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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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Schlachtreigen wie Chortanze gleich gewandten Ephe-
ben 1 darstellen. Ehe indeß die Kunst dies Ideal, wel-
ches sie lange im Innern trug, äußerlich darzustellen
die Mittel fand und das Vermögen errang: halfen ihr
zur Aufstellung charakteristischer Tempelbilder die vor
allen andern klaren, bestimmten und bedeutsamen Sym-
bole und Attribute dieser Gottheit, die sich schon in
in der frühesten Zeit typisch festgestellt hatten, wie
Bogen, Kithar, Lorbeerzweig u. a. m. Vertrauend
auf den offenen Sinn des Volkes, das an der Leiter
dieser Attribute schnell zu der energischen Idee des
Gottes hinanstieg, konnte auch die noch rohe Kunst es
wagen, in geraden, starren, unregsamen Holz- und
Steinbildern doch die Kraft und Eigenthümlichkeit
Apollons einigermaßen darzustellen.

17.

Der einfache Cippus des Apollon Agyieus
bezeichnet noch nichts Bestimmtes, sondern erinnert
blos an die gegenwärtige Thätigkeit des schutzreichen
Gottes 2. Suchte man mehr Individualisirung, so
lag der Ausdruck der Kraft und Gewalt am nächsten.
Gewiß wurde die furchtbare Seite früher dargestellt
als die huldreiche, wenn auch beide im Mittelpunkte
eins waren: aber es mußte lange dauern, ehe die --
schon in der Theogonie gepriesene -- reizende Schön-
heit des Gottes Vorwurf der Bildnerei sein konnte.
Nach Pausanias zeigte das alte Bild zu Magnesia in
seiner ganzen Gestalt Kraft an. Diese und zugleich

1 Als Epheb bringt Ap. auch den Knaben eis eban, Antip.
Sidon. in der Anthol. Palat. 7, 743. vgl. oben S. 336, 7. Daher
ihm Epheben oft das Haar weihten.
2 Daß man den Ap.
auch zu Pytho als einen kion upselos vorgestellt, entnimmt Klem.
Alex. Strom 1. p. 349. aus zwei Versen der alten Europia, die
aber gar nichts beweisen; die hohe Säule, an die man Waffen-
beute hing, war sicher nicht der Gott selbst.

Schlachtreigen wie Chortanze gleich gewandten Ephe-
ben 1 darſtellen. Ehe indeß die Kunſt dies Ideal, wel-
ches ſie lange im Innern trug, aͤußerlich darzuſtellen
die Mittel fand und das Vermoͤgen errang: halfen ihr
zur Aufſtellung charakteriſtiſcher Tempelbilder die vor
allen andern klaren, beſtimmten und bedeutſamen Sym-
bole und Attribute dieſer Gottheit, die ſich ſchon in
in der fruͤheſten Zeit typiſch feſtgeſtellt hatten, wie
Bogen, Kithar, Lorbeerzweig u. a. m. Vertrauend
auf den offenen Sinn des Volkes, das an der Leiter
dieſer Attribute ſchnell zu der energiſchen Idee des
Gottes hinanſtieg, konnte auch die noch rohe Kunſt es
wagen, in geraden, ſtarren, unregſamen Holz- und
Steinbildern doch die Kraft und Eigenthuͤmlichkeit
Apollons einigermaßen darzuſtellen.

17.

Der einfache Cippus des Apollon Agyieus
bezeichnet noch nichts Beſtimmtes, ſondern erinnert
blos an die gegenwaͤrtige Thaͤtigkeit des ſchutzreichen
Gottes 2. Suchte man mehr Individualiſirung, ſo
lag der Ausdruck der Kraft und Gewalt am naͤchſten.
Gewiß wurde die furchtbare Seite fruͤher dargeſtellt
als die huldreiche, wenn auch beide im Mittelpunkte
eins waren: aber es mußte lange dauern, ehe die —
ſchon in der Theogonie geprieſene — reizende Schoͤn-
heit des Gottes Vorwurf der Bildnerei ſein konnte.
Nach Pauſanias zeigte das alte Bild zu Magneſia in
ſeiner ganzen Geſtalt Kraft an. Dieſe und zugleich

1 Als Epheb bringt Ap. auch den Knaben εἰς ἥβαν, Antip.
Sidon. in der Anthol. Palat. 7, 743. vgl. oben S. 336, 7. Daher
ihm Epheben oft das Haar weihten.
2 Daß man den Ap.
auch zu Pytho als einen κίων ὑψηλὸς vorgeſtellt, entnimmt Klem.
Alex. Strom 1. p. 349. aus zwei Verſen der alten Europia, die
aber gar nichts beweiſen; die hohe Saͤule, an die man Waffen-
beute hing, war ſicher nicht der Gott ſelbſt.
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[357/0387] Schlachtreigen wie Chortanze gleich gewandten Ephe- ben 1 darſtellen. Ehe indeß die Kunſt dies Ideal, wel- ches ſie lange im Innern trug, aͤußerlich darzuſtellen die Mittel fand und das Vermoͤgen errang: halfen ihr zur Aufſtellung charakteriſtiſcher Tempelbilder die vor allen andern klaren, beſtimmten und bedeutſamen Sym- bole und Attribute dieſer Gottheit, die ſich ſchon in in der fruͤheſten Zeit typiſch feſtgeſtellt hatten, wie Bogen, Kithar, Lorbeerzweig u. a. m. Vertrauend auf den offenen Sinn des Volkes, das an der Leiter dieſer Attribute ſchnell zu der energiſchen Idee des Gottes hinanſtieg, konnte auch die noch rohe Kunſt es wagen, in geraden, ſtarren, unregſamen Holz- und Steinbildern doch die Kraft und Eigenthuͤmlichkeit Apollons einigermaßen darzuſtellen. 17. Der einfache Cippus des Apollon Agyieus bezeichnet noch nichts Beſtimmtes, ſondern erinnert blos an die gegenwaͤrtige Thaͤtigkeit des ſchutzreichen Gottes 2. Suchte man mehr Individualiſirung, ſo lag der Ausdruck der Kraft und Gewalt am naͤchſten. Gewiß wurde die furchtbare Seite fruͤher dargeſtellt als die huldreiche, wenn auch beide im Mittelpunkte eins waren: aber es mußte lange dauern, ehe die — ſchon in der Theogonie geprieſene — reizende Schoͤn- heit des Gottes Vorwurf der Bildnerei ſein konnte. Nach Pauſanias zeigte das alte Bild zu Magneſia in ſeiner ganzen Geſtalt Kraft an. Dieſe und zugleich 1 Als Epheb bringt Ap. auch den Knaben εἰς ἥβαν, Antip. Sidon. in der Anthol. Palat. 7, 743. vgl. oben S. 336, 7. Daher ihm Epheben oft das Haar weihten. 2 Daß man den Ap. auch zu Pytho als einen κίων ὑψηλὸς vorgeſtellt, entnimmt Klem. Alex. Strom 1. p. 349. aus zwei Verſen der alten Europia, die aber gar nichts beweiſen; die hohe Saͤule, an die man Waffen- beute hing, war ſicher nicht der Gott ſelbſt.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/387>, abgerufen am 28.03.2024.