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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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Nicht mehr nachweisbar sind die Jonier in ihren nörd-
licheren Wohnsitzen, sondern erscheinen urplötzlich wie
vom Himmel gefallen in Attika und Aegialea: indessen
sind auch diese keineswegs mit den Urbewohnern dieser
Gegenden identisch, und mögen sich von irgend einem
nördlicheren, wahrscheinlich achaeischen Stamme losge-
löst haben 1. Die Dorier endlich finden wir in alten
Sagen und Gedichten an dem einen Ende jener oben be-
zeichneten Gebirgskette, nämlich am Olympos, seßhaft;
aber es ist wahrscheinlich, daß sie früher am andern nörd-
licheren Ende, an der äußersten Gränze der Griechischen
Welt, saßen.

9.

Wir richten unsern Blick auf die Hylleer
(Ulleis, `Ulloi), welche am bezeichneten Orte, an den
Akrokeraunien nämlich, unterhalb der Bulinen 2 und
Encheleer wohnten, und auch dem Hyllischen Hafen von
Korkyra den Namen gegeben hatten 3. Ihr Land wird
als eine große Halbinsel mit 15 Städten beschrieben,
die wohl meist nur gefabelt sind. Nun heißt aber der
erste der drei Dorischen Stämme überall Hylleis, und
die Homonymie mit dem Volke läßt die Vermuthung des

1 Nach der Genealogie aus den Eöen -- Doros, Xuthos
(davon Achaeos und Jon) Aeolos; Tzetz. Lyk. 284. Die Genealo-
gie bei Eurip. Jon 1608., Xuthos als Vater von Jon, Doros,
Achaeos, ist schon durch Athenische Eigenliebe entstellt. Jene Stelle
der Eöen aber, wenn auch im poetischen Gewand, giebt immer ein
unbefangneres Zeugniß, als Herodot, der die Jonier als Ureinwoh-
ner betrachtet.
2 S. besonders Skylax S. 7. Voss. Ob Byllis,
Buliones von Ullis u. s. w. wesentlich verschieden ist, zweifle ich.
3 S. zum folgenden Apollon. 4, 521 etc. Schol. zur Stelle und
zu V. 1125. 1149. besonders Stephan. Byz. Ulleis aus Apollo-
dor (Heyne S. 434) Skylax a. O. Skymnos Ch. 404. aus Ti-
maeos (Frgm. 121 Göller) und Eratosthenes. Eust. zu Dion. P.
V. 386. Etymol. M. 776, 39. wo sie ethnos Keltikon heißen.
vgl. Schoenemann Geogr. Argon. p. 53.

Nicht mehr nachweisbar ſind die Jonier in ihren noͤrd-
licheren Wohnſitzen, ſondern erſcheinen urploͤtzlich wie
vom Himmel gefallen in Attika und Aegialea: indeſſen
ſind auch dieſe keineswegs mit den Urbewohnern dieſer
Gegenden identiſch, und moͤgen ſich von irgend einem
noͤrdlicheren, wahrſcheinlich achaeiſchen Stamme losge-
loͤst haben 1. Die Dorier endlich finden wir in alten
Sagen und Gedichten an dem einen Ende jener oben be-
zeichneten Gebirgskette, naͤmlich am Olympos, ſeßhaft;
aber es iſt wahrſcheinlich, daß ſie fruͤher am andern noͤrd-
licheren Ende, an der aͤußerſten Graͤnze der Griechiſchen
Welt, ſaßen.

9.

Wir richten unſern Blick auf die Hylleer
(ϓλλεῖς, ῾ϓλλοι), welche am bezeichneten Orte, an den
Akrokeraunien naͤmlich, unterhalb der Bulinen 2 und
Encheleer wohnten, und auch dem Hylliſchen Hafen von
Korkyra den Namen gegeben hatten 3. Ihr Land wird
als eine große Halbinſel mit 15 Staͤdten beſchrieben,
die wohl meiſt nur gefabelt ſind. Nun heißt aber der
erſte der drei Doriſchen Staͤmme uͤberall Hylleis, und
die Homonymie mit dem Volke laͤßt die Vermuthung des

