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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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4.

Soviel von der äußern Anordnung und Form
der Erziehung. Die Erziehung selbst ist nun theils
leiblich, theils geistig, obgleich auch diese Trennung
nicht zu streng gefaßt werden darf, sintemal jede Ue-
bung des Körpers doch auch zugleich eine des Geistes,
wenigstens der Beharrlichkeit, Ausdauer, Seelenkraft,
ist. Indeß haben für jene die Griechen den allgemei-
nen Ausdruck Gymnastik, für diese Musik. Daß die
Dorier vor allen Hellenen der Gymnastik oblagen,
ist bekannt 1; auch schon bemerkt, daß die gumnasti-
ke im eigentlichen Sinne zuerst bei Kretern und Spar-
tiaten aufkam, und den letztern namentlich ist öfter
vorgeworfen worden, daß sie darin das Maaß über-
schritten hätten 2. Indessen lag diese Maaßlosigkeit,
wenn sie später stattfand, gar nicht in den Maximen
und Ideen der Dorier, die hierin, wie in allem andern,
auch dem eifrigsten Bestreben seine Gränze zu setzen
und seinen Zügel anzulegen wußten; von der Spar-
tiatischen Erziehung bemerkt Aristoteles selbst, daß sie
nicht darauf ausgehe Athleten zu bilden, die das Auf-
treten in gymnastischen Kämpfen als Geschäft des
ganzen Lebens betrieben 3: und wie sicher man hier,

1 Daher ein besondres Oelgefäß in den Gymnasien Doris
olpa hieß, Theokr. 2, 156., wohl sehr einfach, wie die Sp. statt
der stleggis Rohrbüschel nahmen, Schol. Plat. Charm. p. 90.
Ruhnk. Plut. Inst. Lac. p. 253. Lobeck ad Phrynich. p. 430.
bemerkt einsichtsvoll, daß mehrere vocabula musica, palaestrica
et militaria
auch im gewöhnlichen Griechischen Dialekt Dorisch
colorirt sind, weil sie besonders bei den Doriern gebräuchlich wa-
ren.
2 Dion Chrysost. Or. 37, 33. philogumnastousi Aa-
kones. Dasselbe Platon Protag. 342. von den Lakonizonten, die
auch -- gegen die Sitte ihrer Vorbilder -- den Caestuskampf eifrig
trieben. Aristot. Pol. 8, 3, 3. sagt blos, daß die Abhärtung der
Jugend in Sp. sie zu theriodeis mache.
3 Vgl. was der
III. 20
4.

Soviel von der aͤußern Anordnung und Form
der Erziehung. Die Erziehung ſelbſt iſt nun theils
leiblich, theils geiſtig, obgleich auch dieſe Trennung
nicht zu ſtreng gefaßt werden darf, ſintemal jede Ue-
bung des Koͤrpers doch auch zugleich eine des Geiſtes,
wenigſtens der Beharrlichkeit, Ausdauer, Seelenkraft,
iſt. Indeß haben fuͤr jene die Griechen den allgemei-
nen Ausdruck Gymnaſtik, fuͤr dieſe Muſik. Daß die
Dorier vor allen Hellenen der Gymnaſtik oblagen,
iſt bekannt 1; auch ſchon bemerkt, daß die γυμναστι-
κὴ im eigentlichen Sinne zuerſt bei Kretern und Spar-
tiaten aufkam, und den letztern namentlich iſt oͤfter
vorgeworfen worden, daß ſie darin das Maaß uͤber-
ſchritten haͤtten 2. Indeſſen lag dieſe Maaßloſigkeit,
wenn ſie ſpaͤter ſtattfand, gar nicht in den Maximen
und Ideen der Dorier, die hierin, wie in allem andern,
auch dem eifrigſten Beſtreben ſeine Graͤnze zu ſetzen
und ſeinen Zuͤgel anzulegen wußten; von der Spar-
tiatiſchen Erziehung bemerkt Ariſtoteles ſelbſt, daß ſie
nicht darauf ausgehe Athleten zu bilden, die das Auf-
treten in gymnaſtiſchen Kaͤmpfen als Geſchaͤft des
ganzen Lebens betrieben 3: und wie ſicher man hier,

