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Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.

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Systematischer Theil.
Fiorillo Kleine Schriften artist. Inhalts i. S. 252. Der Schädel
Kosackenähnlich nach Blumenbachs Bemerkung (Spec. histor.
natur. p.
12.); die Figur von gemeinem Gliederbau und Aus-
druck, den auch Philostr. d. j. 2. gut beschreibt. Der sieges-
stolze Ap. dieser Gruppe bleibt noch nachzuweisen, da die Gruppe
in Dresden (Le Plat 65. August. ii. S. 89.) sehr zusammen-
gesetzt ist.

Von einem 1790 bei Tivoli gefundnen Ap. u. Hyakinth,
mit Discus, Effem. Rom. 1823 Mai. Schorns Kunstbl. 1824.
N. 23. A. bei Admet u. Alkestis, unten: Heroenmythus.


6. Artemis.

1363. Das Wesen der Artemis hat, wie das ihres
Bruders Apollon, zwei Seiten, indem sie bald mehr als
eine kämpfende, erlegende Gottheit gedacht wird, welche
Thätigkeit indeß in der gewöhnlichen Auffassung immer
mehr auf das Geschäft der Jagd beschränkt wurde; bald
mehr als eine Leben gebende und Licht bringende Göt-
tin (Vorstellungen, die in Griechischer Symbolik sehr eng
zusammenhängen), als eine Spenderin von frischem, blü-
hendem Naturleben für Vieh und Menschen erscheint: auf
welche Grundvorstellung schon der Name der Göttin hin-
2deutet. Die Kunst legte ihren Bildungen die Vorstel-
lung jugendlicher Kräftigkeit und Lebensfrische zum Grunde.
3In dem ältern Style, wo Artemis durchgängig lang und
zierlich bekleidet (in stola) erscheint, geht das Streben
besonders dahin, auch durch das Gewand die vollen, blü-
henden und kräftigen Formen hindurchscheinen zu lassen.
4Später, als Skopas, Praxiteles, Timotheos und Andre
das Ideal ausgebildet hatten, wird Artemis, wie Apol-
lon, schlank und leichtfüßig gebildet, Hüften und Brust
ohne weibliche Fülle; die noch unentwickelten Formen
beider Geschlechter vor der Pubescenz erscheinen hier gleich-
sam festgehalten und zu einer mächtigen Größe ausge-
5bildet. Das Gesicht ist das des Apollon, nur von

Syſtematiſcher Theil.
Fiorillo Kleine Schriften artiſt. Inhalts i. S. 252. Der Schädel
Koſackenähnlich nach Blumenbachs Bemerkung (Spec. histor.
natur. p.
12.); die Figur von gemeinem Gliederbau und Aus-
druck, den auch Philoſtr. d. j. 2. gut beſchreibt. Der ſieges-
ſtolze Ap. dieſer Gruppe bleibt noch nachzuweiſen, da die Gruppe
in Dresden (Le Plat 65. Auguſt. ii. S. 89.) ſehr zuſammen-
geſetzt iſt.

Von einem 1790 bei Tivoli gefundnen Ap. u. Hyakinth,
mit Diſcus, Effem. Rom. 1823 Mai. Schorns Kunſtbl. 1824.
N. 23. A. bei Admet u. Alkeſtis, unten: Heroenmythus.


