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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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Athen im Wettstreit, mit Aeschylos auftrat, da auch
noch sein Sohn und Nachfolger Aristias Bürger von
Phlius war, und in dieser Stadt begraben lag 1.
Von der Gattung selbst habe ich nichts anzumerken.
als daß sie ungemein hyporchematisch, voll von mimi-
schen und Charaktertänzen gewesen sein muß 2.

9.

Nachdem wir diese beiden einzelnen Arten mit
Orchestik verbundner Poesie, die Komödie und Tragö-
die, in Betracht gezogen haben, sind wir von der Gat-
tung im Allgemeinen zu reden verpflichtet, besonders
weil man grade diese orchestische Poesie, um den
Ausdruck zu brauchen, in neuerer Zeit als ein Pro-
dukt der Dorier zu betrachten angefangen hat. Denn
wie man alle Poesie, auf die die musikalische Compo-
sition bedeutend einwirkt, unter dem Namen Lyrik in-
begreift: so nennt man wieder Dorische Lyrik diejeni-
ge, welche zur Begleitung von Tänzen, besonders öf-
fentlichen Chortänzen, gesungen wurde 3. Und zwar
mit Recht, wie mir däucht, da wirklich diese Poesie

1 Paus. 2, 13.
2 Wie daraus daß Pratinas auch Do-
rische Hyporcheme dichtete, Fabric. 2. p. 135., und aus dem Titel
eines Stücks: Dumainai e Karuatides (oben S. 341, 2.) zu
schließen. Beiläufig erwähnen wir ein altes skhema des Satyrtan-
zes, die palaia skopeumata (Aeschyl. theorois e isthmiastais
Frgm. 65. p. 58. Schütz.), weil es die Bemerkung bei Athen. 14,
629 b. bestätigt, daß die bildende Kunst manche Weisen der alten
Orchestik aufbehalten habe. Es war eine alte Idee, Pane und
Satyrn von der Sonne geblendet, die Augen mit der Hand dek-
kend und darunter hervorblinzend zu denken; man hatte im Alter-
thum berühmte Bildsäulen der Art, und es giebt noch jetzt deren.
Diese Geberde spielte in einem satyrischen Tanz die Hauptrolle, der
zu Aeschylos Zeit schon veraltet war.
3 So Fr. Schlegel
Gesch. der Poesie der Griechen u. Römer 1, 1. S. 226 ff. Conr.
Schneider Gesch. der Elegie in den Studien B. 4. S. 2.

Athen im Wettſtreit, mit Aeſchylos auftrat, da auch
noch ſein Sohn und Nachfolger Ariſtias Buͤrger von
Phlius war, und in dieſer Stadt begraben lag 1.
Von der Gattung ſelbſt habe ich nichts anzumerken.
als daß ſie ungemein hyporchematiſch, voll von mimi-
ſchen und Charaktertaͤnzen geweſen ſein muß 2.

9.

Nachdem wir dieſe beiden einzelnen Arten mit
Orcheſtik verbundner Poëſie, die Komoͤdie und Tragoͤ-
die, in Betracht gezogen haben, ſind wir von der Gat-
tung im Allgemeinen zu reden verpflichtet, beſonders
weil man grade dieſe orcheſtiſche Poëſie, um den
Ausdruck zu brauchen, in neuerer Zeit als ein Pro-
dukt der Dorier zu betrachten angefangen hat. Denn
wie man alle Poëſie, auf die die muſikaliſche Compo-
ſition bedeutend einwirkt, unter dem Namen Lyrik in-
begreift: ſo nennt man wieder Doriſche Lyrik diejeni-
ge, welche zur Begleitung von Taͤnzen, beſonders oͤf-
fentlichen Chortaͤnzen, geſungen wurde 3. Und zwar
mit Recht, wie mir daͤucht, da wirklich dieſe Poëſie

