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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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verschieden, daß er gewählt wurde, und die Herrschaft
nur ein Jahr lang behielt, wodurch er freilich schon
genöthigt war, sie nach dem Willen des Geschlechts zu
verwalten, in das er bald wieder zurücktrat. Ohne
Zweifel existirte daneben auch eine Gerusie, aber viel-
leicht auch nur aus Bakchiaden bestehend. Indem diese
sich nur untereinander verheiratheten, bildeten sie einen
castenmäßigen Adel, dessen neunzig Jahre dauernde
Herrschaft höchst drückend gewesen sein muß 1. Da
Korkyra von Korinth gegründet wurde, ehe hier die
Tyrannis der Kypseliden eintrat: so blieben dort jähr-
liche, wie es scheint aristokratisch gewählte, Prytanen
die höchste Obrigkeit in einer sonst schon demokratischen
Zeit 2.

Der Prytanis stand in Gewalt, wie schon erin-
nert ist, dem Könige zunächst, daher der alte Charon
von Lampsakos die Spartiatischen Fürsten Prytanen
nannte 3, welches auch der Eigenname Eines von ih-
nen ist. Auch die frühern Könige von Delphi hießen,
wenigstens Olymp. 105, Prytanen 4, eben da bestand
lange eine mit der Homerischen Regierung der Anakten
vergleichbare Geschlechterherrschaft 5. Der Prytaneu
waren gewöhnlich nur einer oder zwei 6. In Rhodos

1 S. Her. 5, 92. Paus. 2, 4. vgl. Bd. 2. S. 164. s.
2 S. die große vorrömische Inschrift bei Böckh Staatsh. 2. S.
403., wo der Prytan Aristomenes, Aristolaidas S., ein Hylleer,
erwähnt wird, dessen Kopf auf einer Münze mit dem des Herakles
verbunden ist. Eine andere Inschrift ebd. erwähnt 4 Prytanen zu-
sammen. Demokratisch war aber die Verfassung damals, da die
alia auch ein Gericht ist. S. 406.
3 Suid. Kharon pruta-
neis e arkhontes Lakedaimonion. Auch Pindar und Aeschylos brau-
chen es für König.
4 Erakleidou prutaneuontos. Paus. 10,
2, 2.
5 S. Bd. 2. S. 211. 212. vgl. die Geschichte Ari-
stot. 5, 3, 3. Plut. praec. rep. ger. 52. p. 200 sq.
6 S.
Dissens Commentar und meine Note zu Pind. N. 11, 4., wo ich

verſchieden, daß er gewaͤhlt wurde, und die Herrſchaft
nur ein Jahr lang behielt, wodurch er freilich ſchon
genoͤthigt war, ſie nach dem Willen des Geſchlechts zu
verwalten, in das er bald wieder zuruͤcktrat. Ohne
Zweifel exiſtirte daneben auch eine Geruſie, aber viel-
leicht auch nur aus Bakchiaden beſtehend. Indem dieſe
ſich nur untereinander verheiratheten, bildeten ſie einen
caſtenmaͤßigen Adel, deſſen neunzig Jahre dauernde
Herrſchaft hoͤchſt druͤckend geweſen ſein muß 1. Da
Korkyra von Korinth gegruͤndet wurde, ehe hier die
Tyrannis der Kypſeliden eintrat: ſo blieben dort jaͤhr-
liche, wie es ſcheint ariſtokratiſch gewaͤhlte, Prytanen
die hoͤchſte Obrigkeit in einer ſonſt ſchon demokratiſchen
Zeit 2.

