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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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denn Lykeios in diesem Sinne sehr natürlich an Aegle-
tes, Phöbos und Xanthos an 1. Was nun den Wolf
betrifft, so ist nicht glaublich, daß er seine Stelle als
Symbol des Apollon blos einer zufälligen Namens-
gleichheit zu verdanken hat, und etwa als ein Beispiel
der sogenannten Paronomasie in der Griechischen Sym-
bolik zu betrachten ist; sondern es muß der lebhaft
auffassende und combinirende Sinn des alten Volkes
wirklich irgend eine Beziehung und Analogie zwischen
Wolf und Licht gefunden haben. Später suchte man
das Symbol dadurch zu erklären, daß alle Wölfe in
12 Tagen des Jahrs gebären, so viele Leto als Wölfin
von den Hyperboreern nach Delos gewandert 2; --
sicherlich brachte aber erst der Mythus dies physische
Dogma hervor, nicht umgekehrt. Eher kann das
scharfe Gesicht des Wolfs zur Erklärung dienen, wenn
die Alten davon Wahres erzählen 3, oder die helle
Farbe 4. --

9.

Für die Verbindung aber von Licht und Wolf
bietet sich im altgriechischen Cultus noch ein anderes,
höchst merkwürdiges Beispiel. Auf der hohen Koppe
des Arkadischen Lykäon, über der alten Lykosura, stand
der "hochaufsteigende, herrschende Altar (wie Pindar
sagt) des Zeus Lykäos", an den sich alle Sagen

1 Vielleicht gehört Ap. enauros hieher bei Hesych s. v. vgl.
die Erkl. Auch, daß mehrere Tempel des Ap. auf Vorgeb. Leukä,
Leukatas
liegen.
2 S. Aristot. H. A. 6, 29. Anders Aelian H.
A.
4, 4. Apostol. 12, 18. vgl. oben S. 271, 2.
3 Apostol. 12,
21.
4 Vgl. noch unter den Neuern Payne Knight Symbo-
lic. lang.
§. 124. Gail Philologue T. 1. p. 300. (vgl. Boissonade
in Millins Magazin encyclop. T. 118. p. 346.), wo Loxias mit
Lukeios in Verbindung gebracht ist. Ich glaube, daß Loxias zu-
erst die schräge Stellung des Bogenschützen, der stets loxa omma-
ta hat, bezeichnet.
II. 20

denn Lykeios in dieſem Sinne ſehr natuͤrlich an Aegle-
tes, Phoͤbos und Xanthos an 1. Was nun den Wolf
betrifft, ſo iſt nicht glaublich, daß er ſeine Stelle als
Symbol des Apollon blos einer zufaͤlligen Namens-
gleichheit zu verdanken hat, und etwa als ein Beiſpiel
der ſogenannten Paronomaſie in der Griechiſchen Sym-
bolik zu betrachten iſt; ſondern es muß der lebhaft
auffaſſende und combinirende Sinn des alten Volkes
wirklich irgend eine Beziehung und Analogie zwiſchen
Wolf und Licht gefunden haben. Spaͤter ſuchte man
das Symbol dadurch zu erklaͤren, daß alle Woͤlfe in
12 Tagen des Jahrs gebaͤren, ſo viele Leto als Woͤlfin
von den Hyperboreern nach Delos gewandert 2; —
ſicherlich brachte aber erſt der Mythus dies phyſiſche
Dogma hervor, nicht umgekehrt. Eher kann das
ſcharfe Geſicht des Wolfs zur Erklaͤrung dienen, wenn
die Alten davon Wahres erzaͤhlen 3, oder die helle
Farbe 4. —

9.

