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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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Ursprungs von da aufkommen. Diese gewinnt an Wahr-
scheinlichkeit durch die Behauptung der Alten: jene Hyl-
leer seien eigentlich Hellenen; welches den oben auf-
gestellten Thatsachen völlig analog ist. Sie wird fast
zur Gewißheit dadurch, daß diese Hylleer ebenso wie die
Dorischen von einem Sohne des Herakles, den er mit
der Melite, Aegaeos Tochter, gezeugt habe 1, hergelei-
werden; auch herrschte in diesen Gegenden wirklich alter
Heraklesdienst 2 -- und dadurch, daß der den Doriern
nationale Cultus des Apollon auch bei den Hylleern sich in
dunklen Spuren erhalten hatte, indem sie nach der Sage
einen Dreifuß als Zeichen unverletzlicher Heiligkeit in
unterirdischem Gemache bargen. Ein solches Zusammen-
treffen berechtigt uns zu dem Schlusse, daß wenigstens
ein Theil des Dorischen Volkes von diesen äußersten der
Hellenen abstammt: wie viel dadurch in den ältesten
Mythen desselben sich erklärt, wird unten gezeigt
werden.

10.

Hier könnten wir die oben angekündigte Be-
trachtung schließen, wenn nicht die -- freilich sehr an-
spruchsvolle -- Frage einige Antwort verdiente: wie
man sich das nationale Verhältniß jener nördlicheren
Einwohner zu den Ureinwohnern, wie überhaupt der
griechischen Völkerstämme untereinander zu denken habe?
Das Nachdenken darüber kömmt immer wieder auf jene

1 Panyasis scheint nach Schol. Apoll. 4, 1149. von beiden
Hyllos gesprochen zu haben, dem Sohn der Melite und dem der
Deianeira. vgl. Schol. Soph. Trachin. 54. Vales. zu Harpokr.
S. 126. Nicht ganz unwahrscheinlich hat Raoul-Rochette 2. S.
280 bei Schol. Pind. P. 1. v. 120. `Ullos, os ebasileuse ton peri
ten Italian oikesanton -- Illurian (Hemsterhuis Oikhalian) vor-
geschlagen.
2 Z. B. in Dorrhachion nach Appian Bürgerkr. 2,
39. Christodor. in Anal. Brunk. 2. S. 472.

Urſprungs von da aufkommen. Dieſe gewinnt an Wahr-
ſcheinlichkeit durch die Behauptung der Alten: jene Hyl-
leer ſeien eigentlich Hellenen; welches den oben auf-
geſtellten Thatſachen voͤllig analog iſt. Sie wird faſt
zur Gewißheit dadurch, daß dieſe Hylleer ebenſo wie die
Doriſchen von einem Sohne des Herakles, den er mit
der Melite, Aegaeos Tochter, gezeugt habe 1, hergelei-
werden; auch herrſchte in dieſen Gegenden wirklich alter
Heraklesdienſt 2 — und dadurch, daß der den Doriern
nationale Cultus des Apollon auch bei den Hylleern ſich in
dunklen Spuren erhalten hatte, indem ſie nach der Sage
einen Dreifuß als Zeichen unverletzlicher Heiligkeit in
unterirdiſchem Gemache bargen. Ein ſolches Zuſammen-
treffen berechtigt uns zu dem Schluſſe, daß wenigſtens
ein Theil des Doriſchen Volkes von dieſen aͤußerſten der
Hellenen abſtammt: wie viel dadurch in den aͤlteſten
Mythen deſſelben ſich erklaͤrt, wird unten gezeigt
werden.

10.

Hier koͤnnten wir die oben angekuͤndigte Be-
trachtung ſchließen, wenn nicht die — freilich ſehr an-
ſpruchsvolle — Frage einige Antwort verdiente: wie
man ſich das nationale Verhaͤltniß jener noͤrdlicheren
Einwohner zu den Ureinwohnern, wie uͤberhaupt der
griechiſchen Voͤlkerſtaͤmme untereinander zu denken habe?
Das Nachdenken daruͤber koͤmmt immer wieder auf jene

1 Panyaſis ſcheint nach Schol. Apoll. 4, 1149. von beiden
Hyllos geſprochen zu haben, dem Sohn der Melite und dem der
Deianeira. vgl. Schol. Soph. Trachin. 54. Valeſ. zu Harpokr.
S. 126. Nicht ganz unwahrſcheinlich hat Raoul-Rochette 2. S.
280 bei Schol. Pind. P. 1. v. 120. ῾ϓλλος, ὃς ἐβασίλευσε τῶν πεϱὶ
τὴν Ιταλίαν οἰκησάντων — Ἰλλυϱίαν (Hemſterhuis Οἰχαλίαν) vor-
geſchlagen.
2 Z. B. in Dorrhachion nach Appian Buͤrgerkr. 2,
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[12/0042] Urſprungs von da aufkommen. Dieſe gewinnt an Wahr- ſcheinlichkeit durch die Behauptung der Alten: jene Hyl- leer ſeien eigentlich Hellenen; welches den oben auf- geſtellten Thatſachen voͤllig analog iſt. Sie wird faſt zur Gewißheit dadurch, daß dieſe Hylleer ebenſo wie die Doriſchen von einem Sohne des Herakles, den er mit der Melite, Aegaeos Tochter, gezeugt habe 1, hergelei- werden; auch herrſchte in dieſen Gegenden wirklich alter Heraklesdienſt 2 — und dadurch, daß der den Doriern nationale Cultus des Apollon auch bei den Hylleern ſich in dunklen Spuren erhalten hatte, indem ſie nach der Sage einen Dreifuß als Zeichen unverletzlicher Heiligkeit in unterirdiſchem Gemache bargen. Ein ſolches Zuſammen- treffen berechtigt uns zu dem Schluſſe, daß wenigſtens ein Theil des Doriſchen Volkes von dieſen aͤußerſten der Hellenen abſtammt: wie viel dadurch in den aͤlteſten Mythen deſſelben ſich erklaͤrt, wird unten gezeigt werden. 10. Hier koͤnnten wir die oben angekuͤndigte Be- trachtung ſchließen, wenn nicht die — freilich ſehr an- ſpruchsvolle — Frage einige Antwort verdiente: wie man ſich das nationale Verhaͤltniß jener noͤrdlicheren Einwohner zu den Ureinwohnern, wie uͤberhaupt der griechiſchen Voͤlkerſtaͤmme untereinander zu denken habe? Das Nachdenken daruͤber koͤmmt immer wieder auf jene 1 Panyaſis ſcheint nach Schol. Apoll. 4, 1149. von beiden Hyllos geſprochen zu haben, dem Sohn der Melite und dem der Deianeira. vgl. Schol. Soph. Trachin. 54. Valeſ. zu Harpokr. S. 126. Nicht ganz unwahrſcheinlich hat Raoul-Rochette 2. S. 280 bei Schol. Pind. P. 1. v. 120. ῾ϓλλος, ὃς ἐβασίλευσε τῶν πεϱὶ τὴν Ιταλίαν οἰκησάντων — Ἰλλυϱίαν (Hemſterhuis Οἰχαλίαν) vor- geſchlagen. 2 Z. B. in Dorrhachion nach Appian Buͤrgerkr. 2, 39. Chriſtodor. in Anal. Brunk. 2. S. 472.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/42>, abgerufen am 28.03.2024.