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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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der Eukleen überfiel, und endlich so weit ging, daß
sie den Staat von Korinth als für sich bestehend auf-
heben und mit Argos völlig vereinigen wollte (Ol.
96, 2. und 3.) 1. Die vertriebenen Aristokraten, von
den zu Sikyon stehenden Lakedämoniern unterstützt, hiel-
ten indessen fortwährend das Gegengewicht, und be-
haupteten sich zu Lechäon 2; sie müssen hernach zurück-
gekehrt sein, und die alte Verfassung wieder eingeführt
haben; denn in der folgenden Zeit finden wir Korinth
wieder der Lakedämonischen Symmachie treu 3. In
Dions Zeit (gegen Ol. 106.) war Korinth ziemlich
oligarchisch regiert, und es wurde wenig in der Volks-
versammlung verhandelt 4: und wenn diese auch den
Timoleon als Feldherrn des Staats nach Sicilien sandte
(108, 4.), so bestand doch damals auch eine Gerusia
-- ein durchaus aristokratischer Name -- welche nicht
blos mit Gesandten verhandelte, sondern auch, was
besonders merkwürdig, Eriminalgerichtsbarkeit aus-
übte 5. Die Tyrannis des Timophanes, den Timoleon
ermordete, war eine kurze Unterbrechung der Oligar-
chie nach Aristoteles 6.

5.

Von der gemäßigten und wohlgeordneten Ver-
fassung, welche Korinthos im Ganzen zu bewahren das
Glück hatte, war die Colonie Korkyra frühzeitig ab-
geartet. Unter Anführung eines Bakchiaden Chersikra-
tes gegründet, wurde sie wohl eine Zeitlang von den
Korinthischen Familien regiert, welche die Colonie zu-
erst in Besitz genommen hatten. Daneben aber hatte

1 S. Xen. Hell. 4, 4, 3 ff.
2 4, 4, 6 ff.
3 s. be-
sonders 7, 4, 6. Die Flüchtlinge von Korinth zu Argos Ol. 101,
2. bei Diod. 15, 40. sind also Demokraten.
4 Plut. Dion. 53.
Bei Plut. Timol. 5. darf man aus demokratia nichts schließen,
denn sie soll dort nur den Gegensatz von turannis bezeichnen.
5 Diod. 16, 65. 66.
6 Pol. 5, 5, 9.

der Eukleen uͤberfiel, und endlich ſo weit ging, daß
ſie den Staat von Korinth als fuͤr ſich beſtehend auf-
heben und mit Argos voͤllig vereinigen wollte (Ol.
96, 2. und 3.) 1. Die vertriebenen Ariſtokraten, von
den zu Sikyon ſtehenden Lakedaͤmoniern unterſtuͤtzt, hiel-
ten indeſſen fortwaͤhrend das Gegengewicht, und be-
haupteten ſich zu Lechaͤon 2; ſie muͤſſen hernach zuruͤck-
gekehrt ſein, und die alte Verfaſſung wieder eingefuͤhrt
haben; denn in der folgenden Zeit finden wir Korinth
wieder der Lakedaͤmoniſchen Symmachie treu 3. In
Dions Zeit (gegen Ol. 106.) war Korinth ziemlich
oligarchiſch regiert, und es wurde wenig in der Volks-
verſammlung verhandelt 4: und wenn dieſe auch den
Timoleon als Feldherrn des Staats nach Sicilien ſandte
(108, 4.), ſo beſtand doch damals auch eine Geruſia
— ein durchaus ariſtokratiſcher Name — welche nicht
blos mit Geſandten verhandelte, ſondern auch, was
beſonders merkwuͤrdig, Eriminalgerichtsbarkeit aus-
uͤbte 5. Die Tyrannis des Timophanes, den Timoleon
ermordete, war eine kurze Unterbrechung der Oligar-
chie nach Ariſtoteles 6.

5.

Von der gemaͤßigten und wohlgeordneten Ver-
faſſung, welche Korinthos im Ganzen zu bewahren das
Gluͤck hatte, war die Colonie Korkyra fruͤhzeitig ab-
geartet. Unter Anfuͤhrung eines Bakchiaden Cherſikra-
tes gegruͤndet, wurde ſie wohl eine Zeitlang von den
Korinthiſchen Familien regiert, welche die Colonie zu-
erſt in Beſitz genommen hatten. Daneben aber hatte

1 S. Xen. Hell. 4, 4, 3 ff.
2 4, 4, 6 ff.
3 ſ. be-
ſonders 7, 4, 6. Die Fluͤchtlinge von Korinth zu Argos Ol. 101,
2. bei Diod. 15, 40. ſind alſo Demokraten.
4 Plut. Dion. 53.
Bei Plut. Timol. 5. darf man aus δημοκϱατία nichts ſchließen,
denn ſie ſoll dort nur den Gegenſatz von τυϱαννὶς bezeichnen.
5 Diod. 16, 65. 66.
6 Pol. 5, 5, 9.
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[152/0158] der Eukleen uͤberfiel, und endlich ſo weit ging, daß ſie den Staat von Korinth als fuͤr ſich beſtehend auf- heben und mit Argos voͤllig vereinigen wollte (Ol. 96, 2. und 3.) 1. Die vertriebenen Ariſtokraten, von den zu Sikyon ſtehenden Lakedaͤmoniern unterſtuͤtzt, hiel- ten indeſſen fortwaͤhrend das Gegengewicht, und be- haupteten ſich zu Lechaͤon 2; ſie muͤſſen hernach zuruͤck- gekehrt ſein, und die alte Verfaſſung wieder eingefuͤhrt haben; denn in der folgenden Zeit finden wir Korinth wieder der Lakedaͤmoniſchen Symmachie treu 3. In Dions Zeit (gegen Ol. 106.) war Korinth ziemlich oligarchiſch regiert, und es wurde wenig in der Volks- verſammlung verhandelt 4: und wenn dieſe auch den Timoleon als Feldherrn des Staats nach Sicilien ſandte (108, 4.), ſo beſtand doch damals auch eine Geruſia — ein durchaus ariſtokratiſcher Name — welche nicht blos mit Geſandten verhandelte, ſondern auch, was beſonders merkwuͤrdig, Eriminalgerichtsbarkeit aus- uͤbte 5. Die Tyrannis des Timophanes, den Timoleon ermordete, war eine kurze Unterbrechung der Oligar- chie nach Ariſtoteles 6. 5. Von der gemaͤßigten und wohlgeordneten Ver- faſſung, welche Korinthos im Ganzen zu bewahren das Gluͤck hatte, war die Colonie Korkyra fruͤhzeitig ab- geartet. Unter Anfuͤhrung eines Bakchiaden Cherſikra- tes gegruͤndet, wurde ſie wohl eine Zeitlang von den Korinthiſchen Familien regiert, welche die Colonie zu- erſt in Beſitz genommen hatten. Daneben aber hatte 1 S. Xen. Hell. 4, 4, 3 ff. 2 4, 4, 6 ff. 3 ſ. be- ſonders 7, 4, 6. Die Fluͤchtlinge von Korinth zu Argos Ol. 101, 2. bei Diod. 15, 40. ſind alſo Demokraten. 4 Plut. Dion. 53. Bei Plut. Timol. 5. darf man aus δημοκϱατία nichts ſchließen, denn ſie ſoll dort nur den Gegenſatz von τυϱαννὶς bezeichnen. 5 Diod. 16, 65. 66. 6 Pol. 5, 5, 9.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/158>, abgerufen am 28.03.2024.