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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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so verlohnt es wohl der Mühe, am Eingange
dieser Betrachtungen einen Blick auf das be-
rühmte Werk von Montesquieu zu werfen
und das Verhältniß zwischen seiner Ansicht
und der meinigen anzugeben.

Wenn man den Einfluß der Reglerungs-
formen und Gesetze auf das Glück der Men-
schen unter allen Zonen und in allen Zeiten
erwägt, so gelangt man allerdings zu großen
und merkwürdigen Resultaten. Regierungsfor-
men und Gesetze erziehen die Menschen. Aber
die Betrachtung ist nur einseitig, wenn man
nicht eben so wohl erwägt, welchen Einfluß
die Eigenthümlichkeit der Menschen wieder auf
die Regierungsform und die Gesetze habe.
Der Erzieher erzieht seinen Zögling; aber der
Zögling erzieht auch seinen Erzieher wieder.
Vor einigen Jahren glaubte man, daß die
Erziehungskunst aus dem Menschen alles
machen könne; indeß kam man von diesem
Glauben an die Erziehungskunst wieder zurück,
und behauptete eben so unbedingt, daß sie
nichts vermöge, daß das Leben und die

ſo verlohnt es wohl der Muͤhe, am Eingange
dieſer Betrachtungen einen Blick auf das be-
ruͤhmte Werk von Montesquieu zu werfen
und das Verhaͤltniß zwiſchen ſeiner Anſicht
und der meinigen anzugeben.

Wenn man den Einfluß der Reglerungs-
formen und Geſetze auf das Gluͤck der Men-
ſchen unter allen Zonen und in allen Zeiten
erwaͤgt, ſo gelangt man allerdings zu großen
und merkwuͤrdigen Reſultaten. Regierungsfor-
men und Geſetze erziehen die Menſchen. Aber
die Betrachtung iſt nur einſeitig, wenn man
nicht eben ſo wohl erwaͤgt, welchen Einfluß
die Eigenthuͤmlichkeit der Menſchen wieder auf
die Regierungsform und die Geſetze habe.
Der Erzieher erzieht ſeinen Zoͤgling; aber der
Zoͤgling erzieht auch ſeinen Erzieher wieder.
Vor einigen Jahren glaubte man, daß die
Erziehungskunſt aus dem Menſchen alles
machen koͤnne; indeß kam man von dieſem
Glauben an die Erziehungskunſt wieder zuruͤck,
und behauptete eben ſo unbedingt, daß ſie
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[VII/0013] ſo verlohnt es wohl der Muͤhe, am Eingange dieſer Betrachtungen einen Blick auf das be- ruͤhmte Werk von Montesquieu zu werfen und das Verhaͤltniß zwiſchen ſeiner Anſicht und der meinigen anzugeben. Wenn man den Einfluß der Reglerungs- formen und Geſetze auf das Gluͤck der Men- ſchen unter allen Zonen und in allen Zeiten erwaͤgt, ſo gelangt man allerdings zu großen und merkwuͤrdigen Reſultaten. Regierungsfor- men und Geſetze erziehen die Menſchen. Aber die Betrachtung iſt nur einſeitig, wenn man nicht eben ſo wohl erwaͤgt, welchen Einfluß die Eigenthuͤmlichkeit der Menſchen wieder auf die Regierungsform und die Geſetze habe. Der Erzieher erzieht ſeinen Zoͤgling; aber der Zoͤgling erzieht auch ſeinen Erzieher wieder. Vor einigen Jahren glaubte man, daß die Erziehungskunſt aus dem Menſchen alles machen koͤnne; indeß kam man von dieſem Glauben an die Erziehungskunſt wieder zuruͤck, und behauptete eben ſo unbedingt, daß ſie nichts vermoͤge, daß das Leben und die

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. VII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/13>, abgerufen am 19.04.2024.