Fuͤr die Verbindung aber von Licht und Wolf
bietet ſich im altgriechiſchen Cultus noch ein anderes,
hoͤchſt merkwuͤrdiges Beiſpiel. Auf der hohen Koppe
des Arkadiſchen Lykaͤon, uͤber der alten Lykoſura, ſtand
der “hochaufſteigende, herrſchende Altar (wie Pindar
ſagt) des Zeus Lykaͤos”, an den ſich alle Sagen

1 Vielleicht gehoͤrt Ap. ἔναυϱος hieher bei Heſych s. v. vgl.
die Erkl. Auch, daß mehrere Tempel des Ap. auf Vorgeb. Leukaͤ,
Leukatas
liegen.
2 S. Ariſtot. H. A. 6, 29. Anders Aelian H.
A.
4, 4. Apoſtol. 12, 18. vgl. oben S. 271, 2.
3 Apoſtol. 12,
21.
4 Vgl. noch unter den Neuern Payne Knight Symbo-
lic. lang.
§. 124. Gail Philologue T. 1. p. 300. (vgl. Boiſſonade
in Millins Magazin encyclop. T. 118. p. 346.), wo Λοξίας mit
Λυκεῖος in Verbindung gebracht iſt. Ich glaube, daß Λοξίας zu-
erſt die ſchraͤge Stellung des Bogenſchuͤtzen, der ſtets λοξὰ ὄμμα-
τα hat, bezeichnet.
II. 20
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[305/0335] denn Lykeios in dieſem Sinne ſehr natuͤrlich an Aegle- tes, Phoͤbos und Xanthos an 1. Was nun den Wolf betrifft, ſo iſt nicht glaublich, daß er ſeine Stelle als Symbol des Apollon blos einer zufaͤlligen Namens- gleichheit zu verdanken hat, und etwa als ein Beiſpiel der ſogenannten Paronomaſie in der Griechiſchen Sym- bolik zu betrachten iſt; ſondern es muß der lebhaft auffaſſende und combinirende Sinn des alten Volkes wirklich irgend eine Beziehung und Analogie zwiſchen Wolf und Licht gefunden haben. Spaͤter ſuchte man das Symbol dadurch zu erklaͤren, daß alle Woͤlfe in 12 Tagen des Jahrs gebaͤren, ſo viele Leto als Woͤlfin von den Hyperboreern nach Delos gewandert 2; — ſicherlich brachte aber erſt der Mythus dies phyſiſche Dogma hervor, nicht umgekehrt. Eher kann das ſcharfe Geſicht des Wolfs zur Erklaͤrung dienen, wenn die Alten davon Wahres erzaͤhlen 3, oder die helle Farbe 4. — 9. Fuͤr die Verbindung aber von Licht und Wolf bietet ſich im altgriechiſchen Cultus noch ein anderes, hoͤchſt merkwuͤrdiges Beiſpiel. Auf der hohen Koppe des Arkadiſchen Lykaͤon, uͤber der alten Lykoſura, ſtand der “hochaufſteigende, herrſchende Altar (wie Pindar ſagt) des Zeus Lykaͤos”, an den ſich alle Sagen 1 Vielleicht gehoͤrt Ap. ἔναυϱος hieher bei Heſych s. v. vgl. die Erkl. Auch, daß mehrere Tempel des Ap. auf Vorgeb. Leukaͤ, Leukatas liegen. 2 S. Ariſtot. H. A. 6, 29. Anders Aelian H. A. 4, 4. Apoſtol. 12, 18. vgl. oben S. 271, 2. 3 Apoſtol. 12, 21. 4 Vgl. noch unter den Neuern Payne Knight Symbo- lic. lang. §. 124. Gail Philologue T. 1. p. 300. (vgl. Boiſſonade in Millins Magazin encyclop. T. 118. p. 346.), wo Λοξίας mit Λυκεῖος in Verbindung gebracht iſt. Ich glaube, daß Λοξίας zu- erſt die ſchraͤge Stellung des Bogenſchuͤtzen, der ſtets λοξὰ ὄμμα- τα hat, bezeichnet. II. 20

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/335>, abgerufen am 16.04.2024.