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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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und sie, mit allen Unwesentlichkeiten oder Locali-
täten, die ihnen ankleben mögen, nun verglei-
chend auf den Staat überträgt. So hat man
oft den Hauswirth mit dem Staatswirth, die
häusliche Oekonomie mit der National-Oekono-
mie verglichen, oder den Hausherrn mit dem
Suverän, die häusliche Justiz mit der Natio-
nal-Justiz; doch, ohne weiter zu fragen, was
denn nun die ewig nothwendige Verfassung des
häuslichen Lebens sey, hat man die gegenwärtige
äußere Physiognomie der Familie mit der gegen-
wärtigen äußeren Physiognomie der Staaten ver-
glichen. Da sich nun aber der Staat, wie er
in unsern Theorieen erscheint, um das weibliche
Geschlecht und dessen mächtigen Einfluß unver-
hältnißmäßig wenig, um das männliche Geschlecht
hingegen unverhältnißmäßig viel bekümmert; da
ferner die Theorie des Staates die Rechte der
Gegenwärtigen und ihr Interesse viel mehr in
Schutz nimmt, als die Rechte der vorangegange-
nen Alten, in der Familie hingegen der Einfluß
der Alten und des weiblichen Geschlechtes, wenn
auch verschiedenartig, doch eben so mächtig er-
scheint, wie die Gewalt des Mannes: so ist un-
ter den beiden verglichenen Gegenständen, dem
Staat und der Familie, in der gegenwärtigen
Wirklichkeit eine solche Incongruenz, daß alle

und ſie, mit allen Unweſentlichkeiten oder Locali-
taͤten, die ihnen ankleben moͤgen, nun verglei-
chend auf den Staat uͤbertraͤgt. So hat man
oft den Hauswirth mit dem Staatswirth, die
haͤusliche Oekonomie mit der National-Oekono-
mie verglichen, oder den Hausherrn mit dem
Suveraͤn, die haͤusliche Juſtiz mit der Natio-
nal-Juſtiz; doch, ohne weiter zu fragen, was
denn nun die ewig nothwendige Verfaſſung des
haͤuslichen Lebens ſey, hat man die gegenwaͤrtige
aͤußere Phyſiognomie der Familie mit der gegen-
waͤrtigen aͤußeren Phyſiognomie der Staaten ver-
glichen. Da ſich nun aber der Staat, wie er
in unſern Theorieen erſcheint, um das weibliche
Geſchlecht und deſſen maͤchtigen Einfluß unver-
haͤltnißmaͤßig wenig, um das maͤnnliche Geſchlecht
hingegen unverhaͤltnißmaͤßig viel bekuͤmmert; da
ferner die Theorie des Staates die Rechte der
Gegenwaͤrtigen und ihr Intereſſe viel mehr in
Schutz nimmt, als die Rechte der vorangegange-
nen Alten, in der Familie hingegen der Einfluß
der Alten und des weiblichen Geſchlechtes, wenn
auch verſchiedenartig, doch eben ſo maͤchtig er-
ſcheint, wie die Gewalt des Mannes: ſo iſt un-
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[126/0160] und ſie, mit allen Unweſentlichkeiten oder Locali- taͤten, die ihnen ankleben moͤgen, nun verglei- chend auf den Staat uͤbertraͤgt. So hat man oft den Hauswirth mit dem Staatswirth, die haͤusliche Oekonomie mit der National-Oekono- mie verglichen, oder den Hausherrn mit dem Suveraͤn, die haͤusliche Juſtiz mit der Natio- nal-Juſtiz; doch, ohne weiter zu fragen, was denn nun die ewig nothwendige Verfaſſung des haͤuslichen Lebens ſey, hat man die gegenwaͤrtige aͤußere Phyſiognomie der Familie mit der gegen- waͤrtigen aͤußeren Phyſiognomie der Staaten ver- glichen. Da ſich nun aber der Staat, wie er in unſern Theorieen erſcheint, um das weibliche Geſchlecht und deſſen maͤchtigen Einfluß unver- haͤltnißmaͤßig wenig, um das maͤnnliche Geſchlecht hingegen unverhaͤltnißmaͤßig viel bekuͤmmert; da ferner die Theorie des Staates die Rechte der Gegenwaͤrtigen und ihr Intereſſe viel mehr in Schutz nimmt, als die Rechte der vorangegange- nen Alten, in der Familie hingegen der Einfluß der Alten und des weiblichen Geſchlechtes, wenn auch verſchiedenartig, doch eben ſo maͤchtig er- ſcheint, wie die Gewalt des Mannes: ſo iſt un- ter den beiden verglichenen Gegenſtaͤnden, dem Staat und der Familie, in der gegenwaͤrtigen Wirklichkeit eine ſolche Incongruenz, daß alle

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/160>, abgerufen am 23.04.2024.