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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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die Spartiaten den Polyhistor Hippias von Elis am
liebsten von den Geschlechtern der Heroen und der
Menschen, den Niederlassungen, die in alter Zeit die
Städte gegründet, und dem Alterthum im Allgemei-
nen reden hörten 1. Wobei wahrzunehmen ist, daß
die Dorier offenbar weit mehr Antheil nahmen an den
Thaten und Begebenheiten der Vorzeit, als der zeiti-
gen Gegenwart, (eine gewisse Vorliebe für den My-
thus äußerte sich auch in ihrer Lyrik,) auch dies im
Gegensatz des Jonischen Stammes, der durch seine
natürliche Anlage, Verfassung und Weltstellung auf
Länder- und Völkerkunde und das bewegte Leben des
Tages gewiesen war. Daher es zwar unter denen
Logographen, die epische Stoffe prosaisch behandelten,
Dorier gab, wie Akusilaos, aber die Zeitgeschichts-
schreiber fast einzig Jonier und Attiker waren 2; denn
Herodot, der früher lange in Samos, dann auf Rei-
sen, als er schrieb in Thurioi lebte, kann kaum mehr
für einen Dorier gelten 3. -- Warum aber auch die

1 Platon Hipp. mai. 285 c. vgl. Plut. Lyk. 23. So wur-
de auch Dikäarchs Politeia Spartiaton jährlich in Sparta im
Ephoreion abgelesen, nach Suid. s. v. Dik. und früher fand Heka-
täos der Milesier dort günstige Aufnahme, Plut. Lak. Ap. p. 199.
2 Dies gilt von frühern Zeiten; denn später finden wir auch un-
ter den Doriern Historiker genug. Als Lakedämonier kommen bei
Athen. Nikokles und Hippasos (vgl. Schweigh. zu Ath. Ind. p.
129.
), bei Plut. u. A. Aristokrates, Pausanias bei Suid., Diophant bei
Fulgentius, sehr häufig Sosibios vor. vgl. Heeren de font. Plut.
p. 24.
sonst Meurs. Misc. Lac. 4, 17. Zweifelhaft ist der Laokra-
tes, o Spart. bei Plut. de mal. Herod. 35. Derkyllos, den
Argeier, nenne ich, weil er im Dialekt seiner Vaterstadt schrieb,
Valck. ad Adon. p. 274. vgl. ad Phoen. Schol. p. 7. adde
Schol. Vratisl. Pind. O. 7, 49.
3 Wenn man nicht seine
Religiösität und eine gewisse kindliche Einfalt, die um so seltsamer
in ihm erscheint, wenn man bedenkt, daß er ziemlich zur selben

die Spartiaten den Polyhiſtor Hippias von Elis am
liebſten von den Geſchlechtern der Heroen und der
Menſchen, den Niederlaſſungen, die in alter Zeit die
Staͤdte gegruͤndet, und dem Alterthum im Allgemei-
nen reden hoͤrten 1. Wobei wahrzunehmen iſt, daß
die Dorier offenbar weit mehr Antheil nahmen an den
Thaten und Begebenheiten der Vorzeit, als der zeiti-
gen Gegenwart, (eine gewiſſe Vorliebe fuͤr den My-
thus aͤußerte ſich auch in ihrer Lyrik,) auch dies im
Gegenſatz des Joniſchen Stammes, der durch ſeine
natuͤrliche Anlage, Verfaſſung und Weltſtellung auf
Laͤnder- und Voͤlkerkunde und das bewegte Leben des
Tages gewieſen war. Daher es zwar unter denen
Logographen, die epiſche Stoffe proſaiſch behandelten,
Dorier gab, wie Akuſilaos, aber die Zeitgeſchichts-
ſchreiber faſt einzig Jonier und Attiker waren 2; denn
Herodot, der fruͤher lange in Samos, dann auf Rei-
ſen, als er ſchrieb in Thurioi lebte, kann kaum mehr
fuͤr einen Dorier gelten 3. — Warum aber auch die

