Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

Historischer Theil.
rakter, und der Zusammenhang mit den Holzbildern der
frühern Zeit hemmt in vielen Stücken das Streben nach
Natur und Wahrheit.

1. Ueber das Naturstudium als Basis der Entwickelung der
eigentlichen Kunst Schorn Studien der Griech. Künstler p. 174.,
welcher mit Recht hier die Gränze zwischen Kunst und Handwerk
zieht.

2. Der Delphische Tempel war noch Theopomp, Athen. vi.
p.
231., ehemals nur mit ehernen Weihgeschenken geschmückt, nicht
Bildsäulen, sondern Kesseln und Dreifüßen von Erz.

79. Dessenungeachtet ist es diese Periode, in welcher
die Kunst, wenn man mehr auf das innere Walten des
Kunstgeistes als auf die einzelnen Erscheinungen, welche
sichtlich hervortreten, sieht, am mächtigsten erscheint und
das Größte leistet. Die scharfe Ausprägung idealer
Charaktere, dieser Hauptvorzug der Griechischen Kunst
vor jeder andern, wird hauptsächlich dieser Periode ver-
dankt, und wurde von ihr mit desto größerer Sicherheit
erreicht, je mehr der Ausdruck vorübergehender Bewe-
gungen ihr noch entfernt lag (vgl. §. 27). Die Götter
und Heroen werden nun eben so bestimmte plastische Ge-
stalten, wie sie vorher poetische Individuen gewesen wa-
ren, und die nächste Periode konnte, auch wo sie den
Forderungen ihres Geistes gemäß umbildete, doch überall
schon entwickelte Formen zum Grunde legen.


2. Architektonik.

80. Die Tempelbaukunst hat in dieser Periode durch
die außerordentlichsten Anstrengungen der Griechischen Staa-
ten Gebäude ausgeführt, welche nie eigentlich übertroffen
worden sind, und beide Style, den Dorischen und Joni-
schen, ihrer eigenthümlichen Bestimmung gemäß zur höch-
sten Großartigkeit und großer Eleganz ausgebildet.

Hiſtoriſcher Theil.
rakter, und der Zuſammenhang mit den Holzbildern der
fruͤhern Zeit hemmt in vielen Stuͤcken das Streben nach
Natur und Wahrheit.

1. Ueber das Naturſtudium als Baſis der Entwickelung der
eigentlichen Kunſt Schorn Studien der Griech. Künſtler p. 174.,
welcher mit Recht hier die Gränze zwiſchen Kunſt und Handwerk
zieht.

2. Der Delphiſche Tempel war noch Theopomp, Athen. vi.
p.
231., ehemals nur mit ehernen Weihgeſchenken geſchmückt, nicht
Bildſäulen, ſondern Keſſeln und Dreifüßen von Erz.

79. Deſſenungeachtet iſt es dieſe Periode, in welcher
die Kunſt, wenn man mehr auf das innere Walten des
Kunſtgeiſtes als auf die einzelnen Erſcheinungen, welche
ſichtlich hervortreten, ſieht, am maͤchtigſten erſcheint und
das Groͤßte leiſtet. Die ſcharfe Auspraͤgung idealer
Charaktere, dieſer Hauptvorzug der Griechiſchen Kunſt
vor jeder andern, wird hauptſaͤchlich dieſer Periode ver-
dankt, und wurde von ihr mit deſto groͤßerer Sicherheit
erreicht, je mehr der Ausdruck voruͤbergehender Bewe-
gungen ihr noch entfernt lag (vgl. §. 27). Die Goͤtter
und Heroen werden nun eben ſo beſtimmte plaſtiſche Ge-
ſtalten, wie ſie vorher poetiſche Individuen geweſen wa-
ren, und die naͤchſte Periode konnte, auch wo ſie den
Forderungen ihres Geiſtes gemaͤß umbildete, doch uͤberall
ſchon entwickelte Formen zum Grunde legen.