Der Prytanis ſtand in Gewalt, wie ſchon erin-
nert iſt, dem Koͤnige zunaͤchſt, daher der alte Charon
von Lampſakos die Spartiatiſchen Fuͤrſten Prytanen
nannte 3, welches auch der Eigenname Eines von ih-
nen iſt. Auch die fruͤhern Koͤnige von Delphi hießen,
wenigſtens Olymp. 105, Prytanen 4, eben da beſtand
lange eine mit der Homeriſchen Regierung der Anakten
vergleichbare Geſchlechterherrſchaft 5. Der Prytaneu
waren gewoͤhnlich nur einer oder zwei 6. In Rhodos

1 S. Her. 5, 92. Pauſ. 2, 4. vgl. Bd. 2. S. 164. ſ.
2 S. die große vorroͤmiſche Inſchrift bei Boͤckh Staatsh. 2. S.
403., wo der Prytan Ariſtomenes, Ariſtolaidas S., ein Hylleer,
erwaͤhnt wird, deſſen Kopf auf einer Muͤnze mit dem des Herakles
verbunden iſt. Eine andere Inſchrift ebd. erwaͤhnt 4 Prytanen zu-
ſammen. Demokratiſch war aber die Verfaſſung damals, da die
ἁλία auch ein Gericht iſt. S. 406.
3 Suid. Χάϱων πϱυτά-
νεις ἢ ἄϱχοντες Λακεδαιμονίων. Auch Pindar und Aeſchylos brau-
chen es fuͤr Koͤnig.
4 Ἡϱακλείδου πϱυτανεύοντος. Pauſ. 10,
2, 2.
5 S. Bd. 2. S. 211. 212. vgl. die Geſchichte Ari-
ſtot. 5, 3, 3. Plut. praec. rep. ger. 52. p. 200 sq.
6 S.
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[135/0141] verſchieden, daß er gewaͤhlt wurde, und die Herrſchaft nur ein Jahr lang behielt, wodurch er freilich ſchon genoͤthigt war, ſie nach dem Willen des Geſchlechts zu verwalten, in das er bald wieder zuruͤcktrat. Ohne Zweifel exiſtirte daneben auch eine Geruſie, aber viel- leicht auch nur aus Bakchiaden beſtehend. Indem dieſe ſich nur untereinander verheiratheten, bildeten ſie einen caſtenmaͤßigen Adel, deſſen neunzig Jahre dauernde Herrſchaft hoͤchſt druͤckend geweſen ſein muß 1. Da Korkyra von Korinth gegruͤndet wurde, ehe hier die Tyrannis der Kypſeliden eintrat: ſo blieben dort jaͤhr- liche, wie es ſcheint ariſtokratiſch gewaͤhlte, Prytanen die hoͤchſte Obrigkeit in einer ſonſt ſchon demokratiſchen Zeit 2. Der Prytanis ſtand in Gewalt, wie ſchon erin- nert iſt, dem Koͤnige zunaͤchſt, daher der alte Charon von Lampſakos die Spartiatiſchen Fuͤrſten Prytanen nannte 3, welches auch der Eigenname Eines von ih- nen iſt. Auch die fruͤhern Koͤnige von Delphi hießen, wenigſtens Olymp. 105, Prytanen 4, eben da beſtand lange eine mit der Homeriſchen Regierung der Anakten vergleichbare Geſchlechterherrſchaft 5. Der Prytaneu waren gewoͤhnlich nur einer oder zwei 6. In Rhodos 1 S. Her. 5, 92. Pauſ. 2, 4. vgl. Bd. 2. S. 164. ſ. 2 S. die große vorroͤmiſche Inſchrift bei Boͤckh Staatsh. 2. S. 403., wo der Prytan Ariſtomenes, Ariſtolaidas S., ein Hylleer, erwaͤhnt wird, deſſen Kopf auf einer Muͤnze mit dem des Herakles verbunden iſt. Eine andere Inſchrift ebd. erwaͤhnt 4 Prytanen zu- ſammen. Demokratiſch war aber die Verfaſſung damals, da die ἁλία auch ein Gericht iſt. S. 406. 3 Suid. Χάϱων πϱυτά- νεις ἢ ἄϱχοντες Λακεδαιμονίων. Auch Pindar und Aeſchylos brau- chen es fuͤr Koͤnig. 4 Ἡϱακλείδου πϱυτανεύοντος. Pauſ. 10, 2, 2. 5 S. Bd. 2. S. 211. 212. vgl. die Geſchichte Ari- ſtot. 5, 3, 3. Plut. praec. rep. ger. 52. p. 200 sq. 6 S. Diſſens Commentar und meine Note zu Pind. N. 11, 4., wo ich

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/141>, abgerufen am 28.03.2024.