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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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Zusiänden jenseits abgelenkt haben; auch war eine ge-
wisse Genüge an dem gegebenen Dasein den Hellenen
und unter diesen vornehmlich den Doriern recht sehr
eigen: obgleich, wie eine solche sich wieder mit der
hohen Lebensverachtung und kaltblütigen Aufopferung
in diesem Volke vertrug, ausnehmend schwer zu erklä-
ren ist, höchstens nur durch die ungemeine Bedeutung,
die auf die Fortdauer mehr als des Namens im Ge-
schlecht und im Ganzen der Gemeine gelegt wurde. --
In Tarent nannte man nach einem alten Orakel die
Todten die Mehreren (tous pleionas) 1; man begrub
sie innerhalb der Mauern, jede Familie hatte bei ihrem
Hause Denksteine mit dem Namen der Hingeschiednen,
wo man ihnen Leichenopfer brachte 2; auch in Sparta
war es ohne Zweifel die ältere Sitte die Todten in der
Stadt und in der Nähe der Tempel zu begraben 3.
Hier wurden nur denen, die in Schlachten gefallen,
Denksteine mit ihren Namen gesetzt 4, so wie manche
andre vorzügliche Ehre ertheilt 5. Das Opfer an
Demeter, am zwölften Tage nach dem Tode, deutet
offenbar die Aufuahme der Seele in der Unterwelt an;
die Argeier opferten am dreißigsten dem Hermes als
Seelenführer 6, denselben Lehren folgend, nach denen

1 Polyb. 8, 30.
2 S. zu Polyb. Athen. 12, 522 f.
3 Plut. Lyk. 27. Inst. Lac. p. 251. Begraben hieß lakonisch
tithemenai, beisetzen, Schol. Cantabr. Il. 23, 83. Ueber die Be-
stattung des Königs oben S. 98. Ob auf das eidolon das Ver-
bot des Agesilaos geht: mete plastan mete mimelan tina poie-
sasthai autou eikona? Plut. Ag. 2. Reg. ap. p. 129. Lac. ap.
p.
191.
4 Plut. a. O. So las Paus. 3, 14, 1. die Namen
der Dreihundert von Thermop. zu Sp., und auf dasselbe Denkmal,
glaub' ich, bezieht sich Herodot 7, 224.
5 Was Aelian V. G.
6, 6. von den Gefallnen sagt, giebt Plut. von allen Todten an.
6 Bd. 2. S. 296. Hier trug man in der Trauer weiße Kleider,
Plut. Qu. Rom. 26.

Zuſiaͤnden jenſeits abgelenkt haben; auch war eine ge-
wiſſe Genuͤge an dem gegebenen Daſein den Hellenen
und unter dieſen vornehmlich den Doriern recht ſehr
eigen: obgleich, wie eine ſolche ſich wieder mit der
hohen Lebensverachtung und kaltbluͤtigen Aufopferung
in dieſem Volke vertrug, ausnehmend ſchwer zu erklaͤ-
ren iſt, hoͤchſtens nur durch die ungemeine Bedeutung,
die auf die Fortdauer mehr als des Namens im Ge-
ſchlecht und im Ganzen der Gemeine gelegt wurde. —
In Tarent nannte man nach einem alten Orakel die
Todten die Mehreren (τοὺς πλείονας) 1; man begrub
ſie innerhalb der Mauern, jede Familie hatte bei ihrem
Hauſe Denkſteine mit dem Namen der Hingeſchiednen,
wo man ihnen Leichenopfer brachte 2; auch in Sparta
war es ohne Zweifel die aͤltere Sitte die Todten in der
Stadt und in der Naͤhe der Tempel zu begraben 3.
Hier wurden nur denen, die in Schlachten gefallen,
Denkſteine mit ihren Namen geſetzt 4, ſo wie manche
andre vorzuͤgliche Ehre ertheilt 5. Das Opfer an
Demeter, am zwoͤlften Tage nach dem Tode, deutet
offenbar die Aufuahme der Seele in der Unterwelt an;
die Argeier opferten am dreißigſten dem Hermes als
Seelenfuͤhrer 6, denſelben Lehren folgend, nach denen

