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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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los Tode hieher geflohen sei, woraus eine höchst ver-
worrne Geschichte entsteht. Wir kommen jetzt zu der
herkömmlichen Erzählung des Verfolgs der Dinge.

5.

Nach dieser befinden sich die Herakliden nach
dem Tode ihres Vaters in Trachis bei dem biedern Gast-
freunde Keyx, den indeß Eurystheus Drohungen nöthi-
gen, ihnen längeres Bleiben zu versagen; Keyx muß
ihnen, wie Hekataeos erzählte 1, sagen: Ich bin
nicht im Stande euch zu helfen, darum zieht zu anderm
Volke: so wenden sie sich nach Attika. Davon erzähl-
ten indeß die Logographen, welche Herakles als König
in Myken sterben ließen, ganz anders. Nämlich, daß
nach des Helden Tode Eurystheus seine Söhne vertrie-
ben und sich die Herrschaft wieder angemaßt habe 2;
worauf sie denn nach Attika geflohen wären.

In Athen setzen sie sich an den Altar des Mitleids,
erhalten Theseus oder Demophons Schutz, wohnen in
der Tetrapolis 3, und kämpfen mit den Athenern ver-
eint unter Hyllos und Jolaos, welchem die von ihm an-
gerufenen Götter frische Jugendkraft gegeben, am Ski-
ronischen Passe gegen Eurystheus, nachdem Makaria --
ein wahrscheinlich ganz symbolisches Wesen, aber hier
Tochter des Herakles -- sich vorher als Sühnopfer hin-
gegeben hatte, und überwinden in der Schlacht den Ar-
givischen König, den Alkmene mit weibischer Rache
tödtet, und dessen Grab die Athener vor dem Tempel

1 Bei Longin 27. Creuzer Fragm. S. 54. Apolld. 2, 8, 1.
erzählt fast so, als wären die Herakliden bei Eurystheus gewesen,
was doch mit dem vorhergehenden nicht stimmt. Eurip. Herakl. V.
13. 195. läßt sie von Argos nach Trachis und dem Thess. Achaja
fliehen, dann nach Athen.
2 So Pherekydes bei Antonin. Lib.
33. Sturz Fragm. 50. S. 196. versteht die Stelle nicht völlig.
3 Zu Marathon nach den Meisten, Trikorythos nennt Diod.
4, 57. Vgl 12, 45.

los Tode hieher geflohen ſei, woraus eine hoͤchſt ver-
worrne Geſchichte entſteht. Wir kommen jetzt zu der
herkoͤmmlichen Erzaͤhlung des Verfolgs der Dinge.

5.

Nach dieſer befinden ſich die Herakliden nach
dem Tode ihres Vaters in Trachis bei dem biedern Gaſt-
freunde Keyx, den indeß Euryſtheus Drohungen noͤthi-
gen, ihnen laͤngeres Bleiben zu verſagen; Keyx muß
ihnen, wie Hekataeos erzaͤhlte 1, ſagen: Ich bin
nicht im Stande euch zu helfen, darum zieht zu anderm
Volke: ſo wenden ſie ſich nach Attika. Davon erzaͤhl-
ten indeß die Logographen, welche Herakles als Koͤnig
in Myken ſterben ließen, ganz anders. Naͤmlich, daß
nach des Helden Tode Euryſtheus ſeine Soͤhne vertrie-
ben und ſich die Herrſchaft wieder angemaßt habe 2;
worauf ſie denn nach Attika geflohen waͤren.

In Athen ſetzen ſie ſich an den Altar des Mitleids,
erhalten Theſeus oder Demophons Schutz, wohnen in
der Tetrapolis 3, und kaͤmpfen mit den Athenern ver-
eint unter Hyllos und Jolaos, welchem die von ihm an-
gerufenen Goͤtter friſche Jugendkraft gegeben, am Ski-
roniſchen Paſſe gegen Euryſtheus, nachdem Makaria —
ein wahrſcheinlich ganz ſymboliſches Weſen, aber hier
Tochter des Herakles — ſich vorher als Suͤhnopfer hin-
gegeben hatte, und uͤberwinden in der Schlacht den Ar-
giviſchen Koͤnig, den Alkmene mit weibiſcher Rache
toͤdtet, und deſſen Grab die Athener vor dem Tempel

1 Bei Longin 27. Creuzer Fragm. S. 54. Apolld. 2, 8, 1.
erzaͤhlt faſt ſo, als waͤren die Herakliden bei Euryſtheus geweſen,
was doch mit dem vorhergehenden nicht ſtimmt. Eurip. Herakl. V.
13. 195. laͤßt ſie von Argos nach Trachis und dem Theſſ. Achaja
fliehen, dann nach Athen.
2 So Pherekydes bei Antonin. Lib.
33. Sturz Fragm. 50. S. 196. verſteht die Stelle nicht voͤllig.
3 Zu Marathon nach den Meiſten, Trikorythos nennt Diod.
4, 57. Vgl 12, 45.
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[54/0084] los Tode hieher geflohen ſei, woraus eine hoͤchſt ver- worrne Geſchichte entſteht. Wir kommen jetzt zu der herkoͤmmlichen Erzaͤhlung des Verfolgs der Dinge. 5. Nach dieſer befinden ſich die Herakliden nach dem Tode ihres Vaters in Trachis bei dem biedern Gaſt- freunde Keyx, den indeß Euryſtheus Drohungen noͤthi- gen, ihnen laͤngeres Bleiben zu verſagen; Keyx muß ihnen, wie Hekataeos erzaͤhlte 1, ſagen: Ich bin nicht im Stande euch zu helfen, darum zieht zu anderm Volke: ſo wenden ſie ſich nach Attika. Davon erzaͤhl- ten indeß die Logographen, welche Herakles als Koͤnig in Myken ſterben ließen, ganz anders. Naͤmlich, daß nach des Helden Tode Euryſtheus ſeine Soͤhne vertrie- ben und ſich die Herrſchaft wieder angemaßt habe 2; worauf ſie denn nach Attika geflohen waͤren. In Athen ſetzen ſie ſich an den Altar des Mitleids, erhalten Theſeus oder Demophons Schutz, wohnen in der Tetrapolis 3, und kaͤmpfen mit den Athenern ver- eint unter Hyllos und Jolaos, welchem die von ihm an- gerufenen Goͤtter friſche Jugendkraft gegeben, am Ski- roniſchen Paſſe gegen Euryſtheus, nachdem Makaria — ein wahrſcheinlich ganz ſymboliſches Weſen, aber hier Tochter des Herakles — ſich vorher als Suͤhnopfer hin- gegeben hatte, und uͤberwinden in der Schlacht den Ar- giviſchen Koͤnig, den Alkmene mit weibiſcher Rache toͤdtet, und deſſen Grab die Athener vor dem Tempel 1 Bei Longin 27. Creuzer Fragm. S. 54. Apolld. 2, 8, 1. erzaͤhlt faſt ſo, als waͤren die Herakliden bei Euryſtheus geweſen, was doch mit dem vorhergehenden nicht ſtimmt. Eurip. Herakl. V. 13. 195. laͤßt ſie von Argos nach Trachis und dem Theſſ. Achaja fliehen, dann nach Athen. 2 So Pherekydes bei Antonin. Lib. 33. Sturz Fragm. 50. S. 196. verſteht die Stelle nicht voͤllig. 3 Zu Marathon nach den Meiſten, Trikorythos nennt Diod. 4, 57. Vgl 12, 45.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/84>, abgerufen am 16.04.2024.