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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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6.
1.

Indem wir nun von der Ausbildung der Mu-
sik
bei den Dorischen Völkerschaften zu reden im Be-
griffe stehn, wird unsre Aufmerksamkeit, ehe sie sich auf
einzelne Thatsachen und Erscheinungen richten kann,
gleich von der allgemeineren in Anspruch genommen:
daß eine von den Tonarten (armoniai), wodurch
das Hellenische Alterthum die verschiedne Anordnung
der in den Tongeschlechtern (gene) gegebnen Intervalle
nach den Saiten des Tetrachords, verbunden mit ver-
schiedner Höhe und Tiefe des ganzen Systems, bezeich-
nete, von Alters her die Dorische genannt wurde 1,
und daß diese Dorische Tonart mit der Phrygischen
und Lydischen lange Zeit allein unter den Musikern
Griechenlands in Gebrauch war: die einzige also, die
in dieser frühern Zeit von einer Hellenischen Nation
den Namen trug, so daß sie schon deswegen im Ge-
gensatz der später entwickelten als die ächthellenische

1 Daher auch dorizein, dorisch singen, Hesych. Eine dafür
eingerichtete Kithar ist eine Doria phormigx Pind. O. 1, 17., der
sonst den der Dorischen Tonart passenden Rhythmos Dorion pedi-
lon nennt, O. 3, 5., und alles zusammen Dorian keleuthon umnon
Frgm. inc. 98.

6.
1.

Indem wir nun von der Ausbildung der Mu-
ſik
bei den Doriſchen Voͤlkerſchaften zu reden im Be-
griffe ſtehn, wird unſre Aufmerkſamkeit, ehe ſie ſich auf
einzelne Thatſachen und Erſcheinungen richten kann,
gleich von der allgemeineren in Anſpruch genommen:
daß eine von den Tonarten (ἁρμονίαι), wodurch
das Helleniſche Alterthum die verſchiedne Anordnung
der in den Tongeſchlechtern (γένη) gegebnen Intervalle
nach den Saiten des Tetrachords, verbunden mit ver-
ſchiedner Hoͤhe und Tiefe des ganzen Syſtems, bezeich-
nete, von Alters her die Doriſche genannt wurde 1,
und daß dieſe Doriſche Tonart mit der Phrygiſchen
und Lydiſchen lange Zeit allein unter den Muſikern
Griechenlands in Gebrauch war: die einzige alſo, die
in dieſer fruͤhern Zeit von einer Helleniſchen Nation
den Namen trug, ſo daß ſie ſchon deswegen im Ge-
genſatz der ſpaͤter entwickelten als die aͤchthelleniſche

1 Daher auch δωϱίζειν, doriſch ſingen, Heſych. Eine dafuͤr
eingerichtete Kithar iſt eine Δωϱία φόϱμιγξ Pind. O. 1, 17., der
ſonſt den der Doriſchen Tonart paſſenden Rhythmos Δώϱιον πέδι-
λον nennt, O. 3, 5., und alles zuſammen Δωϱίαν κέλευθον ὕμνων
Frgm. inc. 98.
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[316/0322] 6. 1. Indem wir nun von der Ausbildung der Mu- ſik bei den Doriſchen Voͤlkerſchaften zu reden im Be- griffe ſtehn, wird unſre Aufmerkſamkeit, ehe ſie ſich auf einzelne Thatſachen und Erſcheinungen richten kann, gleich von der allgemeineren in Anſpruch genommen: daß eine von den Tonarten (ἁρμονίαι), wodurch das Helleniſche Alterthum die verſchiedne Anordnung der in den Tongeſchlechtern (γένη) gegebnen Intervalle nach den Saiten des Tetrachords, verbunden mit ver- ſchiedner Hoͤhe und Tiefe des ganzen Syſtems, bezeich- nete, von Alters her die Doriſche genannt wurde 1, und daß dieſe Doriſche Tonart mit der Phrygiſchen und Lydiſchen lange Zeit allein unter den Muſikern Griechenlands in Gebrauch war: die einzige alſo, die in dieſer fruͤhern Zeit von einer Helleniſchen Nation den Namen trug, ſo daß ſie ſchon deswegen im Ge- genſatz der ſpaͤter entwickelten als die aͤchthelleniſche 1 Daher auch δωϱίζειν, doriſch ſingen, Heſych. Eine dafuͤr eingerichtete Kithar iſt eine Δωϱία φόϱμιγξ Pind. O. 1, 17., der ſonſt den der Doriſchen Tonart paſſenden Rhythmos Δώϱιον πέδι- λον nennt, O. 3, 5., und alles zuſammen Δωϱίαν κέλευθον ὕμνων Frgm. inc. 98.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/322>, abgerufen am 25.04.2024.