Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

pompeion oder Todtenorakel. Der Fürst dieser Perrhä-
ber heißt Guneus, dessen Name (von gounos, die Frucht-
scholle) ein Andenken ist an die fetten Felder des früher
bewohnten Thals. So viel wissen wir aus der Ho-
merischen Stelle. Nachmals in geschichtlicher Zeit fin-
den wir die Perrhäber weiter ausgedehnt von den Kam-
bunischen Gebirgen, dem Tempepaß und dem Peneios
eingefaßt und sich nach Westen noch über Pindos hinaus-
erstreckend 1. Gonnos, Atrax waren Perrhäbisch 2,
wenn auch unter Andrer Herrschaft. Aber im Gebirge
erhielten sich die Perrhäber, auch als die Thessaler
die Ebne besaßen, zwar nicht unabhängig, aber doch
als besondres, und bis in die Makedonische Zeit als
amphiktyonisches Volk.

6.

In der Flußebne herrschte indeß das Sagenvolk
der Lapithen, welches, wie ich gezeigt habe, aus Al-
mopien in Makedonien stammt, und mit den Phlegyern
identisch, mit den Minyern und Aeolern zu Ephyra we-
nigstens sehr nah verwandt war 3. Dürfen wir den
reinmythischen Namen Lapithae als Volksbenennung
brauchen, weil wir doch in ihnen ein persönlich auftre-
tendes und in nationalen Verhältnissen stehendes Volks-
ganze erkennen: so sagen wir, daß Lapithisch waren die
Städte Elateia, Gyrton, Mopsion, Larissa, Atrax,
Oechalia, Ithome, Trikka. Denn an diese knüpfen sich
zum Theil schon nach dem Namen als einheimisch die
Sagen von den Heroen Elatos, Kaeneus, Mopsos, Ko-
ronos, Eurytos, Hippodameia; und in den beiden letzt-
genannten sind die Asklepiaden einheimisch, welche in
genealogischen und andern Sagen stets mit jenen verbun-
den sind. Bei Homer folgen die Einwohner von Trikka,
Ithome, Oechalia den Söhnen des Asklepios; die von

1 Hieronymos bei Str. 9, 443.
2 Steph. Byz. Gonnos.
Liv. 32, 15.
3 Bd. 1. S. 248 ff.

pompeion oder Todtenorakel. Der Fuͤrſt dieſer Perrhaͤ-
ber heißt Guneus, deſſen Name (von γοῦνος, die Frucht-
ſcholle) ein Andenken iſt an die fetten Felder des fruͤher
bewohnten Thals. So viel wiſſen wir aus der Ho-
meriſchen Stelle. Nachmals in geſchichtlicher Zeit fin-
den wir die Perrhaͤber weiter ausgedehnt von den Kam-
buniſchen Gebirgen, dem Tempepaß und dem Peneios
eingefaßt und ſich nach Weſten noch uͤber Pindos hinaus-
erſtreckend 1. Gonnos, Atrax waren Perrhaͤbiſch 2,
wenn auch unter Andrer Herrſchaft. Aber im Gebirge
erhielten ſich die Perrhaͤber, auch als die Theſſaler
die Ebne beſaßen, zwar nicht unabhaͤngig, aber doch
als beſondres, und bis in die Makedoniſche Zeit als
amphiktyoniſches Volk.

6.

In der Flußebne herrſchte indeß das Sagenvolk
der Lapithen, welches, wie ich gezeigt habe, aus Al-
mopien in Makedonien ſtammt, und mit den Phlegyern
identiſch, mit den Minyern und Aeolern zu Ephyra we-
nigſtens ſehr nah verwandt war 3. Duͤrfen wir den
reinmythiſchen Namen Lapithae als Volksbenennung
brauchen, weil wir doch in ihnen ein perſoͤnlich auftre-
tendes und in nationalen Verhaͤltniſſen ſtehendes Volks-
ganze erkennen: ſo ſagen wir, daß Lapithiſch waren die
Staͤdte Elateia, Gyrton, Mopſion, Lariſſa, Atrax,
Oechalia, Ithome, Trikka. Denn an dieſe knuͤpfen ſich
zum Theil ſchon nach dem Namen als einheimiſch die
Sagen von den Heroen Elatos, Kaeneus, Mopſos, Ko-
ronos, Eurytos, Hippodameia; und in den beiden letzt-
genannten ſind die Aſklepiaden einheimiſch, welche in
genealogiſchen und andern Sagen ſtets mit jenen verbun-
den ſind. Bei Homer folgen die Einwohner von Trikka,
Ithome, Oechalia den Soͤhnen des Asklepios; die von

