Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

Historischer Theil.
mit Fußböden aus Steinmosaik, welche den ganzen Mythus von
Ilion enthalten.

1153. Indeß versteht sich, daß auch die Tempel-
baukunst
in einer so baulustigen Zeit, welche noch da-
zu mit Freigebigkeit gegen die Götter prunkte, keines-
2wegs vernachlässigt wurde. Die Korinthische Ordnung
wurde dabei immer mehr die gewöhnliche, und gelangte
zu den festen und gewählten Formen, welche hernach die
3Römischen Baukünstler festhielten. Aber von allen Bau-
werken der Zeit ist uns, wie zur Strafe ihres frevelhaf-
ten und selbstsüchtigen Hochmuths, fast Nichts erhalten
4worden; nur Athen, welches jetzt wenig durch eigne An-
strengung leistet, aber von fremden Monarchen wetteifernd
geschmückt wird, hat noch einiges davon erhalten.

1. Vgl. §. 144. Anm. 3. Der T. des Bel u. der Atergatis
(jetzt Zeus u. Hera) zu Hierapolis (Bambyke) gebaut von der
Stratonike (g. 120.), das Vorbild von Palmyra. Ueber den Naos
erhob sich der Thalamos (das Chor); Wände und Decke ganz ver-
goldet. Lukian de dea Syria.

Wahrscheinlich gehört dieser Zeit, was sich in Kyzikos Gro-
ßes fand, namentlich der Tempel, nach Dio Cass. lxx, 4.
der größte u. schönste aller, o tetraorguioi men pakhos oi kio-
nes esan, upsos de pentekonta pekheon, ekastos petras
mias. Ich glaube, daß dies der T. des Zeus war, von dessen
Pracht, namentlich den Goldfäden zwischen den Marmorquadern Plin.
xxxvi, 22. Den Tempel der Apollonis in Kyzikos baute
Attalos II, einer von ihren vier Söhnen, nach Ol. 155, 3. Un-
ten §. 156. Sonst von Kyzikos Anlage (es hatte Aehnlichkeit
mit Rhodos, Massalia u. Karthago) Plin. a. O. Strab. xii.
p. 575. xiv. p.
653.

T. des Olymp. Zeus in Syrakus von Hieron II. gebaut.
Diodor xvi, 83. vgl. Cic. Verr. iv, 53.

3. Die Dorische Ruine in Halikarnass (Choiseul Gouff. T. i.
pl. 99 sq.),
wohl aus der Zeit nach Mausolos, zeigt die Gattung
in ihrem Verfall; sie wird charakterlos.

4. In Athen bauen die Könige (Gymnasion des Ptol. II,
Porticus Eumenica,
Attalou stoa, ein Odeion der Ptole-
mäer, ?), vor allen Antiochos Epiphanes, welcher den T. des Zeus

Hiſtoriſcher Theil.
mit Fußböden aus Steinmoſaik, welche den ganzen Mythus von
Ilion enthalten.

1153. Indeß verſteht ſich, daß auch die Tempel-
baukunſt
in einer ſo bauluſtigen Zeit, welche noch da-
zu mit Freigebigkeit gegen die Goͤtter prunkte, keines-
2wegs vernachlaͤſſigt wurde. Die Korinthiſche Ordnung
wurde dabei immer mehr die gewoͤhnliche, und gelangte
zu den feſten und gewaͤhlten Formen, welche hernach die
3Roͤmiſchen Baukuͤnſtler feſthielten. Aber von allen Bau-
werken der Zeit iſt uns, wie zur Strafe ihres frevelhaf-
ten und ſelbſtſuͤchtigen Hochmuths, faſt Nichts erhalten
4worden; nur Athen, welches jetzt wenig durch eigne An-
ſtrengung leiſtet, aber von fremden Monarchen wetteifernd
geſchmuͤckt wird, hat noch einiges davon erhalten.

1. Vgl. §. 144. Anm. 3. Der T. des Bel u. der Atergatis
(jetzt Zeus u. Hera) zu Hierapolis (Bambyke) gebaut von der
Stratonike (g. 120.), das Vorbild von Palmyra. Ueber den Naos
erhob ſich der Thalamos (das Chor); Wände und Decke ganz ver-
goldet. Lukian de dea Syria.

Wahrſcheinlich gehört dieſer Zeit, was ſich in Kyzikos Gro-
ßes fand, namentlich der Tempel, nach Dio Caſſ. lxx, 4.
der größte u. ſchönſte aller, ᾧ τετραόργυιοι μὲν πάχος οἱ κίο-
νες ἦσαν, ὕψος δὲ πεντήκοντα πηχέων, ἕκαστος πέτρας
μιᾶς. Ich glaube, daß dies der T. des Zeus war, von deſſen
Pracht, namentlich den Goldfäden zwiſchen den Marmorquadern Plin.
xxxvi, 22. Den Tempel der Apollonis in Kyzikos baute
Attalos II, einer von ihren vier Söhnen, nach Ol. 155, 3. Un-
ten §. 156. Sonſt von Kyzikos Anlage (es hatte Aehnlichkeit
mit Rhodos, Maſſalia u. Karthago) Plin. a. O. Strab. xii.
p. 575. xiv. p.
653.