1 Platon Hipp. mai. 285 c. vgl. Plut. Lyk. 23. So wur-
de auch Dikaͤarchs Πολιτεία Σπαϱτιατῶν jaͤhrlich in Sparta im
Ephoreion abgeleſen, nach Suid. s. v. Δικ. und fruͤher fand Heka-
taͤos der Mileſier dort guͤnſtige Aufnahme, Plut. Lak. Ap. p. 199.
2 Dies gilt von fruͤhern Zeiten; denn ſpaͤter finden wir auch un-
ter den Doriern Hiſtoriker genug. Als Lakedaͤmonier kommen bei
Athen. Nikokles und Hippaſos (vgl. Schweigh. zu Ath. Ind. p.
129.
), bei Plut. u. A. Ariſtokrates, Pauſanias bei Suid., Diophant bei
Fulgentius, ſehr haͤufig Soſibios vor. vgl. Heeren de font. Plut.
p. 24.
ſonſt Meurſ. Misc. Lac. 4, 17. Zweifelhaft iſt der Λαοκϱά-
της, ὁ Σπαϱτ. bei Plut. de mal. Herod. 35. Derkyllos, den
Argeier, nenne ich, weil er im Dialekt ſeiner Vaterſtadt ſchrieb,
Valck. ad Adon. p. 274. vgl. ad Phoen. Schol. p. 7. adde
Schol. Vratisl. Pind. O. 7, 49.
3 Wenn man nicht ſeine
Religioͤſitaͤt und eine gewiſſe kindliche Einfalt, die um ſo ſeltſamer
in ihm erſcheint, wenn man bedenkt, daß er ziemlich zur ſelben
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[384/0390] die Spartiaten den Polyhiſtor Hippias von Elis am liebſten von den Geſchlechtern der Heroen und der Menſchen, den Niederlaſſungen, die in alter Zeit die Staͤdte gegruͤndet, und dem Alterthum im Allgemei- nen reden hoͤrten 1. Wobei wahrzunehmen iſt, daß die Dorier offenbar weit mehr Antheil nahmen an den Thaten und Begebenheiten der Vorzeit, als der zeiti- gen Gegenwart, (eine gewiſſe Vorliebe fuͤr den My- thus aͤußerte ſich auch in ihrer Lyrik,) auch dies im Gegenſatz des Joniſchen Stammes, der durch ſeine natuͤrliche Anlage, Verfaſſung und Weltſtellung auf Laͤnder- und Voͤlkerkunde und das bewegte Leben des Tages gewieſen war. Daher es zwar unter denen Logographen, die epiſche Stoffe proſaiſch behandelten, Dorier gab, wie Akuſilaos, aber die Zeitgeſchichts- ſchreiber faſt einzig Jonier und Attiker waren 2; denn Herodot, der fruͤher lange in Samos, dann auf Rei- ſen, als er ſchrieb in Thurioi lebte, kann kaum mehr fuͤr einen Dorier gelten 3. — Warum aber auch die 1 Platon Hipp. mai. 285 c. vgl. Plut. Lyk. 23. So wur- de auch Dikaͤarchs Πολιτεία Σπαϱτιατῶν jaͤhrlich in Sparta im Ephoreion abgeleſen, nach Suid. s. v. Δικ. und fruͤher fand Heka- taͤos der Mileſier dort guͤnſtige Aufnahme, Plut. Lak. Ap. p. 199. 2 Dies gilt von fruͤhern Zeiten; denn ſpaͤter finden wir auch un- ter den Doriern Hiſtoriker genug. Als Lakedaͤmonier kommen bei Athen. Nikokles und Hippaſos (vgl. Schweigh. zu Ath. Ind. p. 129.), bei Plut. u. A. Ariſtokrates, Pauſanias bei Suid., Diophant bei Fulgentius, ſehr haͤufig Soſibios vor. vgl. Heeren de font. Plut. p. 24. ſonſt Meurſ. Misc. Lac. 4, 17. Zweifelhaft iſt der Λαοκϱά- της, ὁ Σπαϱτ. bei Plut. de mal. Herod. 35. Derkyllos, den Argeier, nenne ich, weil er im Dialekt ſeiner Vaterſtadt ſchrieb, Valck. ad Adon. p. 274. vgl. ad Phoen. Schol. p. 7. adde Schol. Vratisl. Pind. O. 7, 49. 3 Wenn man nicht ſeine Religioͤſitaͤt und eine gewiſſe kindliche Einfalt, die um ſo ſeltſamer in ihm erſcheint, wenn man bedenkt, daß er ziemlich zur ſelben

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/390>, abgerufen am 20.04.2024.