1 Hieronymos bei Str. 9, 443.
2 Steph. Byz. Γόννος.
Liv. 32, 15.
3 Bd. 1. S. 248 ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0056" n="26"/>
pompeion oder Todtenorakel. Der Fu&#x0364;r&#x017F;t die&#x017F;er Perrha&#x0364;-<lb/>
ber heißt Guneus, de&#x017F;&#x017F;en Name (von &#x03B3;&#x03BF;&#x1FE6;&#x03BD;&#x03BF;&#x03C2;, die Frucht-<lb/>
&#x017F;cholle) ein Andenken i&#x017F;t an die fetten Felder des fru&#x0364;her<lb/>
bewohnten Thals. So viel wi&#x017F;&#x017F;en wir aus der Ho-<lb/>
meri&#x017F;chen Stelle. Nachmals in ge&#x017F;chichtlicher Zeit fin-<lb/>
den wir die Perrha&#x0364;ber weiter ausgedehnt von den Kam-<lb/>
buni&#x017F;chen Gebirgen, dem Tempepaß und dem Peneios<lb/>
eingefaßt und &#x017F;ich nach We&#x017F;ten noch u&#x0364;ber Pindos hinaus-<lb/>
er&#x017F;treckend <note place="foot" n="1">Hieronymos bei Str. 9, 443.</note>. Gonnos, Atrax waren Perrha&#x0364;bi&#x017F;ch <note place="foot" n="2">Steph. Byz. &#x0393;&#x03CC;&#x03BD;&#x03BD;&#x03BF;&#x03C2;.<lb/>
Liv. 32, 15.</note>,<lb/>
wenn auch unter Andrer Herr&#x017F;chaft. Aber im Gebirge<lb/>
erhielten &#x017F;ich die Perrha&#x0364;ber, auch als die The&#x017F;&#x017F;aler<lb/>
die Ebne be&#x017F;aßen, zwar nicht unabha&#x0364;ngig, aber doch<lb/>
als be&#x017F;ondres, und bis in die Makedoni&#x017F;che Zeit als<lb/>
amphiktyoni&#x017F;ches Volk.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>6.</head><lb/>
            <p>In der Flußebne herr&#x017F;chte indeß das Sagenvolk<lb/>
der <hi rendition="#g">Lapithen</hi>, welches, wie ich gezeigt habe, aus Al-<lb/>
mopien in Makedonien &#x017F;tammt, und mit den Phlegyern<lb/>
identi&#x017F;ch, mit den Minyern und Aeolern zu Ephyra we-<lb/>
nig&#x017F;tens &#x017F;ehr nah verwandt war <note place="foot" n="3">Bd. 1. S. 248 ff.</note>. Du&#x0364;rfen wir den<lb/>
reinmythi&#x017F;chen Namen Lapithae als Volksbenennung<lb/>
brauchen, weil wir doch in ihnen ein per&#x017F;o&#x0364;nlich auftre-<lb/>
tendes und in nationalen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en &#x017F;tehendes Volks-<lb/>
ganze erkennen: &#x017F;o &#x017F;agen wir, daß Lapithi&#x017F;ch waren die<lb/>
Sta&#x0364;dte Elateia, Gyrton, Mop&#x017F;ion, Lari&#x017F;&#x017F;a, Atrax,<lb/>
Oechalia, Ithome, Trikka. Denn an die&#x017F;e knu&#x0364;pfen &#x017F;ich<lb/>
zum Theil &#x017F;chon nach dem Namen als einheimi&#x017F;ch die<lb/>
Sagen von den Heroen Elatos, Kaeneus, Mop&#x017F;os, Ko-<lb/>
ronos, Eurytos, Hippodameia; und in den beiden letzt-<lb/>
genannten &#x017F;ind die A&#x017F;klepiaden einheimi&#x017F;ch, welche in<lb/>
genealogi&#x017F;chen und andern Sagen &#x017F;tets mit jenen verbun-<lb/>
den &#x017F;ind. Bei Homer folgen die Einwohner von Trikka,<lb/>
Ithome, Oechalia den So&#x0364;hnen des Asklepios; die von<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0056] pompeion oder Todtenorakel. Der Fuͤrſt dieſer Perrhaͤ- ber heißt Guneus, deſſen Name (von γοῦνος, die Frucht- ſcholle) ein Andenken iſt an die fetten Felder des fruͤher bewohnten Thals. So viel wiſſen wir aus der Ho- meriſchen Stelle. Nachmals in geſchichtlicher Zeit fin- den wir die Perrhaͤber weiter ausgedehnt von den Kam- buniſchen Gebirgen, dem Tempepaß und dem Peneios eingefaßt und ſich nach Weſten noch uͤber Pindos hinaus- erſtreckend 1. Gonnos, Atrax waren Perrhaͤbiſch 2, wenn auch unter Andrer Herrſchaft. Aber im Gebirge erhielten ſich die Perrhaͤber, auch als die Theſſaler die Ebne beſaßen, zwar nicht unabhaͤngig, aber doch als beſondres, und bis in die Makedoniſche Zeit als amphiktyoniſches Volk. 6. In der Flußebne herrſchte indeß das Sagenvolk der Lapithen, welches, wie ich gezeigt habe, aus Al- mopien in Makedonien ſtammt, und mit den Phlegyern identiſch, mit den Minyern und Aeolern zu Ephyra we- nigſtens ſehr nah verwandt war 3. Duͤrfen wir den reinmythiſchen Namen Lapithae als Volksbenennung brauchen, weil wir doch in ihnen ein perſoͤnlich auftre- tendes und in nationalen Verhaͤltniſſen ſtehendes Volks- ganze erkennen: ſo ſagen wir, daß Lapithiſch waren die Staͤdte Elateia, Gyrton, Mopſion, Lariſſa, Atrax, Oechalia, Ithome, Trikka. Denn an dieſe knuͤpfen ſich zum Theil ſchon nach dem Namen als einheimiſch die Sagen von den Heroen Elatos, Kaeneus, Mopſos, Ko- ronos, Eurytos, Hippodameia; und in den beiden letzt- genannten ſind die Aſklepiaden einheimiſch, welche in genealogiſchen und andern Sagen ſtets mit jenen verbun- den ſind. Bei Homer folgen die Einwohner von Trikka, Ithome, Oechalia den Soͤhnen des Asklepios; die von 1 Hieronymos bei Str. 9, 443. 2 Steph. Byz. Γόννος. Liv. 32, 15. 3 Bd. 1. S. 248 ff.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/56
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/56>, abgerufen am 29.03.2024.