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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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allein, in Sparta wie in Unteritalien, auch die höhern
Vermögen des Geistes, des nous, bei den Frauen für
bildungsfähig achteten. -- Kaum bedarf es aber einer
besondern Bemerkung, daß, wenn wir die eben darge-
legte Ansicht, von des Weibes Recht und Pflicht, als
dem ganzen Stamme national ansehen, wir mancher-
lei Ab- und Entartung in verschiednen Städten, be-
sonders durch Fremdenverkehr und Luxus bewirkt, zu-
geben. Namentlich hat in Korinth das wahrschein-
lich Asiatische Hierodulen-Institut, beim Tempel der
Aphrodite, auf die Sitten einen sehr nachtheiligen Ein-
fluß geäußert, und diese Stadt zur ältesten Hetären-
Heimath in Griechenland gemacht 1.



6.

Wir kommen zunächst zu denjenigen persönli-
chen Verhältnissen, die sich aus der Verschiedenheit des
Alters ergeben. Diese gehn besonders nach Dorischen
Grundsätzen, wornach alle Aelteren im Staate alle
Jüngern erziehen 2, in der Erziehung auf. Ehe

Römer 1. S. 275.) auf der Stufe Dorischer Frauen, obgleich in
Böotien das weibl. Geschlecht sonst sehr beschränkt, und unter die
Aufsicht der Gunaikonomoi (wie in Sp. der Harmosynen, oben S.
128.) gestellt war. Plut. Solon. 21.
1 S. oben Bd. 2. S. 405. sonst Aristoph. Lysistr. 90. Plut.
149. Schol. Suid. etairai Korinth. (nach dem schon Rhodopis,
die ehemalige Mitsklavin Aesops, unter ihnen war.) khoiros. Pollux
9, 6, 75. Korinthiazesthai to maotropeuein e etairein (von
Korinths Kupplerinnen oben Bd. 2. S. 166.) Eust. Il. 290, 23.
Rom. und Anakreon 32, 10. (aus Achäischer oder Römischer Zeit).
Vgl. Jacobs im Att. Mus. 2, 3. S. 137. Scheibel zur Kenntn.
der A. W. 1. S. 177. -- Sikyons Frauen waren nach Di-
käarch Bios Ell. besonders anmuthig im Umgange.
2 Plut.
Lyk. 17. Dion. Hal. Frgm. Mai. 20, 2. Die Aeltesten konnten
III. 19

allein, in Sparta wie in Unteritalien, auch die hoͤhern
Vermoͤgen des Geiſtes, des νοῦς, bei den Frauen fuͤr
bildungsfaͤhig achteten. — Kaum bedarf es aber einer
beſondern Bemerkung, daß, wenn wir die eben darge-
legte Anſicht, von des Weibes Recht und Pflicht, als
dem ganzen Stamme national anſehen, wir mancher-
lei Ab- und Entartung in verſchiednen Staͤdten, be-
ſonders durch Fremdenverkehr und Luxus bewirkt, zu-
geben. Namentlich hat in Korinth das wahrſchein-
lich Aſiatiſche Hierodulen-Inſtitut, beim Tempel der
Aphrodite, auf die Sitten einen ſehr nachtheiligen Ein-
fluß geaͤußert, und dieſe Stadt zur aͤlteſten Hetaͤren-
Heimath in Griechenland gemacht 1.



6.

Wir kommen zunaͤchſt zu denjenigen perſoͤnli-
chen Verhaͤltniſſen, die ſich aus der Verſchiedenheit des
Alters ergeben. Dieſe gehn beſonders nach Doriſchen
Grundſaͤtzen, wornach alle Aelteren im Staate alle
Juͤngern erziehen 2, in der Erziehung auf. Ehe

