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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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wenn sie, wie häufig der Fall, circumflektirt waren,
als der durch ein Ditonum getrennte Ton im enhar-
monisch gespannten Tetrachord, das man in der Musik
zur Dorischen Tonart liebte, wie besonders Klem. Alex.
6. p. 658. bezeugt, vgl. oben S. 323. Sonst wird
der Doris durchaus ein männlicher Charakter bei-
gelegt (Arist. Quintil. de mus. 2. p. 93); wie sie zum
Feierlichen und Naiven besonders geeignet, zeigen die
Litteraturdenkmale.

4.

Die Eigenthümlichkeiten des Dorischen Dia-
lekts im Einzelnen nachzuweisen, kann uns hier nicht
als Aufgabe gestellt werden; der billige Leser wird die
wenigen folgenden Bemerkungen als freie Zugabe hin-
nehmen; auch sollen sie ja nicht die feinen Nüancen des
Litteraturdialekts, sondern nur die markirten Züge der
Volksmundart hervorheben. Der häufige Gebrauch
des A war zum Theil freilich in der Ursprache gege-
ben, und in den meisten Fällen war das E eine erst
in der Ias entstandne Inflexion, die sich hierin zum
Altgriechischen ungefähr so verhielt wie das Englische
zum Deutschen; oft aber ging der plateiasmos der
Dorier auch über die Gränzen der alten Sprache hin-
aus, wie man aus dem Lateinischen erkennt. So sind
phagos, fagus, phama, fama, malon, malum, arkhas,
terras (Gen.), karux, (caduceus,) und dgl. offenbar
die alten reinen Formen; dagegen der Umlaut von
A in E im Augmentum temporale schon in dem älte-
sten Griechisch existirte, wie aus ago, egi, egon, capio
cepi
und dgl. erhellt; der Dorische Dialekt setzte aber
auch hier das A an die Stelle des E. Ich weiß nicht
ob man bemerkt hat, daß mit dieser Erscheinung eine
andre zusammenfällt und im Grunde eins ist, nämlich
der häufige Gebrauch von A für E, besonders in En-
cliticis, wie ka für ke oder an, was bei allen Doriern
galt, eben so ga für ge (eminga Sophron, egonga der
Megarer bei Aristoph.), ka für das correlative te in
toka, poka, oka bei Sophren, Theokrit u. Aa., welchem
tha in prostha, exupistha Alkman, emprostha, anotha
tab. Heracl. vgl. Apollon. de adverb. p. 563. entspricht;

wenn ſie, wie haͤufig der Fall, circumflektirt waren,
als der durch ein Ditonum getrennte Ton im enhar-
moniſch geſpannten Tetrachord, das man in der Muſik
zur Doriſchen Tonart liebte, wie beſonders Klem. Alex.
6. p. 658. bezeugt, vgl. oben S. 323. Sonſt wird
der Doris durchaus ein maͤnnlicher Charakter bei-
gelegt (Ariſt. Quintil. de mus. 2. p. 93); wie ſie zum
Feierlichen und Naiven beſonders geeignet, zeigen die
Litteraturdenkmale.

4.

