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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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7 Munychion -- 7 Boedromion.
7 Thargelion -- 7 Pyanepsion.
6.

Wir wenden uns von diesen allgemeinen Sühn-
festen zu den Sühnungen, welche der Apollinische Cul-
tus jedem Blutbefleckten besonders bot 1. Wir be-
merkten schon oben solche Anstalten mit den Heiligthü-
mern Tänaron, Trözen, der Branchiden verbunden; und
eine gleiche war auch zu Deiphi, von der uns beson-
ders der Mythus des Orestes Nachricht giebt, wie
ihn Aeschylos behandelt, wo Apoll als Leiter der Blut-
rache und als Sühner derselben zugleich erscheint. Der
Muttermörder nimmt unmittelbar nach der That einen
Oelzweig mit Wollenbinden (iketeria) 2, und flieht
wie ein gescheuchtes Wild 3 nach Delphi, wo der Gott
selbst seine mit Blut befleckten Hände durch Schweine-
opfer und Ablutionen reinigt 4, und dadurch die Erin-
nyen von ihm entfernt; zu deren Abwehr er ihm auch,

1 Ein Vers aus einem Epiker bei Plut. reip. ger. 19. p.
178. `'Ekomen oi kteinantes, apotrepe loigon, "Apollon.
2 Choeph. 1035. Eumen. 43. stemmata Delphika, Suid. 'Empe-
dokles.
3 Eum. 326.
4 238. 280. 446. 581. Diese
Expiation kommt auf mehrern Vasengemälden vor, bei Tischb. 2, 16.
ausgeführter bei Millin Vases 2, 68. Monum. ined. 1, 29., wo die
genaue Erklärung zu vgl. Orest sitzt auf den untergelegten Füßen
über einer mit dem Netze, das sonst oft auf der Cortina liegt, be-
deckten Estrade; zur Seite Pallas, die Furien; neben dem Dreifuß
der heilige Lorbeer mit Tänien und Votivtafeln; dabei Ap. stehend
mit Lorbeerkranz und zurückgeschlagenem Prachtgewand; Klytämne-
stras Geist und Pylades im Hintergrunde. Auf einer Vase des
Britt. Museums (n. 102.) kniet Orest, das Schwert in der Hand,
den Reisehut vom Kopf zurückgeschlagen, auf einem Altare, von
einem Arm fallen ihm kettenförmig geflochtene Wollenbinden; Ap.
mit Lorbeerzweige und Patere in der Hand, steht bei ihm, und hält
in der andern, wie es scheint, eine Scheere, womit er ihm ein
Büschel Haare abzuschneiden im Begriff ist. (vgl. noch Pio Clem.
5. pl.
22.)
7 Munychion — 7 Boedromion.
7 Thargelion — 7 Pyanepſion.
6.

Wir wenden uns von dieſen allgemeinen Suͤhn-
feſten zu den Suͤhnungen, welche der Apolliniſche Cul-
tus jedem Blutbefleckten beſonders bot 1. Wir be-
merkten ſchon oben ſolche Anſtalten mit den Heiligthuͤ-
mern Taͤnaron, Troͤzen, der Branchiden verbunden; und
eine gleiche war auch zu Deiphi, von der uns beſon-
ders der Mythus des Oreſtes Nachricht giebt, wie
ihn Aeſchylos behandelt, wo Apoll als Leiter der Blut-
rache und als Suͤhner derſelben zugleich erſcheint. Der
Muttermoͤrder nimmt unmittelbar nach der That einen
Oelzweig mit Wollenbinden (ἱκετηϱία) 2, und flieht
wie ein geſcheuchtes Wild 3 nach Delphi, wo der Gott
ſelbſt ſeine mit Blut befleckten Haͤnde durch Schweine-
opfer und Ablutionen reinigt 4, und dadurch die Erin-
nyen von ihm entfernt; zu deren Abwehr er ihm auch,