6. Artemis.

1363. Das Weſen der Artemis hat, wie das ihres
Bruders Apollon, zwei Seiten, indem ſie bald mehr als
eine kaͤmpfende, erlegende Gottheit gedacht wird, welche
Thaͤtigkeit indeß in der gewoͤhnlichen Auffaſſung immer
mehr auf das Geſchaͤft der Jagd beſchraͤnkt wurde; bald
mehr als eine Leben gebende und Licht bringende Goͤt-
tin (Vorſtellungen, die in Griechiſcher Symbolik ſehr eng
zuſammenhaͤngen), als eine Spenderin von friſchem, bluͤ-
hendem Naturleben fuͤr Vieh und Menſchen erſcheint: auf
welche Grundvorſtellung ſchon der Name der Goͤttin hin-
2deutet. Die Kunſt legte ihren Bildungen die Vorſtel-
lung jugendlicher Kraͤftigkeit und Lebensfriſche zum Grunde.
3In dem aͤltern Style, wo Artemis durchgaͤngig lang und
zierlich bekleidet (in stola) erſcheint, geht das Streben
beſonders dahin, auch durch das Gewand die vollen, bluͤ-
henden und kraͤftigen Formen hindurchſcheinen zu laſſen.
4Spaͤter, als Skopas, Praxiteles, Timotheos und Andre
das Ideal ausgebildet hatten, wird Artemis, wie Apol-
lon, ſchlank und leichtfuͤßig gebildet, Huͤften und Bruſt
ohne weibliche Fuͤlle; die noch unentwickelten Formen
beider Geſchlechter vor der Pubeſcenz erſcheinen hier gleich-
ſam feſtgehalten und zu einer maͤchtigen Groͤße ausge-
5bildet. Das Geſicht iſt das des Apollon, nur von

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[472/0494] Syſtematiſcher Theil. Fiorillo Kleine Schriften artiſt. Inhalts i. S. 252. Der Schädel Koſackenähnlich nach Blumenbachs Bemerkung (Spec. histor. natur. p. 12.); die Figur von gemeinem Gliederbau und Aus- druck, den auch Philoſtr. d. j. 2. gut beſchreibt. Der ſieges- ſtolze Ap. dieſer Gruppe bleibt noch nachzuweiſen, da die Gruppe in Dresden (Le Plat 65. Auguſt. ii. S. 89.) ſehr zuſammen- geſetzt iſt. Von einem 1790 bei Tivoli gefundnen Ap. u. Hyakinth, mit Diſcus, Effem. Rom. 1823 Mai. Schorns Kunſtbl. 1824. N. 23. A. bei Admet u. Alkeſtis, unten: Heroenmythus. 6. Artemis. 363. Das Weſen der Artemis hat, wie das ihres Bruders Apollon, zwei Seiten, indem ſie bald mehr als eine kaͤmpfende, erlegende Gottheit gedacht wird, welche Thaͤtigkeit indeß in der gewoͤhnlichen Auffaſſung immer mehr auf das Geſchaͤft der Jagd beſchraͤnkt wurde; bald mehr als eine Leben gebende und Licht bringende Goͤt- tin (Vorſtellungen, die in Griechiſcher Symbolik ſehr eng zuſammenhaͤngen), als eine Spenderin von friſchem, bluͤ- hendem Naturleben fuͤr Vieh und Menſchen erſcheint: auf welche Grundvorſtellung ſchon der Name der Goͤttin hin- deutet. Die Kunſt legte ihren Bildungen die Vorſtel- lung jugendlicher Kraͤftigkeit und Lebensfriſche zum Grunde. In dem aͤltern Style, wo Artemis durchgaͤngig lang und zierlich bekleidet (in stola) erſcheint, geht das Streben beſonders dahin, auch durch das Gewand die vollen, bluͤ- henden und kraͤftigen Formen hindurchſcheinen zu laſſen. Spaͤter, als Skopas, Praxiteles, Timotheos und Andre das Ideal ausgebildet hatten, wird Artemis, wie Apol- lon, ſchlank und leichtfuͤßig gebildet, Huͤften und Bruſt ohne weibliche Fuͤlle; die noch unentwickelten Formen beider Geſchlechter vor der Pubeſcenz erſcheinen hier gleich- ſam feſtgehalten und zu einer maͤchtigen Groͤße ausge- bildet. Das Geſicht iſt das des Apollon, nur von 1 2 3 4 5

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/494>, abgerufen am 29.03.2024.