T. des Olymp. Zeus in Syrakus von Hieron II. gebaut.
Diodor xvi, 83. vgl. Cic. Verr. iv, 53.

3. Die Doriſche Ruine in Halikarnaſſ (Choiſeul Gouff. T. i.
pl. 99 sq.),
wohl aus der Zeit nach Mauſolos, zeigt die Gattung
in ihrem Verfall; ſie wird charakterlos.

4. In Athen bauen die Könige (Gymnaſion des Ptol. II,
Porticus Eumenica,
Ἀττάλου στοά, ein Odeion der Ptole-
mäer, ?), vor allen Antiochos Epiphanes, welcher den T. des Zeus

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0156" n="134"/><fw place="top" type="header">Hi&#x017F;tori&#x017F;cher Theil.</fw><lb/>
mit Fußböden aus Steinmo&#x017F;aik, welche den ganzen Mythus von<lb/>
Ilion enthalten.</p><lb/>
            <p><note place="left">1</note>153. Indeß ver&#x017F;teht &#x017F;ich, daß auch die <hi rendition="#g">Tempel-<lb/>
baukun&#x017F;t</hi> in einer &#x017F;o baulu&#x017F;tigen Zeit, welche noch da-<lb/>
zu mit Freigebigkeit gegen die Go&#x0364;tter prunkte, keines-<lb/><note place="left">2</note>wegs vernachla&#x0364;&#x017F;&#x017F;igt wurde. Die Korinthi&#x017F;che Ordnung<lb/>
wurde dabei immer mehr die gewo&#x0364;hnliche, und gelangte<lb/>
zu den fe&#x017F;ten und gewa&#x0364;hlten Formen, welche hernach die<lb/><note place="left">3</note>Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Bauku&#x0364;n&#x017F;tler fe&#x017F;thielten. Aber von allen Bau-<lb/>
werken der Zeit i&#x017F;t uns, wie zur Strafe ihres frevelhaf-<lb/>
ten und &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;u&#x0364;chtigen Hochmuths, fa&#x017F;t Nichts erhalten<lb/><note place="left">4</note>worden; nur Athen, welches jetzt wenig durch eigne An-<lb/>
&#x017F;trengung lei&#x017F;tet, aber von fremden Monarchen wetteifernd<lb/>
ge&#x017F;chmu&#x0364;ckt wird, hat noch einiges davon erhalten.</p><lb/>
            <p>1. Vgl. §. 144. Anm. 3. Der T. des Bel u. der Atergatis<lb/>
(jetzt Zeus u. Hera) zu <hi rendition="#g">Hierapolis</hi> (Bambyke) gebaut von der<lb/>
Stratonike (g. 120.), das Vorbild von Palmyra. Ueber den Naos<lb/>
erhob &#x017F;ich der Thalamos (das Chor); Wände und Decke ganz ver-<lb/>
goldet. Lukian <hi rendition="#aq">de dea Syria.</hi></p><lb/>
            <p>Wahr&#x017F;cheinlich gehört die&#x017F;er Zeit, was &#x017F;ich in <hi rendition="#g">Kyzikos</hi> Gro-<lb/>
ßes fand, namentlich der Tempel, nach Dio Ca&#x017F;&#x017F;. <hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">lxx,</hi></hi> 4.<lb/>
der größte u. &#x017F;chön&#x017F;te aller, &#x1FA7; &#x03C4;&#x03B5;&#x03C4;&#x03C1;&#x03B1;&#x03CC;&#x03C1;&#x03B3;&#x03C5;&#x03B9;&#x03BF;&#x03B9; &#x03BC;&#x1F72;&#x03BD; &#x03C0;&#x03AC;&#x03C7;&#x03BF;&#x03C2; &#x03BF;&#x1F31; &#x03BA;&#x03AF;&#x03BF;-<lb/>
&#x03BD;&#x03B5;&#x03C2; &#x1F26;&#x03C3;&#x03B1;&#x03BD;, &#x1F55;&#x03C8;&#x03BF;&#x03C2; &#x03B4;&#x1F72; &#x03C0;&#x03B5;&#x03BD;&#x03C4;&#x03AE;&#x03BA;&#x03BF;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B1; &#x03C0;&#x03B7;&#x03C7;&#x03AD;&#x03C9;&#x03BD;, &#x1F15;&#x03BA;&#x03B1;&#x03C3;&#x03C4;&#x03BF;&#x03C2; &#x03C0;&#x03AD;&#x03C4;&#x03C1;&#x03B1;&#x03C2;<lb/>
&#x03BC;&#x03B9;&#x1FB6;&#x03C2;. Ich glaube, daß dies der T. des Zeus war, von de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Pracht, namentlich den Goldfäden zwi&#x017F;chen den Marmorquadern Plin.<lb/><hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">xxxvi,</hi></hi> 22. Den Tempel der Apollonis in Kyzikos baute<lb/>
Attalos <hi rendition="#aq">II,</hi> einer von ihren vier Söhnen, nach Ol. 155, 3. Un-<lb/>