1 Daher ein beſondres Oelgefaͤß in den Gymnaſien Δωϱὶς
ὄλπα hieß, Theokr. 2, 156., wohl ſehr einfach, wie die Sp. ſtatt
der στλεγγὶς Rohrbuͤſchel nahmen, Schol. Plat. Charm. p. 90.
Ruhnk. Plut. Inst. Lac. p. 253. Lobeck ad Phrynich. p. 430.
bemerkt einſichtsvoll, daß mehrere vocabula musica, palaestrica
et militaria
auch im gewoͤhnlichen Griechiſchen Dialekt Doriſch
colorirt ſind, weil ſie beſonders bei den Doriern gebraͤuchlich wa-
ren.
2 Dion Chryſoſt. Or. 37, 33. φιλογυμναστοῦσι Αά-
κωνες. Daſſelbe Platon Protag. 342. von den Lakonizonten, die
auch — gegen die Sitte ihrer Vorbilder — den Caeſtuskampf eifrig
trieben. Ariſtot. Pol. 8, 3, 3. ſagt blos, daß die Abhaͤrtung der
Jugend in Sp. ſie zu ϑηϱιώδεις mache.
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III. 20
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[305/0311] 4. Soviel von der aͤußern Anordnung und Form der Erziehung. Die Erziehung ſelbſt iſt nun theils leiblich, theils geiſtig, obgleich auch dieſe Trennung nicht zu ſtreng gefaßt werden darf, ſintemal jede Ue- bung des Koͤrpers doch auch zugleich eine des Geiſtes, wenigſtens der Beharrlichkeit, Ausdauer, Seelenkraft, iſt. Indeß haben fuͤr jene die Griechen den allgemei- nen Ausdruck Gymnaſtik, fuͤr dieſe Muſik. Daß die Dorier vor allen Hellenen der Gymnaſtik oblagen, iſt bekannt 1; auch ſchon bemerkt, daß die γυμναστι- κὴ im eigentlichen Sinne zuerſt bei Kretern und Spar- tiaten aufkam, und den letztern namentlich iſt oͤfter vorgeworfen worden, daß ſie darin das Maaß uͤber- ſchritten haͤtten 2. Indeſſen lag dieſe Maaßloſigkeit, wenn ſie ſpaͤter ſtattfand, gar nicht in den Maximen und Ideen der Dorier, die hierin, wie in allem andern, auch dem eifrigſten Beſtreben ſeine Graͤnze zu ſetzen und ſeinen Zuͤgel anzulegen wußten; von der Spar- tiatiſchen Erziehung bemerkt Ariſtoteles ſelbſt, daß ſie nicht darauf ausgehe Athleten zu bilden, die das Auf- treten in gymnaſtiſchen Kaͤmpfen als Geſchaͤft des ganzen Lebens betrieben 3: und wie ſicher man hier, 1 Daher ein beſondres Oelgefaͤß in den Gymnaſien Δωϱὶς ὄλπα hieß, Theokr. 2, 156., wohl ſehr einfach, wie die Sp. ſtatt der στλεγγὶς Rohrbuͤſchel nahmen, Schol. Plat. Charm. p. 90. Ruhnk. Plut. Inst. Lac. p. 253. Lobeck ad Phrynich. p. 430. bemerkt einſichtsvoll, daß mehrere vocabula musica, palaestrica et militaria auch im gewoͤhnlichen Griechiſchen Dialekt Doriſch colorirt ſind, weil ſie beſonders bei den Doriern gebraͤuchlich wa- ren. 2 Dion Chryſoſt. Or. 37, 33. φιλογυμναστοῦσι Αά- κωνες. Daſſelbe Platon Protag. 342. von den Lakonizonten, die auch — gegen die Sitte ihrer Vorbilder — den Caeſtuskampf eifrig trieben. Ariſtot. Pol. 8, 3, 3. ſagt blos, daß die Abhaͤrtung der Jugend in Sp. ſie zu ϑηϱιώδεις mache. 3 Vgl. was der III. 20

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/311>, abgerufen am 25.04.2024.