 67. — Paͤon wuchs ſo
mit Asklepios zuſammen, vgl. die Sage Bd. 1. S. 201. N. 3.
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[297/0327] idee, die abwehrende und dadurch heilbringende Kraft des Gottes, als weit aͤlter vorausgeſetzt werden. In allen dieſen Namen wird er nicht ſowohl als Geber eines poſitiven Guts, ſondern als Schuͤtzer und Ab- wehrer gefaßt, und in dieſer Beziehung auch nach dem Orakel um Geſundheit und gutes Gluͤck angefleht 1. An dieſe Reihe ſchließt ſich der Dienſt des Apollon Ulios und der Artemis Ulia, denen Theſeus von Kreta kommend opferte, und die ſonſt in Delos und Milet verehrt wurden 2. Ohne Zweifel heißen ſie ſo als Heilgoͤtter, vom dem alten Stammworte, das im Gruße “οὖλε” uͤbrig geblieben 3. Doch lag auch merk- wuͤrdiger Weiſe der entgegengeſetzte Sinn “die Ver- derblichen” ſehr nah, und daß man dieſen Doppelſinn nicht vermied, ſcheint mir ein Beweis, daß man ihn wollte und ſuchte. 4. Ob es ſich nicht vielleicht gerade eben ſo mit Paean (Homer. Παιήων) verhaͤlt? Denn einerſeits bezeichnet dieſer Name offenbar einen Heilgott, und wenn dieſen Homer auch als eine beſondere, freilich ziemlich charakterloſe, Perſon, als den Arzt in der Olympiſchen Haushaltung, behandelt 4: ſo ging dieſe Abſonderung wahrſcheinlich blos von den Dichtern, 8 1 Demoſth. a. O. 2 Pherekydes und Leandrios von Milet bei Macr. 1, 17. vgl. Spanh. zu Call. Apoll. 40. 46. Str. 14, 635, 3 Buttmann Lexilog. S. 190. 4 S. Il. 5, 401. 899. mit Schol. Villoiſ. vgl. Od. 4, 232. Ariſtarch hielt Ap. und Paͤon auch bei Homer fuͤr identiſch, doch unterſcheidet noch Heſiod in dem Frgm. bei Euſt. Od. 4, 282. p. 1493. Schol. min. ad l. l. vgl. Hemſterh. bei Gaisf. Poëtae Gr. min. p. 551., und vielleicht noch Solon bei Brunk Anal. 1. p. 67. — Paͤon wuchs ſo mit Asklepios zuſammen, vgl. die Sage Bd. 1. S. 201. N. 3. 8 zu Lindos, Macrob. Sat. 1, 17. Medicus zu Rom ſeit 416 a. C. ̓Ιατϱὸς Tz. Lyk. 1206. S. uͤber dies Thema beſonders Millin Mon. ined. T. 2. p. 90. auch Sprengel Seſch. der Medicin 1, 164.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/327>, abgerufen am 18.04.2024.