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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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Flötenspielers 1. Wenn nun also Alle, freilich mit ver-
schiednem Geschicke, an diesen Chören Theil nehmen
konnten: so mußten auch Alle von Kindheit auf dazu
geübt und erzogen sein; wie wir von der andern Sei-
te wissen, daß der gesammte Unterricht in der Musik
in Kreta und Sparta sich gleich von Anfang auf die
Aufführung in den Chören bezog 2. Darnach werden
wir annehmen müssen, daß wenigstens in frühern Zei-
ten eine gewisse musische Ausbildung, innerhalb der
durch die nationale Sitte vorgeschriebnen Schranken,
allen Spartiaten gemein war, und besonders von ih-
nen galt, was der Poet Sokrates sagt 3, daß unter
den Hellenen die Tapfersten auch die schönsten Chöre
feierten; darum nennt auch der Satyrdichter Pratinas
"Spartas Cicade fertig zum Chorestanz" 4. Später
freilich war die Zahl der Bürger Sparta's so ge-
schmolzen, und die Kriege hatten so überhand genom-
men, daß die schönere Seite des Lebens ihnen in den
Schatten treten mußte; und den Spartiaten dieser Zeit
mag Aristoteles mit Recht zwar ein richtiges Urtheil,
aber keine eigne Kunde in der Musik zuschreiben 5. --
Es war aber musische Ausbildung auch insofern bei
den Doriern und den sittenverwandten Arkadern allge-
meiner, als auch das weibliche Geschlecht daran
mit dem männlichen gleichen Antheil nahm, und bald
mit den Männern zusammen, bald für sich, öffentlich
sang und tanzte 6. Auf die Eigenthümlichkeit der

1 Arist. Pol. 8, 6, 6.
2 Platon Ges. 2, 666.
3 Bei Athen. 14, 628 f. Schwgh. frägt, was dies für ein Dichter
Sokr.: ich glaube, es ist eine Stelle aus dem prooimion auf Apol-
lon, das der Weise noch im Gefängniß gearbeitet.
4 Ebd.
14, 633 a.
5 Arist. Pol. 8, 5. vgl. dagegen auch Chamäleon
bei Athen 4, 184 d.
6 Oben S. 261. 265. vgl. noch Hesych:
phonlider, parthenon khoros, Dorieis.

Floͤtenſpielers 1. Wenn nun alſo Alle, freilich mit ver-
ſchiednem Geſchicke, an dieſen Choͤren Theil nehmen
konnten: ſo mußten auch Alle von Kindheit auf dazu
geuͤbt und erzogen ſein; wie wir von der andern Sei-
te wiſſen, daß der geſammte Unterricht in der Muſik
in Kreta und Sparta ſich gleich von Anfang auf die
Auffuͤhrung in den Choͤren bezog 2. Darnach werden
wir annehmen muͤſſen, daß wenigſtens in fruͤhern Zei-
ten eine gewiſſe muſiſche Ausbildung, innerhalb der
durch die nationale Sitte vorgeſchriebnen Schranken,
allen Spartiaten gemein war, und beſonders von ih-
nen galt, was der Poët Sokrates ſagt 3, daß unter
den Hellenen die Tapferſten auch die ſchoͤnſten Choͤre
feierten; darum nennt auch der Satyrdichter Pratinas
„Spartas Cicade fertig zum Chorestanz“ 4. Spaͤter
freilich war die Zahl der Buͤrger Sparta’s ſo ge-
ſchmolzen, und die Kriege hatten ſo uͤberhand genom-
men, daß die ſchoͤnere Seite des Lebens ihnen in den
Schatten treten mußte; und den Spartiaten dieſer Zeit
mag Ariſtoteles mit Recht zwar ein richtiges Urtheil,
aber keine eigne Kunde in der Muſik zuſchreiben 5. —
Es war aber muſiſche Ausbildung auch inſofern bei
den Doriern und den ſittenverwandten Arkadern allge-
meiner, als auch das weibliche Geſchlecht daran
mit dem maͤnnlichen gleichen Antheil nahm, und bald
mit den Maͤnnern zuſammen, bald fuͤr ſich, oͤffentlich
ſang und tanzte 6. Auf die Eigenthuͤmlichkeit der

1 Ariſt. Pol. 8, 6, 6.
2 Platon Geſ. 2, 666.
3 Bei Athen. 14, 628 f. Schwgh. fraͤgt, was dies fuͤr ein Dichter
Sokr.: ich glaube, es iſt eine Stelle aus dem πϱοοίμιον auf Apol-
lon, das der Weiſe noch im Gefaͤngniß gearbeitet.
4 Ebd.
14, 633 a.
5 Ariſt. Pol. 8, 5. vgl. dagegen auch Chamaͤleon
bei Athen 4, 184 d.
6 Oben S. 261. 265. vgl. noch Heſych:
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[329/0335] Floͤtenſpielers 1. Wenn nun alſo Alle, freilich mit ver- ſchiednem Geſchicke, an dieſen Choͤren Theil nehmen konnten: ſo mußten auch Alle von Kindheit auf dazu geuͤbt und erzogen ſein; wie wir von der andern Sei- te wiſſen, daß der geſammte Unterricht in der Muſik in Kreta und Sparta ſich gleich von Anfang auf die Auffuͤhrung in den Choͤren bezog 2. Darnach werden wir annehmen muͤſſen, daß wenigſtens in fruͤhern Zei- ten eine gewiſſe muſiſche Ausbildung, innerhalb der durch die nationale Sitte vorgeſchriebnen Schranken, allen Spartiaten gemein war, und beſonders von ih- nen galt, was der Poët Sokrates ſagt 3, daß unter den Hellenen die Tapferſten auch die ſchoͤnſten Choͤre feierten; darum nennt auch der Satyrdichter Pratinas „Spartas Cicade fertig zum Chorestanz“ 4. Spaͤter freilich war die Zahl der Buͤrger Sparta’s ſo ge- ſchmolzen, und die Kriege hatten ſo uͤberhand genom- men, daß die ſchoͤnere Seite des Lebens ihnen in den Schatten treten mußte; und den Spartiaten dieſer Zeit mag Ariſtoteles mit Recht zwar ein richtiges Urtheil, aber keine eigne Kunde in der Muſik zuſchreiben 5. — Es war aber muſiſche Ausbildung auch inſofern bei den Doriern und den ſittenverwandten Arkadern allge- meiner, als auch das weibliche Geſchlecht daran mit dem maͤnnlichen gleichen Antheil nahm, und bald mit den Maͤnnern zuſammen, bald fuͤr ſich, oͤffentlich ſang und tanzte 6. Auf die Eigenthuͤmlichkeit der 1 Ariſt. Pol. 8, 6, 6. 2 Platon Geſ. 2, 666. 3 Bei Athen. 14, 628 f. Schwgh. fraͤgt, was dies fuͤr ein Dichter Sokr.: ich glaube, es iſt eine Stelle aus dem πϱοοίμιον auf Apol- lon, das der Weiſe noch im Gefaͤngniß gearbeitet. 4 Ebd. 14, 633 a. 5 Ariſt. Pol. 8, 5. vgl. dagegen auch Chamaͤleon bei Athen 4, 184 d. 6 Oben S. 261. 265. vgl. noch Heſych: φονλίδεϱ, παϱϑένων χοϱὸς, Δωϱιεῖς.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/335>, abgerufen am 29.03.2024.