1 Nach der Genealogie aus den Eoͤen — Doros, Xuthos
(davon Achaeos und Jon) Aeolos; Tzetz. Lyk. 284. Die Genealo-
gie bei Eurip. Jon 1608., Xuthos als Vater von Jon, Doros,
Achaeos, iſt ſchon durch Atheniſche Eigenliebe entſtellt. Jene Stelle
der Eoͤen aber, wenn auch im poetiſchen Gewand, giebt immer ein
unbefangneres Zeugniß, als Herodot, der die Jonier als Ureinwoh-
ner betrachtet.
2 S. beſonders Skylax S. 7. Voſſ. Ob Byllis,
Buliones von ϓλλὶς u. ſ. w. weſentlich verſchieden iſt, zweifle ich.
3 S. zum folgenden Apollon. 4, 521 etc. Schol. zur Stelle und
zu V. 1125. 1149. beſonders Stephan. Byz. ϓλλεὶς aus Apollo-
dor (Heyne S. 434) Skylax a. O. Skymnos Ch. 404. aus Ti-
maeos (Frgm. 121 Goͤller) und Eratoſthenes. Euſt. zu Dion. P.
V. 386. Etymol. M. 776, 39. wo ſie ἔϑνος Κελτικόν heißen.
vgl. Schoenemann Geogr. Argon. p. 53.
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[11/0041] Nicht mehr nachweisbar ſind die Jonier in ihren noͤrd- licheren Wohnſitzen, ſondern erſcheinen urploͤtzlich wie vom Himmel gefallen in Attika und Aegialea: indeſſen ſind auch dieſe keineswegs mit den Urbewohnern dieſer Gegenden identiſch, und moͤgen ſich von irgend einem noͤrdlicheren, wahrſcheinlich achaeiſchen Stamme losge- loͤst haben 1. Die Dorier endlich finden wir in alten Sagen und Gedichten an dem einen Ende jener oben be- zeichneten Gebirgskette, naͤmlich am Olympos, ſeßhaft; aber es iſt wahrſcheinlich, daß ſie fruͤher am andern noͤrd- licheren Ende, an der aͤußerſten Graͤnze der Griechiſchen Welt, ſaßen. 9. Wir richten unſern Blick auf die Hylleer (ϓλλεῖς, ῾ϓλλοι), welche am bezeichneten Orte, an den Akrokeraunien naͤmlich, unterhalb der Bulinen 2 und Encheleer wohnten, und auch dem Hylliſchen Hafen von Korkyra den Namen gegeben hatten 3. Ihr Land wird als eine große Halbinſel mit 15 Staͤdten beſchrieben, die wohl meiſt nur gefabelt ſind. Nun heißt aber der erſte der drei Doriſchen Staͤmme uͤberall Hylleis, und die Homonymie mit dem Volke laͤßt die Vermuthung des 1 Nach der Genealogie aus den Eoͤen — Doros, Xuthos (davon Achaeos und Jon) Aeolos; Tzetz. Lyk. 284. Die Genealo- gie bei Eurip. Jon 1608., Xuthos als Vater von Jon, Doros, Achaeos, iſt ſchon durch Atheniſche Eigenliebe entſtellt. Jene Stelle der Eoͤen aber, wenn auch im poetiſchen Gewand, giebt immer ein unbefangneres Zeugniß, als Herodot, der die Jonier als Ureinwoh- ner betrachtet. 2 S. beſonders Skylax S. 7. Voſſ. Ob Byllis, Buliones von ϓλλὶς u. ſ. w. weſentlich verſchieden iſt, zweifle ich. 3 S. zum folgenden Apollon. 4, 521 etc. Schol. zur Stelle und zu V. 1125. 1149. beſonders Stephan. Byz. ϓλλεὶς aus Apollo- dor (Heyne S. 434) Skylax a. O. Skymnos Ch. 404. aus Ti- maeos (Frgm. 121 Goͤller) und Eratoſthenes. Euſt. zu Dion. P. V. 386. Etymol. M. 776, 39. wo ſie ἔϑνος Κελτικόν heißen. vgl. Schoenemann Geogr. Argon. p. 53.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/41>, abgerufen am 19.04.2024.