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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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höchsten Punkte der Jugendkraft sein 1 (anthesteria-
des in Rhodos genannt) 2; und für die Männer wur-
den wohl die Jahre um dreißig für die passendsten er-
achtet, wie von Hesiodos 3, Platon 4 und selbst noch
Aristoteles. Wer indeß zu spät heirathete, gegen den
fand öffentliche Anklage statt (opsigamiou), wie glei-
cherweise gegen solche, die unpassende Ehen eingegan-
gen waren (kakogamiou), und die unverheirathet Ge-
bliebnen (agamiou) 5. Es ist bekannt, wie sehr diese
Gesetze als Eingriffe in die Rechte des Einzelnen, ja
als Entheiligung der Ehe gescholten worden sind; weil
man, was aus seiner Wurzel völlig naturgemäß her-
vorgegangen war, von grundverschiednen Prineipien zu
beurtheilen unternahm. Auch in Solons Gesetzgebung
noch war die Ehe unter Aufsicht des Staates gestellt,
und man hatte in Athen, wenn auch nur als Antiqui-
tät, eine graphe agamiou 6. Es ist indeß allerdings
wahr, daß die Ehe, besonders in Sparta, in einer ge-
wissen natürlichen Nacktheit gefaßt, und über die
Hauptabsicht derselben keinerlei Schleier gezogen wur-
de. So soll Leonidas, nach Thermopylä gesandt, sei-
ner Frauen Gorgo als Vermächtniß hinterlassen ha-
ben: Heirathet Edle und gebärt Edles 7; und als

1 Xen. Staat 1, 6. Plut. Lyk. 15. Vergl. Numa's 4.
Lak. Apophth. p. 224.
2 Hesych. s. v.
3 T. und W. 695.
4 Ges. 8, 785. -- Den Troezeniern untersagte das Orakel die
frühen Heiruthen. Arist. Pol. 7, 14, 4.
5 S. Plut. Lyk.
15. Lys. 13. de am. prol. 2. Lac. ap. p. 223. Pollux 3, 48.
8, 40. Stobäos Serm. 65. Klem. Aler. Str. 2. p. 182. vgl.
Schlägers Praef. ad dissertat. Helmst. 1744. p. 10. Am merk-
würdigsten ist, daß die Tresanten, denen Jedermann seine Tochter
verweigerte, auch agamiou gestraft wurden, Xen. Staat 9, 5.
6 Pollux. 8, 40.
7 Plut. de Herod. mal. 32. p. 321.
Ap. Lac. p. 216.
Frgm. p. 355.

hoͤchſten Punkte der Jugendkraft ſein 1 (ἀνϑεστηϱιά-
δες in Rhodos genannt) 2; und fuͤr die Maͤnner wur-
den wohl die Jahre um dreißig fuͤr die paſſendſten er-
achtet, wie von Heſiodos 3, Platon 4 und ſelbſt noch
Ariſtoteles. Wer indeß zu ſpaͤt heirathete, gegen den
fand oͤffentliche Anklage ſtatt (ὀψιγαμίου), wie glei-
cherweiſe gegen ſolche, die unpaſſende Ehen eingegan-
gen waren (κακογαμίου), und die unverheirathet Ge-
bliebnen (ἀγαμίου) 5. Es iſt bekannt, wie ſehr dieſe
Geſetze als Eingriffe in die Rechte des Einzelnen, ja
als Entheiligung der Ehe geſcholten worden ſind; weil
man, was aus ſeiner Wurzel voͤllig naturgemaͤß her-
vorgegangen war, von grundverſchiednen Prineipien zu
beurtheilen unternahm. Auch in Solons Geſetzgebung
noch war die Ehe unter Aufſicht des Staates geſtellt,
und man hatte in Athen, wenn auch nur als Antiqui-
taͤt, eine γϱαφὴ ἀγαμίου 6. Es iſt indeß allerdings
wahr, daß die Ehe, beſonders in Sparta, in einer ge-
wiſſen natuͤrlichen Nacktheit gefaßt, und uͤber die
Hauptabſicht derſelben keinerlei Schleier gezogen wur-
de. So ſoll Leonidas, nach Thermopylaͤ geſandt, ſei-
ner Frauen Gorgo als Vermaͤchtniß hinterlaſſen ha-
ben: Heirathet Edle und gebaͤrt Edles 7; und als

