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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Besitzstücken des Bürgers die Freiheit, in
dem Sinne, wie sie heute beschrieben werden
soll: die Freiheit, seine Kraft und sein eigen-
thümliches Wesen geltend zu machen, zu wach-
sen, sich zu regen, zu streiten. "Es versteht
sich, in den gehörigen Schranken!" höre ich ein-
wenden. Gerade dahin will ich. Und welches
sind denn diese gehörigen Schranken? -- "Die
Schranke für die Freiheit des einzelnen Bürgers
ist nichts anders, als die Freiheit der übrigen
Bürger," wird man mir antworten, und sehr
mit Recht.

Damit eine Kraft sich äußern und wirken
könne, muß ihr irgend eine andre Kraft entge-
genwirken; Krieg ohne Gegenkrieg, Freiheit ohne
Gegenfreiheit ist nichts. Warum eifert man ge-
gen Monopole und Privilegien? -- Weil Ein-
zelnen Freiheiten zugestanden werden, die den
Andern versagt sind; weil man Freiheiten aus-
theilt, die eigentlich keine Freiheiten sind, indem
die Gegenfreiheit der Uebrigen fehlt, welche ja
unbedingt erforderlich ist, um die Freiheit des
einzelnen Bürgers zur Wirksamkeit und zur Ent-
wickelung zu bringen. -- Freiheit ohne Gegen-
freiheit Andrer, kann keine Wirkung hervorbrin-
gen; also ist es eine unproductive, folglich todte
Freiheit, folglich nichts.

Beſitzſtuͤcken des Buͤrgers die Freiheit, in
dem Sinne, wie ſie heute beſchrieben werden
ſoll: die Freiheit, ſeine Kraft und ſein eigen-
thuͤmliches Weſen geltend zu machen, zu wach-
ſen, ſich zu regen, zu ſtreiten. „Es verſteht
ſich, in den gehoͤrigen Schranken!” hoͤre ich ein-
wenden. Gerade dahin will ich. Und welches
ſind denn dieſe gehoͤrigen Schranken? — „Die
Schranke fuͤr die Freiheit des einzelnen Buͤrgers
iſt nichts anders, als die Freiheit der uͤbrigen
Buͤrger,” wird man mir antworten, und ſehr
mit Recht.

Damit eine Kraft ſich aͤußern und wirken
koͤnne, muß ihr irgend eine andre Kraft entge-
genwirken; Krieg ohne Gegenkrieg, Freiheit ohne
Gegenfreiheit iſt nichts. Warum eifert man ge-
gen Monopole und Privilegien? — Weil Ein-
zelnen Freiheiten zugeſtanden werden, die den
Andern verſagt ſind; weil man Freiheiten aus-
theilt, die eigentlich keine Freiheiten ſind, indem
die Gegenfreiheit der Uebrigen fehlt, welche ja
unbedingt erforderlich iſt, um die Freiheit des
einzelnen Buͤrgers zur Wirkſamkeit und zur Ent-
wickelung zu bringen. — Freiheit ohne Gegen-
freiheit Andrer, kann keine Wirkung hervorbrin-
gen; alſo iſt es eine unproductive, folglich todte
Freiheit, folglich nichts.

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[187/0221] Beſitzſtuͤcken des Buͤrgers die Freiheit, in dem Sinne, wie ſie heute beſchrieben werden ſoll: die Freiheit, ſeine Kraft und ſein eigen- thuͤmliches Weſen geltend zu machen, zu wach- ſen, ſich zu regen, zu ſtreiten. „Es verſteht ſich, in den gehoͤrigen Schranken!” hoͤre ich ein- wenden. Gerade dahin will ich. Und welches ſind denn dieſe gehoͤrigen Schranken? — „Die Schranke fuͤr die Freiheit des einzelnen Buͤrgers iſt nichts anders, als die Freiheit der uͤbrigen Buͤrger,” wird man mir antworten, und ſehr mit Recht. Damit eine Kraft ſich aͤußern und wirken koͤnne, muß ihr irgend eine andre Kraft entge- genwirken; Krieg ohne Gegenkrieg, Freiheit ohne Gegenfreiheit iſt nichts. Warum eifert man ge- gen Monopole und Privilegien? — Weil Ein- zelnen Freiheiten zugeſtanden werden, die den Andern verſagt ſind; weil man Freiheiten aus- theilt, die eigentlich keine Freiheiten ſind, indem die Gegenfreiheit der Uebrigen fehlt, welche ja unbedingt erforderlich iſt, um die Freiheit des einzelnen Buͤrgers zur Wirkſamkeit und zur Ent- wickelung zu bringen. — Freiheit ohne Gegen- freiheit Andrer, kann keine Wirkung hervorbrin- gen; alſo iſt es eine unproductive, folglich todte Freiheit, folglich nichts.

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/221>, abgerufen am 25.04.2024.