1 Pauſ. 2, 13.
2 Wie daraus daß Pratinas auch Do-
riſche Hyporcheme dichtete, Fabric. 2. p. 135., und aus dem Titel
eines Stuͤcks: Δυμαῖναι ἢ Καϱυατίδες (oben S. 341, 2.) zu
ſchließen. Beilaͤufig erwaͤhnen wir ein altes σχῆμα des Satyrtan-
zes, die παλαιὰ σκοπεύματα (Aeſchyl. θεώϱοις ἢ ἰσϑμιασταῖς
Frgm. 65. p. 58. Schuͤtz.), weil es die Bemerkung bei Athen. 14,
629 b. beſtaͤtigt, daß die bildende Kunſt manche Weiſen der alten
Orcheſtik aufbehalten habe. Es war eine alte Idee, Pane und
Satyrn von der Sonne geblendet, die Augen mit der Hand dek-
kend und darunter hervorblinzend zu denken; man hatte im Alter-
thum beruͤhmte Bildſaͤulen der Art, und es giebt noch jetzt deren.
Dieſe Geberde ſpielte in einem ſatyriſchen Tanz die Hauptrolle, der
zu Aeſchylos Zeit ſchon veraltet war.
3 So Fr. Schlegel
Geſch. der Poëſie der Griechen u. Roͤmer 1, 1. S. 226 ff. Conr.
Schneider Geſch. der Elegie in den Studien B. 4. S. 2.
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[370/0376] Athen im Wettſtreit, mit Aeſchylos auftrat, da auch noch ſein Sohn und Nachfolger Ariſtias Buͤrger von Phlius war, und in dieſer Stadt begraben lag 1. Von der Gattung ſelbſt habe ich nichts anzumerken. als daß ſie ungemein hyporchematiſch, voll von mimi- ſchen und Charaktertaͤnzen geweſen ſein muß 2. 9. Nachdem wir dieſe beiden einzelnen Arten mit Orcheſtik verbundner Poëſie, die Komoͤdie und Tragoͤ- die, in Betracht gezogen haben, ſind wir von der Gat- tung im Allgemeinen zu reden verpflichtet, beſonders weil man grade dieſe orcheſtiſche Poëſie, um den Ausdruck zu brauchen, in neuerer Zeit als ein Pro- dukt der Dorier zu betrachten angefangen hat. Denn wie man alle Poëſie, auf die die muſikaliſche Compo- ſition bedeutend einwirkt, unter dem Namen Lyrik in- begreift: ſo nennt man wieder Doriſche Lyrik diejeni- ge, welche zur Begleitung von Taͤnzen, beſonders oͤf- fentlichen Chortaͤnzen, geſungen wurde 3. Und zwar mit Recht, wie mir daͤucht, da wirklich dieſe Poëſie 1 Pauſ. 2, 13. 2 Wie daraus daß Pratinas auch Do- riſche Hyporcheme dichtete, Fabric. 2. p. 135., und aus dem Titel eines Stuͤcks: Δυμαῖναι ἢ Καϱυατίδες (oben S. 341, 2.) zu ſchließen. Beilaͤufig erwaͤhnen wir ein altes σχῆμα des Satyrtan- zes, die παλαιὰ σκοπεύματα (Aeſchyl. θεώϱοις ἢ ἰσϑμιασταῖς Frgm. 65. p. 58. Schuͤtz.), weil es die Bemerkung bei Athen. 14, 629 b. beſtaͤtigt, daß die bildende Kunſt manche Weiſen der alten Orcheſtik aufbehalten habe. Es war eine alte Idee, Pane und Satyrn von der Sonne geblendet, die Augen mit der Hand dek- kend und darunter hervorblinzend zu denken; man hatte im Alter- thum beruͤhmte Bildſaͤulen der Art, und es giebt noch jetzt deren. Dieſe Geberde ſpielte in einem ſatyriſchen Tanz die Hauptrolle, der zu Aeſchylos Zeit ſchon veraltet war. 3 So Fr. Schlegel Geſch. der Poëſie der Griechen u. Roͤmer 1, 1. S. 226 ff. Conr. Schneider Geſch. der Elegie in den Studien B. 4. S. 2.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/376>, abgerufen am 25.04.2024.