1 Xen. Staat 1, 6. Plut. Lyk. 15. Vergl. Numa’s 4.
Lak. Apophth. p. 224.
2 Heſych. s. v.
3 T. und W. 695.
4 Geſ. 8, 785. — Den Troezeniern unterſagte das Orakel die
fruͤhen Heiruthen. Ariſt. Pol. 7, 14, 4.
5 S. Plut. Lyk.
15. Lyſ. 13. de am. prol. 2. Lac. ap. p. 223. Pollux 3, 48.
8, 40. Stobaͤos Serm. 65. Klem. Aler. Str. 2. p. 182. vgl.
Schlaͤgers Praef. ad dissertat. Helmst. 1744. p. 10. Am merk-
wuͤrdigſten iſt, daß die Treſanten, denen Jedermann ſeine Tochter
verweigerte, auch ἀγαμἱου geſtraft wurden, Xen. Staat 9, 5.
6 Pollux. 8, 40.
7 Plut. de Herod. mal. 32. p. 321.
Ap. Lac. p. 216.
Frgm. p. 355.
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[284/0290] hoͤchſten Punkte der Jugendkraft ſein 1 (ἀνϑεστηϱιά- δες in Rhodos genannt) 2; und fuͤr die Maͤnner wur- den wohl die Jahre um dreißig fuͤr die paſſendſten er- achtet, wie von Heſiodos 3, Platon 4 und ſelbſt noch Ariſtoteles. Wer indeß zu ſpaͤt heirathete, gegen den fand oͤffentliche Anklage ſtatt (ὀψιγαμίου), wie glei- cherweiſe gegen ſolche, die unpaſſende Ehen eingegan- gen waren (κακογαμίου), und die unverheirathet Ge- bliebnen (ἀγαμίου) 5. Es iſt bekannt, wie ſehr dieſe Geſetze als Eingriffe in die Rechte des Einzelnen, ja als Entheiligung der Ehe geſcholten worden ſind; weil man, was aus ſeiner Wurzel voͤllig naturgemaͤß her- vorgegangen war, von grundverſchiednen Prineipien zu beurtheilen unternahm. Auch in Solons Geſetzgebung noch war die Ehe unter Aufſicht des Staates geſtellt, und man hatte in Athen, wenn auch nur als Antiqui- taͤt, eine γϱαφὴ ἀγαμίου 6. Es iſt indeß allerdings wahr, daß die Ehe, beſonders in Sparta, in einer ge- wiſſen natuͤrlichen Nacktheit gefaßt, und uͤber die Hauptabſicht derſelben keinerlei Schleier gezogen wur- de. So ſoll Leonidas, nach Thermopylaͤ geſandt, ſei- ner Frauen Gorgo als Vermaͤchtniß hinterlaſſen ha- ben: Heirathet Edle und gebaͤrt Edles 7; und als 1 Xen. Staat 1, 6. Plut. Lyk. 15. Vergl. Numa’s 4. Lak. Apophth. p. 224. 2 Heſych. s. v. 3 T. und W. 695. 4 Geſ. 8, 785. — Den Troezeniern unterſagte das Orakel die fruͤhen Heiruthen. Ariſt. Pol. 7, 14, 4. 5 S. Plut. Lyk. 15. Lyſ. 13. de am. prol. 2. Lac. ap. p. 223. Pollux 3, 48. 8, 40. Stobaͤos Serm. 65. Klem. Aler. Str. 2. p. 182. vgl. Schlaͤgers Praef. ad dissertat. Helmst. 1744. p. 10. Am merk- wuͤrdigſten iſt, daß die Treſanten, denen Jedermann ſeine Tochter verweigerte, auch ἀγαμἱου geſtraft wurden, Xen. Staat 9, 5. 6 Pollux. 8, 40. 7 Plut. de Herod. mal. 32. p. 321. Ap. Lac. p. 216. Frgm. p. 355.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/290>, abgerufen am 25.04.2024.