Die Eigenthuͤmlichkeiten des Doriſchen Dia-
lekts im Einzelnen nachzuweiſen, kann uns hier nicht
als Aufgabe geſtellt werden; der billige Leſer wird die
wenigen folgenden Bemerkungen als freie Zugabe hin-
nehmen; auch ſollen ſie ja nicht die feinen Nuͤancen des
Litteraturdialekts, ſondern nur die markirten Zuͤge der
Volksmundart hervorheben. Der haͤufige Gebrauch
des Α war zum Theil freilich in der Urſprache gege-
ben, und in den meiſten Faͤllen war das Η eine erſt
in der Ἰὰς entſtandne Inflexion, die ſich hierin zum
Altgriechiſchen ungefaͤhr ſo verhielt wie das Engliſche
zum Deutſchen; oft aber ging der πλατειασμὸς der
Dorier auch uͤber die Graͤnzen der alten Sprache hin-
aus, wie man aus dem Lateiniſchen erkennt. So ſind
φαγὸς, fagus, φάμα, fama, μᾶλον, malum, ἀρχᾶς,
terras (Gen.), κᾶρυξ, (caduceus,) und dgl. offenbar
die alten reinen Formen; dagegen der Umlaut von
Α in Η im Augmentum temporale ſchon in dem aͤlte-
ſten Griechiſch exiſtirte, wie aus ago, egi, ἦγον, capio
cepi
und dgl. erhellt; der Doriſche Dialekt ſetzte aber
auch hier das Α an die Stelle des Η. Ich weiß nicht
ob man bemerkt hat, daß mit dieſer Erſcheinung eine
andre zuſammenfaͤllt und im Grunde eins iſt, naͤmlich
der haͤufige Gebrauch von Ᾰ fuͤr Ε, beſonders in En-
cliticis, wie κα fuͤr κε oder ἂν, was bei allen Doriern
galt, eben ſo γα fuͤr γε (ἐμίνγα Sophron, ἔγωνγα der
Megarer bei Ariſtoph.), κα fuͤr das correlative τε in
τόκα, πόκα, ὅκα bei Sophren, Theokrit u. Aa., welchem
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tab. Heracl. vgl. Apollon. de adverb. p. 563. entſpricht;

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[516/0522] wenn ſie, wie haͤufig der Fall, circumflektirt waren, als der durch ein Ditonum getrennte Ton im enhar- moniſch geſpannten Tetrachord, das man in der Muſik zur Doriſchen Tonart liebte, wie beſonders Klem. Alex. 6. p. 658. bezeugt, vgl. oben S. 323. Sonſt wird der Doris durchaus ein maͤnnlicher Charakter bei- gelegt (Ariſt. Quintil. de mus. 2. p. 93); wie ſie zum Feierlichen und Naiven beſonders geeignet, zeigen die Litteraturdenkmale. 4. Die Eigenthuͤmlichkeiten des Doriſchen Dia- lekts im Einzelnen nachzuweiſen, kann uns hier nicht als Aufgabe geſtellt werden; der billige Leſer wird die wenigen folgenden Bemerkungen als freie Zugabe hin- nehmen; auch ſollen ſie ja nicht die feinen Nuͤancen des Litteraturdialekts, ſondern nur die markirten Zuͤge der Volksmundart hervorheben. Der haͤufige Gebrauch des Α war zum Theil freilich in der Urſprache gege- ben, und in den meiſten Faͤllen war das Η eine erſt in der Ἰὰς entſtandne Inflexion, die ſich hierin zum Altgriechiſchen ungefaͤhr ſo verhielt wie das Engliſche zum Deutſchen; oft aber ging der πλατειασμὸς der Dorier auch uͤber die Graͤnzen der alten Sprache hin- aus, wie man aus dem Lateiniſchen erkennt. So ſind φαγὸς, fagus, φάμα, fama, μᾶλον, malum, ἀρχᾶς, terras (Gen.), κᾶρυξ, (caduceus,) und dgl. offenbar die alten reinen Formen; dagegen der Umlaut von Α in Η im Augmentum temporale ſchon in dem aͤlte- ſten Griechiſch exiſtirte, wie aus ago, egi, ἦγον, capio cepi und dgl. erhellt; der Doriſche Dialekt ſetzte aber auch hier das Α an die Stelle des Η. Ich weiß nicht ob man bemerkt hat, daß mit dieſer Erſcheinung eine andre zuſammenfaͤllt und im Grunde eins iſt, naͤmlich der haͤufige Gebrauch von Ᾰ fuͤr Ε, beſonders in En- cliticis, wie κα fuͤr κε oder ἂν, was bei allen Doriern galt, eben ſo γα fuͤr γε (ἐμίνγα Sophron, ἔγωνγα der Megarer bei Ariſtoph.), κα fuͤr das correlative τε in τόκα, πόκα, ὅκα bei Sophren, Theokrit u. Aa., welchem ϑα in πρόσϑα, ἐξύπισϑα Alkman, ἒμπροσϑα, ἄνωϑα tab. Heracl. vgl. Apollon. de adverb. p. 563. entſpricht;

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 516. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/522>, abgerufen am 29.03.2024.