2. Architektonik.

80. Die Tempelbaukunſt hat in dieſer Periode durch
die außerordentlichſten Anſtrengungen der Griechiſchen Staa-
ten Gebaͤude ausgefuͤhrt, welche nie eigentlich uͤbertroffen
worden ſind, und beide Style, den Doriſchen und Joni-
ſchen, ihrer eigenthuͤmlichen Beſtimmung gemaͤß zur hoͤch-
ſten Großartigkeit und großer Eleganz ausgebildet.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0076" n="54"/><fw place="top" type="header">Hi&#x017F;tori&#x017F;cher Theil.</fw><lb/>
rakter, und der Zu&#x017F;ammenhang mit den Holzbildern der<lb/>
fru&#x0364;hern Zeit hemmt in vielen Stu&#x0364;cken das Streben nach<lb/>
Natur und Wahrheit.</p><lb/>
            <p>1. Ueber das Natur&#x017F;tudium als Ba&#x017F;is der Entwickelung der<lb/>
eigentlichen Kun&#x017F;t Schorn Studien der Griech. Kün&#x017F;tler <hi rendition="#aq">p.</hi> 174.,<lb/>
welcher mit Recht hier die Gränze zwi&#x017F;chen Kun&#x017F;t und Handwerk<lb/>
zieht.</p><lb/>
            <p>2. Der Delphi&#x017F;che Tempel war noch Theopomp, Athen. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">vi.</hi><lb/>
p.</hi> 231., ehemals nur mit ehernen Weihge&#x017F;chenken ge&#x017F;chmückt, nicht<lb/>
Bild&#x017F;äulen, &#x017F;ondern Ke&#x017F;&#x017F;eln und Dreifüßen von Erz.</p><lb/>
            <p>79. De&#x017F;&#x017F;enungeachtet i&#x017F;t es die&#x017F;e Periode, in welcher<lb/>
die Kun&#x017F;t, wenn man mehr auf das innere Walten des<lb/>
Kun&#x017F;tgei&#x017F;tes als auf die einzelnen Er&#x017F;cheinungen, welche<lb/>
&#x017F;ichtlich hervortreten, &#x017F;ieht, am ma&#x0364;chtig&#x017F;ten er&#x017F;cheint und<lb/>
das Gro&#x0364;ßte lei&#x017F;tet. Die &#x017F;charfe Auspra&#x0364;gung idealer<lb/><hi rendition="#g">Charaktere,</hi> die&#x017F;er Hauptvorzug der Griechi&#x017F;chen Kun&#x017F;t<lb/>
vor jeder andern, wird haupt&#x017F;a&#x0364;chlich die&#x017F;er Periode ver-<lb/>
dankt, und wurde von ihr mit de&#x017F;to gro&#x0364;ßerer Sicherheit<lb/>
erreicht, je mehr der <hi rendition="#g">Ausdruck</hi> voru&#x0364;bergehender Bewe-<lb/>
gungen ihr noch entfernt lag (vgl. §. 27). Die Go&#x0364;tter<lb/>
und Heroen werden nun eben &#x017F;o be&#x017F;timmte pla&#x017F;ti&#x017F;che Ge-<lb/>
&#x017F;talten, wie &#x017F;ie vorher poeti&#x017F;che Individuen gewe&#x017F;en wa-<lb/>
ren, und die na&#x0364;ch&#x017F;te Periode konnte, auch wo &#x017F;ie den<lb/>
Forderungen ihres Gei&#x017F;tes gema&#x0364;ß umbildete, doch u&#x0364;berall<lb/>
&#x017F;chon entwickelte Formen zum Grunde legen.</p>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <head>2. <hi rendition="#g">Architektonik.</hi></head><lb/>
            <p>80. Die Tempelbaukun&#x017F;t hat in die&#x017F;er Periode durch<lb/>
die außerordentlich&#x017F;ten An&#x017F;trengungen der Griechi&#x017F;chen Staa-<lb/>
ten Geba&#x0364;ude ausgefu&#x0364;hrt, welche nie eigentlich u&#x0364;bertroffen<lb/>
worden &#x017F;ind, und beide Style, den Dori&#x017F;chen und Joni-<lb/>
&#x017F;chen, ihrer eigenthu&#x0364;mlichen Be&#x017F;timmung gema&#x0364;ß zur ho&#x0364;ch-<lb/>
&#x017F;ten Großartigkeit und großer Eleganz ausgebildet.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0076] Hiſtoriſcher Theil. rakter, und der Zuſammenhang mit den Holzbildern der fruͤhern Zeit hemmt in vielen Stuͤcken das Streben nach Natur und Wahrheit. 1. Ueber das Naturſtudium als Baſis der Entwickelung der eigentlichen Kunſt Schorn Studien der Griech. Künſtler p. 174., welcher mit Recht hier die Gränze zwiſchen Kunſt und Handwerk zieht. 2. Der Delphiſche Tempel war noch Theopomp, Athen. vi. p. 231., ehemals nur mit ehernen Weihgeſchenken geſchmückt, nicht Bildſäulen, ſondern Keſſeln und Dreifüßen von Erz. 79. Deſſenungeachtet iſt es dieſe Periode, in welcher die Kunſt, wenn man mehr auf das innere Walten des Kunſtgeiſtes als auf die einzelnen Erſcheinungen, welche ſichtlich hervortreten, ſieht, am maͤchtigſten erſcheint und das Groͤßte leiſtet. Die ſcharfe Auspraͤgung idealer Charaktere, dieſer Hauptvorzug der Griechiſchen Kunſt vor jeder andern, wird hauptſaͤchlich dieſer Periode ver- dankt, und wurde von ihr mit deſto groͤßerer Sicherheit erreicht, je mehr der Ausdruck voruͤbergehender Bewe- gungen ihr noch entfernt lag (vgl. §. 27). Die Goͤtter und Heroen werden nun eben ſo beſtimmte plaſtiſche Ge- ſtalten, wie ſie vorher poetiſche Individuen geweſen wa- ren, und die naͤchſte Periode konnte, auch wo ſie den Forderungen ihres Geiſtes gemaͤß umbildete, doch uͤberall ſchon entwickelte Formen zum Grunde legen. 2. Architektonik. 80. Die Tempelbaukunſt hat in dieſer Periode durch die außerordentlichſten Anſtrengungen der Griechiſchen Staa- ten Gebaͤude ausgefuͤhrt, welche nie eigentlich uͤbertroffen worden ſind, und beide Style, den Doriſchen und Joni- ſchen, ihrer eigenthuͤmlichen Beſtimmung gemaͤß zur hoͤch- ſten Großartigkeit und großer Eleganz ausgebildet.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/76
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/76>, abgerufen am 28.03.2024.