1 Polyb. 8, 30.
2 S. zu Polyb. Athen. 12, 522 f.
3 Plut. Lyk. 27. Inst. Lac. p. 251. Begraben hieß lakoniſch
τιϑήμεναι, beiſetzen, Schol. Cantabr. Il. 23, 83. Ueber die Be-
ſtattung des Koͤnigs oben S. 98. Ob auf das εἴδωλον das Ver-
bot des Ageſilaos geht: μήτε πλαστὰν μήτε μιμηλάν τινα ποιή-
σασϑαι αὑτοῦ εἰκόνα? Plut. Ag. 2. Reg. ap. p. 129. Lac. ap.
p.
191.
4 Plut. a. O. So las Pauſ. 3, 14, 1. die Namen
der Dreihundert von Thermop. zu Sp., und auf daſſelbe Denkmal,
glaub’ ich, bezieht ſich Herodot 7, 224.
5 Was Aelian V. G.
6, 6. von den Gefallnen ſagt, giebt Plut. von allen Todten an.
6 Bd. 2. S. 296. Hier trug man in der Trauer weiße Kleider,
Plut. Qu. Rom. 26.
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[400/0406] Zuſiaͤnden jenſeits abgelenkt haben; auch war eine ge- wiſſe Genuͤge an dem gegebenen Daſein den Hellenen und unter dieſen vornehmlich den Doriern recht ſehr eigen: obgleich, wie eine ſolche ſich wieder mit der hohen Lebensverachtung und kaltbluͤtigen Aufopferung in dieſem Volke vertrug, ausnehmend ſchwer zu erklaͤ- ren iſt, hoͤchſtens nur durch die ungemeine Bedeutung, die auf die Fortdauer mehr als des Namens im Ge- ſchlecht und im Ganzen der Gemeine gelegt wurde. — In Tarent nannte man nach einem alten Orakel die Todten die Mehreren (τοὺς πλείονας) 1; man begrub ſie innerhalb der Mauern, jede Familie hatte bei ihrem Hauſe Denkſteine mit dem Namen der Hingeſchiednen, wo man ihnen Leichenopfer brachte 2; auch in Sparta war es ohne Zweifel die aͤltere Sitte die Todten in der Stadt und in der Naͤhe der Tempel zu begraben 3. Hier wurden nur denen, die in Schlachten gefallen, Denkſteine mit ihren Namen geſetzt 4, ſo wie manche andre vorzuͤgliche Ehre ertheilt 5. Das Opfer an Demeter, am zwoͤlften Tage nach dem Tode, deutet offenbar die Aufuahme der Seele in der Unterwelt an; die Argeier opferten am dreißigſten dem Hermes als Seelenfuͤhrer 6, denſelben Lehren folgend, nach denen 1 Polyb. 8, 30. 2 S. zu Polyb. Athen. 12, 522 f. 3 Plut. Lyk. 27. Inst. Lac. p. 251. Begraben hieß lakoniſch τιϑήμεναι, beiſetzen, Schol. Cantabr. Il. 23, 83. Ueber die Be- ſtattung des Koͤnigs oben S. 98. Ob auf das εἴδωλον das Ver- bot des Ageſilaos geht: μήτε πλαστὰν μήτε μιμηλάν τινα ποιή- σασϑαι αὑτοῦ εἰκόνα? Plut. Ag. 2. Reg. ap. p. 129. Lac. ap. p. 191. 4 Plut. a. O. So las Pauſ. 3, 14, 1. die Namen der Dreihundert von Thermop. zu Sp., und auf daſſelbe Denkmal, glaub’ ich, bezieht ſich Herodot 7, 224. 5 Was Aelian V. G. 6, 6. von den Gefallnen ſagt, giebt Plut. von allen Todten an. 6 Bd. 2. S. 296. Hier trug man in der Trauer weiße Kleider, Plut. Qu. Rom. 26.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/406>, abgerufen am 19.04.2024.