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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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und Epidauros nach Rhodos und Kos, wo sie ihre
Stammsagen zum Theil neu lokalisirten und umbilde-
ten. Ferner war anerkanntermaßen der Thessalische
Volkstamm ebenfalls von Ephyra in Thesprotien ge-
kommen; indem er sich nun unter die Hellenen einbür-
gerte, und Antheil an der Hellenischen Sage suchte;
mußte es ganz von selbst kommen, daß er Herakles,
den Eroberer von Ephyra, an die Spitze auch seiner
Genealogieen stellte.

5.

Nun knüpfen wir aber auch noch einen andern
bedeutenden Sagenkreis, die Geryonie, an den
Kampf des Herakles mit dem Hades zu Ephyra an,
indem wir uns auf folgende Spuren stützen. Die Rin-
der des Geryoneus weiden zusammen mit denen des
Hades; beide auf der Insel Erytheia 1; sie gehören
aber der Sonne 2 und sind darum von strahlendrother
Farbe. Es lag aber wirklich Erytheia in der ältern
Sage in der Nähe jenes Reichs des Hades. Denn daß
Hekatäos Erytheia und den Geryoneus nach Epeiros
und der Gegend von Ambrakien setzt 3: ist gewiß nicht
aus dem klügelnden Bestreben, die Mythen wahrschein-
licher zu machen, hervorgegangen -- wenigstens würde
sich daraus nicht erklären, warum er gerade Epeiros
gewählt -- sondern er benutzte eine wirklich vorhandene
Sagenspur. Auf keinen Fall hätte Skylax das Ge-
fild von Erytheia, aus der Erfindung eines Logographen,
als geographischen Punkt in seine Küstenbeschreibung
eintragen können 4. Bei ihm liegt es zwischen den

1 Apollod. 2, 5, 10.
2 1, 6, 4. wo es beiläufig aus
früherer Sage steht.
3 Bei Arrian 2, 16. Hekat. S. 50 Cr.
4 S. 23. Gron. Der Berg Abas und der Fluß Anthemoeis
in Erytheia bei Apollod. sind wahrscheinlich auch aus diesem Lokal.
Wenigstens wohnten Abanten gerade wo Erytheia gesetzt wird,
am Aoos bei Orikon. Nach Aristot. Mirab. 145. lag Erytheia

und Epidauros nach Rhodos und Kos, wo ſie ihre
Stammſagen zum Theil neu lokaliſirten und umbilde-
ten. Ferner war anerkanntermaßen der Theſſaliſche
Volkſtamm ebenfalls von Ephyra in Thesprotien ge-
kommen; indem er ſich nun unter die Hellenen einbuͤr-
gerte, und Antheil an der Helleniſchen Sage ſuchte;
mußte es ganz von ſelbſt kommen, daß er Herakles,
den Eroberer von Ephyra, an die Spitze auch ſeiner
Genealogieen ſtellte.

5.

Nun knuͤpfen wir aber auch noch einen andern
bedeutenden Sagenkreis, die Geryonie, an den
Kampf des Herakles mit dem Hades zu Ephyra an,
indem wir uns auf folgende Spuren ſtuͤtzen. Die Rin-
der des Geryoneus weiden zuſammen mit denen des
Hades; beide auf der Inſel Erytheia 1; ſie gehoͤren
aber der Sonne 2 und ſind darum von ſtrahlendrother
Farbe. Es lag aber wirklich Erytheia in der aͤltern
Sage in der Naͤhe jenes Reichs des Hades. Denn daß
Hekataͤos Erytheia und den Geryoneus nach Epeiros
und der Gegend von Ambrakien ſetzt 3: iſt gewiß nicht
aus dem kluͤgelnden Beſtreben, die Mythen wahrſchein-
licher zu machen, hervorgegangen — wenigſtens wuͤrde
ſich daraus nicht erklaͤren, warum er gerade Epeiros
gewaͤhlt — ſondern er benutzte eine wirklich vorhandene
Sagenſpur. Auf keinen Fall haͤtte Skylax das Ge-
fild von Erytheia, aus der Erfindung eines Logographen,
als geographiſchen Punkt in ſeine Kuͤſtenbeſchreibung
eintragen koͤnnen 4. Bei ihm liegt es zwiſchen den

1 Apollod. 2, 5, 10.
2 1, 6, 4. wo es beilaͤufig aus
fruͤherer Sage ſteht.
3 Bei Arrian 2, 16. Hekat. S. 50 Cr.
4 S. 23. Gron. Der Berg Abas und der Fluß Anthemoeis
in Erytheia bei Apollod. ſind wahrſcheinlich auch aus dieſem Lokal.
Wenigſtens wohnten Abanten gerade wo Erytheia geſetzt wird,
am Aoos bei Orikon. Nach Ariſtot. Mirab. 145. lag Erytheia
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[422/0452] und Epidauros nach Rhodos und Kos, wo ſie ihre Stammſagen zum Theil neu lokaliſirten und umbilde- ten. Ferner war anerkanntermaßen der Theſſaliſche Volkſtamm ebenfalls von Ephyra in Thesprotien ge- kommen; indem er ſich nun unter die Hellenen einbuͤr- gerte, und Antheil an der Helleniſchen Sage ſuchte; mußte es ganz von ſelbſt kommen, daß er Herakles, den Eroberer von Ephyra, an die Spitze auch ſeiner Genealogieen ſtellte. 5. Nun knuͤpfen wir aber auch noch einen andern bedeutenden Sagenkreis, die Geryonie, an den Kampf des Herakles mit dem Hades zu Ephyra an, indem wir uns auf folgende Spuren ſtuͤtzen. Die Rin- der des Geryoneus weiden zuſammen mit denen des Hades; beide auf der Inſel Erytheia 1; ſie gehoͤren aber der Sonne 2 und ſind darum von ſtrahlendrother Farbe. Es lag aber wirklich Erytheia in der aͤltern Sage in der Naͤhe jenes Reichs des Hades. Denn daß Hekataͤos Erytheia und den Geryoneus nach Epeiros und der Gegend von Ambrakien ſetzt 3: iſt gewiß nicht aus dem kluͤgelnden Beſtreben, die Mythen wahrſchein- licher zu machen, hervorgegangen — wenigſtens wuͤrde ſich daraus nicht erklaͤren, warum er gerade Epeiros gewaͤhlt — ſondern er benutzte eine wirklich vorhandene Sagenſpur. Auf keinen Fall haͤtte Skylax das Ge- fild von Erytheia, aus der Erfindung eines Logographen, als geographiſchen Punkt in ſeine Kuͤſtenbeſchreibung eintragen koͤnnen 4. Bei ihm liegt es zwiſchen den 1 Apollod. 2, 5, 10. 2 1, 6, 4. wo es beilaͤufig aus fruͤherer Sage ſteht. 3 Bei Arrian 2, 16. Hekat. S. 50 Cr. 4 S. 23. Gron. Der Berg Abas und der Fluß Anthemoeis in Erytheia bei Apollod. ſind wahrſcheinlich auch aus dieſem Lokal. Wenigſtens wohnten Abanten gerade wo Erytheia geſetzt wird, am Aoos bei Orikon. Nach Ariſtot. Mirab. 145. lag Erytheia

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/452>, abgerufen am 23.04.2024.