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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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von Lykaon knüpfen, der dem Gotte sein Kind opfern
will, und darüber zum Wolfe wird. Also auch hier
dies Wolfssymbol 1. Aber eben so wenig fehlt der Be-
zug auf Licht. Ebenda war ein Abaton des Gottes,
das als unzugänglich gedacht wurde; wer hineintrete,
werfe keinen Schatten, war einheimische Volkssage;
dann flieht er, um nicht geopfert zu werden, als Ela-
phos oder Hirsch, wobei der verfolgende Gott natürlich
als Wolf der Phantasie vorschwebte 2. Man sieht, daß
man dem Abaton das Licht inwohnend glaubte. So
finden wir hier in diesem urältesten Cultus der Arka-
dischen Parrhasier, der übrigens mit dem Dorischen
des Apollon wenig Gemeinsames hat, doch ganz die-
selbe Combination von Idee und Symbol wie in die-
sem, und müssen diese als ein Fragment einer uralten
den Griechen eigenthümlichen und gemeinsamen Sym-
bolik betrachten.

10.

Bis zu diesem Punkte gelangt wollen wir ver-
suchen, das bereits Dargelegte im Begriffe zu vereini-
gen und zusammenzufassen. Von der ganz persönlichen
Darstellung Apollons bei Homer ausgehend, fanden
wir ihn als ein verderbendes, rächendes und zugleich
als ein rettendes, schützendes Wesen. Daß beide in
verschiedenen Richtungen wirkende Thätigkeiten in der
Natur und dem Wesen der Gottheit ihr Princip und
ihre Einheit haben müssen, liegt am Tage. Aber wie
jene Thätigkeiten stets einen Gegensatz voraussetzen,

1 Vgl. Paus. 6, 8, 2. Lykaon heißt auch der Vater des
Pandaros im Idäischen Lykien.
2 S. Theopomp. bei Polyb.
16, 12, 7. Plut. Qu. Gr. 39. S. 398. H. Paus. 8, 38, 5
Ueber das Abaton vergl. Amphis bei Hygin Poet. Astr. 2, 1. p.
35. vgl. 4. p. 362 M. Auf Sonnendienst deuten die beiden Säu-
len nach Aufgang bei Paus. Den Lykäischen Zeus nennt Achäos in
den Azanen (Schol. Eurip. Or. 383.) asteropos.

von Lykaon knuͤpfen, der dem Gotte ſein Kind opfern
will, und daruͤber zum Wolfe wird. Alſo auch hier
dies Wolfsſymbol 1. Aber eben ſo wenig fehlt der Be-
zug auf Licht. Ebenda war ein Abaton des Gottes,
das als unzugaͤnglich gedacht wurde; wer hineintrete,
werfe keinen Schatten, war einheimiſche Volksſage;
dann flieht er, um nicht geopfert zu werden, als Ἔλα-
φος oder Hirſch, wobei der verfolgende Gott natuͤrlich
als Wolf der Phantaſie vorſchwebte 2. Man ſieht, daß
man dem Abaton das Licht inwohnend glaubte. So
finden wir hier in dieſem uraͤlteſten Cultus der Arka-
diſchen Parrhaſier, der uͤbrigens mit dem Doriſchen
des Apollon wenig Gemeinſames hat, doch ganz die-
ſelbe Combination von Idee und Symbol wie in die-
ſem, und muͤſſen dieſe als ein Fragment einer uralten
den Griechen eigenthuͤmlichen und gemeinſamen Sym-
bolik betrachten.

10.

Bis zu dieſem Punkte gelangt wollen wir ver-
ſuchen, das bereits Dargelegte im Begriffe zu vereini-
gen und zuſammenzufaſſen. Von der ganz perſoͤnlichen
Darſtellung Apollons bei Homer ausgehend, fanden
wir ihn als ein verderbendes, raͤchendes und zugleich
als ein rettendes, ſchuͤtzendes Weſen. Daß beide in
verſchiedenen Richtungen wirkende Thaͤtigkeiten in der
Natur und dem Weſen der Gottheit ihr Princip und
ihre Einheit haben muͤſſen, liegt am Tage. Aber wie
jene Thaͤtigkeiten ſtets einen Gegenſatz vorausſetzen,

1 Vgl. Pauſ. 6, 8, 2. Lykaon heißt auch der Vater des
Pandaros im Idaͤiſchen Lykien.
2 S. Theopomp. bei Polyb.
16, 12, 7. Plut. Qu. Gr. 39. S. 398. H. Pauſ. 8, 38, 5
Ueber das Abaton vergl. Amphis bei Hygin Poet. Astr. 2, 1. p.
35. vgl. 4. p. 362 M. Auf Sonnendienſt deuten die beiden Saͤu-
len nach Aufgang bei Pauſ. Den Lykaͤiſchen Zeus nennt Achaͤos in
den Azanen (Schol. Eurip. Or. 383.) ἀστεϱωπός.
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[306/0336] von Lykaon knuͤpfen, der dem Gotte ſein Kind opfern will, und daruͤber zum Wolfe wird. Alſo auch hier dies Wolfsſymbol 1. Aber eben ſo wenig fehlt der Be- zug auf Licht. Ebenda war ein Abaton des Gottes, das als unzugaͤnglich gedacht wurde; wer hineintrete, werfe keinen Schatten, war einheimiſche Volksſage; dann flieht er, um nicht geopfert zu werden, als Ἔλα- φος oder Hirſch, wobei der verfolgende Gott natuͤrlich als Wolf der Phantaſie vorſchwebte 2. Man ſieht, daß man dem Abaton das Licht inwohnend glaubte. So finden wir hier in dieſem uraͤlteſten Cultus der Arka- diſchen Parrhaſier, der uͤbrigens mit dem Doriſchen des Apollon wenig Gemeinſames hat, doch ganz die- ſelbe Combination von Idee und Symbol wie in die- ſem, und muͤſſen dieſe als ein Fragment einer uralten den Griechen eigenthuͤmlichen und gemeinſamen Sym- bolik betrachten. 10. Bis zu dieſem Punkte gelangt wollen wir ver- ſuchen, das bereits Dargelegte im Begriffe zu vereini- gen und zuſammenzufaſſen. Von der ganz perſoͤnlichen Darſtellung Apollons bei Homer ausgehend, fanden wir ihn als ein verderbendes, raͤchendes und zugleich als ein rettendes, ſchuͤtzendes Weſen. Daß beide in verſchiedenen Richtungen wirkende Thaͤtigkeiten in der Natur und dem Weſen der Gottheit ihr Princip und ihre Einheit haben muͤſſen, liegt am Tage. Aber wie jene Thaͤtigkeiten ſtets einen Gegenſatz vorausſetzen, 1 Vgl. Pauſ. 6, 8, 2. Lykaon heißt auch der Vater des Pandaros im Idaͤiſchen Lykien. 2 S. Theopomp. bei Polyb. 16, 12, 7. Plut. Qu. Gr. 39. S. 398. H. Pauſ. 8, 38, 5 Ueber das Abaton vergl. Amphis bei Hygin Poet. Astr. 2, 1. p. 35. vgl. 4. p. 362 M. Auf Sonnendienſt deuten die beiden Saͤu- len nach Aufgang bei Pauſ. Den Lykaͤiſchen Zeus nennt Achaͤos in den Azanen (Schol. Eurip. Or. 383.) ἀστεϱωπός.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/336>, abgerufen am 25.04.2024.