Roͤmer 1. S. 275.) auf der Stufe Doriſcher Frauen, obgleich in
Boͤotien das weibl. Geſchlecht ſonſt ſehr beſchraͤnkt, und unter die
Aufſicht der Γυναικονόμοι (wie in Sp. der Harmoſynen, oben S.
128.) geſtellt war. Plut. Solon. 21.
1 S. oben Bd. 2. S. 405. ſonſt Ariſtoph. Lyſiſtr. 90. Plut.
149. Schol. Suid. ἑταῖϱαι Κοϱινϑ. (nach dem ſchon Rhodopis,
die ehemalige Mitſklavin Aeſops, unter ihnen war.) χοῖϱος. Pollux
9, 6, 75. Κοϱινϑιάζεσϑαι τὸ μαοτϱοπεύειν ἢ ἑταιϱεῖν (von
Korinths Kupplerinnen oben Bd. 2. S. 166.) Euſt. Il. 290, 23.
Rom. und Anakreon 32, 10. (aus Achaͤiſcher oder Roͤmiſcher Zeit).
Vgl. Jacobs im Att. Muſ. 2, 3. S. 137. Scheibel zur Kenntn.
der A. W. 1. S. 177. — Sikyons Frauen waren nach Di-
kaͤarch Βὶος Ἑλλ. beſonders anmuthig im Umgange.
2 Plut.
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III. 19
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[289/0295] allein, in Sparta wie in Unteritalien, auch die hoͤhern Vermoͤgen des Geiſtes, des νοῦς, bei den Frauen fuͤr bildungsfaͤhig achteten. — Kaum bedarf es aber einer beſondern Bemerkung, daß, wenn wir die eben darge- legte Anſicht, von des Weibes Recht und Pflicht, als dem ganzen Stamme national anſehen, wir mancher- lei Ab- und Entartung in verſchiednen Staͤdten, be- ſonders durch Fremdenverkehr und Luxus bewirkt, zu- geben. Namentlich hat in Korinth das wahrſchein- lich Aſiatiſche Hierodulen-Inſtitut, beim Tempel der Aphrodite, auf die Sitten einen ſehr nachtheiligen Ein- fluß geaͤußert, und dieſe Stadt zur aͤlteſten Hetaͤren- Heimath in Griechenland gemacht 1. 6. Wir kommen zunaͤchſt zu denjenigen perſoͤnli- chen Verhaͤltniſſen, die ſich aus der Verſchiedenheit des Alters ergeben. Dieſe gehn beſonders nach Doriſchen Grundſaͤtzen, wornach alle Aelteren im Staate alle Juͤngern erziehen 2, in der Erziehung auf. Ehe 4 1 S. oben Bd. 2. S. 405. ſonſt Ariſtoph. Lyſiſtr. 90. Plut. 149. Schol. Suid. ἑταῖϱαι Κοϱινϑ. (nach dem ſchon Rhodopis, die ehemalige Mitſklavin Aeſops, unter ihnen war.) χοῖϱος. Pollux 9, 6, 75. Κοϱινϑιάζεσϑαι τὸ μαοτϱοπεύειν ἢ ἑταιϱεῖν (von Korinths Kupplerinnen oben Bd. 2. S. 166.) Euſt. Il. 290, 23. Rom. und Anakreon 32, 10. (aus Achaͤiſcher oder Roͤmiſcher Zeit). Vgl. Jacobs im Att. Muſ. 2, 3. S. 137. Scheibel zur Kenntn. der A. W. 1. S. 177. — Sikyons Frauen waren nach Di- kaͤarch Βὶος Ἑλλ. beſonders anmuthig im Umgange. 2 Plut. Lyk. 17. Dion. Hal. Frgm. Mai. 20, 2. Die Aelteſten konnten 4 Roͤmer 1. S. 275.) auf der Stufe Doriſcher Frauen, obgleich in Boͤotien das weibl. Geſchlecht ſonſt ſehr beſchraͤnkt, und unter die Aufſicht der Γυναικονόμοι (wie in Sp. der Harmoſynen, oben S. 128.) geſtellt war. Plut. Solon. 21. III. 19

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/295>, abgerufen am 25.04.2024.