1 Ein Vers aus einem Epiker bei Plut. reip. ger. 19. p.
178. ῞Ηκομεν οἱ κτείναντες, ἀπότϱεπε λοιγὸν, ῎Απολλον.
2 Choeph. 1035. Eumen. 43. στέμματα Δελφικά, Suid. ᾽Εμπε-
δοκλῆς.
3 Eum. 326.
4 238. 280. 446. 581. Dieſe
Expiation kommt auf mehrern Vaſengemaͤlden vor, bei Tiſchb. 2, 16.
ausgefuͤhrter bei Millin Vases 2, 68. Monum. ined. 1, 29., wo die
genaue Erklaͤrung zu vgl. Oreſt ſitzt auf den untergelegten Fuͤßen
uͤber einer mit dem Netze, das ſonſt oft auf der Cortina liegt, be-
deckten Eſtrade; zur Seite Pallas, die Furien; neben dem Dreifuß
der heilige Lorbeer mit Taͤnien und Votivtafeln; dabei Ap. ſtehend
mit Lorbeerkranz und zuruͤckgeſchlagenem Prachtgewand; Klytaͤmne-
ſtras Geiſt und Pylades im Hintergrunde. Auf einer Vaſe des
Britt. Muſeums (n. 102.) kniet Oreſt, das Schwert in der Hand,
den Reiſehut vom Kopf zuruͤckgeſchlagen, auf einem Altare, von
einem Arm fallen ihm kettenfoͤrmig geflochtene Wollenbinden; Ap.
mit Lorbeerzweige und Patere in der Hand, ſteht bei ihm, und haͤlt
in der andern, wie es ſcheint, eine Scheere, womit er ihm ein
Buͤſchel Haare abzuſchneiden im Begriff iſt. (vgl. noch Pio Clem.
5. pl.
22.)
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[332/0362] 7 Munychion — 7 Boedromion. 7 Thargelion — 7 Pyanepſion. 6. Wir wenden uns von dieſen allgemeinen Suͤhn- feſten zu den Suͤhnungen, welche der Apolliniſche Cul- tus jedem Blutbefleckten beſonders bot 1. Wir be- merkten ſchon oben ſolche Anſtalten mit den Heiligthuͤ- mern Taͤnaron, Troͤzen, der Branchiden verbunden; und eine gleiche war auch zu Deiphi, von der uns beſon- ders der Mythus des Oreſtes Nachricht giebt, wie ihn Aeſchylos behandelt, wo Apoll als Leiter der Blut- rache und als Suͤhner derſelben zugleich erſcheint. Der Muttermoͤrder nimmt unmittelbar nach der That einen Oelzweig mit Wollenbinden (ἱκετηϱία) 2, und flieht wie ein geſcheuchtes Wild 3 nach Delphi, wo der Gott ſelbſt ſeine mit Blut befleckten Haͤnde durch Schweine- opfer und Ablutionen reinigt 4, und dadurch die Erin- nyen von ihm entfernt; zu deren Abwehr er ihm auch, 1 Ein Vers aus einem Epiker bei Plut. reip. ger. 19. p. 178. ῞Ηκομεν οἱ κτείναντες, ἀπότϱεπε λοιγὸν, ῎Απολλον. 2 Choeph. 1035. Eumen. 43. στέμματα Δελφικά, Suid. ᾽Εμπε- δοκλῆς. 3 Eum. 326. 4 238. 280. 446. 581. Dieſe Expiation kommt auf mehrern Vaſengemaͤlden vor, bei Tiſchb. 2, 16. ausgefuͤhrter bei Millin Vases 2, 68. Monum. ined. 1, 29., wo die genaue Erklaͤrung zu vgl. Oreſt ſitzt auf den untergelegten Fuͤßen uͤber einer mit dem Netze, das ſonſt oft auf der Cortina liegt, be- deckten Eſtrade; zur Seite Pallas, die Furien; neben dem Dreifuß der heilige Lorbeer mit Taͤnien und Votivtafeln; dabei Ap. ſtehend mit Lorbeerkranz und zuruͤckgeſchlagenem Prachtgewand; Klytaͤmne- ſtras Geiſt und Pylades im Hintergrunde. Auf einer Vaſe des Britt. Muſeums (n. 102.) kniet Oreſt, das Schwert in der Hand, den Reiſehut vom Kopf zuruͤckgeſchlagen, auf einem Altare, von einem Arm fallen ihm kettenfoͤrmig geflochtene Wollenbinden; Ap. mit Lorbeerzweige und Patere in der Hand, ſteht bei ihm, und haͤlt in der andern, wie es ſcheint, eine Scheere, womit er ihm ein Buͤſchel Haare abzuſchneiden im Begriff iſt. (vgl. noch Pio Clem. 5. pl. 22.)

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/362>, abgerufen am 25.04.2024.