ten §. 156. Son&#x017F;t von Kyzikos Anlage (es hatte Aehnlichkeit<lb/>
mit Rhodos, Ma&#x017F;&#x017F;alia u. Karthago) Plin. a. O. Strab. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">xii</hi>.<lb/>
p. 575. <hi rendition="#k">xiv</hi>. p.</hi> 653.</p><lb/>
            <p>T. des Olymp. Zeus in Syrakus von Hieron <hi rendition="#aq">II.</hi> gebaut.<lb/>
Diodor <hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">xvi,</hi></hi> 83. vgl. <hi rendition="#aq">Cic. Verr. <hi rendition="#k">iv</hi>,</hi> 53.</p><lb/>
            <p>3. Die <hi rendition="#g">Dori&#x017F;che</hi> Ruine in Halikarna&#x017F;&#x017F; (Choi&#x017F;eul Gouff. <hi rendition="#aq">T. <hi rendition="#k">i</hi>.<lb/>
pl. 99 sq.),</hi> wohl aus der Zeit nach Mau&#x017F;olos, zeigt die Gattung<lb/>
in ihrem Verfall; &#x017F;ie wird charakterlos.</p><lb/>
            <p>4. In Athen bauen die Könige (Gymna&#x017F;ion des Ptol. <hi rendition="#aq">II,<lb/>
Porticus Eumenica,</hi> &#x1F08;&#x03C4;&#x03C4;&#x03AC;&#x03BB;&#x03BF;&#x03C5; &#x03C3;&#x03C4;&#x03BF;&#x03AC;, ein Odeion der Ptole-<lb/>
mäer, ?), vor allen Antiochos Epiphanes, welcher den T. des Zeus<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[134/0156] Hiſtoriſcher Theil. mit Fußböden aus Steinmoſaik, welche den ganzen Mythus von Ilion enthalten. 153. Indeß verſteht ſich, daß auch die Tempel- baukunſt in einer ſo bauluſtigen Zeit, welche noch da- zu mit Freigebigkeit gegen die Goͤtter prunkte, keines- wegs vernachlaͤſſigt wurde. Die Korinthiſche Ordnung wurde dabei immer mehr die gewoͤhnliche, und gelangte zu den feſten und gewaͤhlten Formen, welche hernach die Roͤmiſchen Baukuͤnſtler feſthielten. Aber von allen Bau- werken der Zeit iſt uns, wie zur Strafe ihres frevelhaf- ten und ſelbſtſuͤchtigen Hochmuths, faſt Nichts erhalten worden; nur Athen, welches jetzt wenig durch eigne An- ſtrengung leiſtet, aber von fremden Monarchen wetteifernd geſchmuͤckt wird, hat noch einiges davon erhalten. 1 2 3 4 1. Vgl. §. 144. Anm. 3. Der T. des Bel u. der Atergatis (jetzt Zeus u. Hera) zu Hierapolis (Bambyke) gebaut von der Stratonike (g. 120.), das Vorbild von Palmyra. Ueber den Naos erhob ſich der Thalamos (das Chor); Wände und Decke ganz ver- goldet. Lukian de dea Syria. Wahrſcheinlich gehört dieſer Zeit, was ſich in Kyzikos Gro- ßes fand, namentlich der Tempel, nach Dio Caſſ. lxx, 4. der größte u. ſchönſte aller, ᾧ τετραόργυιοι μὲν πάχος οἱ κίο- νες ἦσαν, ὕψος δὲ πεντήκοντα πηχέων, ἕκαστος πέτρας μιᾶς. Ich glaube, daß dies der T. des Zeus war, von deſſen Pracht, namentlich den Goldfäden zwiſchen den Marmorquadern Plin. xxxvi, 22. Den Tempel der Apollonis in Kyzikos baute Attalos II, einer von ihren vier Söhnen, nach Ol. 155, 3. Un- ten §. 156. Sonſt von Kyzikos Anlage (es hatte Aehnlichkeit mit Rhodos, Maſſalia u. Karthago) Plin. a. O. Strab. xii. p. 575. xiv. p. 653. T. des Olymp. Zeus in Syrakus von Hieron II. gebaut. Diodor xvi, 83. vgl. Cic. Verr. iv, 53. 3. Die Doriſche Ruine in Halikarnaſſ (Choiſeul Gouff. T. i. pl. 99 sq.), wohl aus der Zeit nach Mauſolos, zeigt die Gattung in ihrem Verfall; ſie wird charakterlos. 4. In Athen bauen die Könige (Gymnaſion des Ptol. II, Porticus Eumenica, Ἀττάλου στοά, ein Odeion der Ptole- mäer, ?), vor allen Antiochos Epiphanes, welcher den T. des Zeus

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/156
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/156>, abgerufen am 20.04.2024.