Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

Weisheit der politischen Lehrbücher zeigt, merk-
würdig und sinnreich für Diejenigen, die ent-
weder selbst schon in das Leben eines Staates
handelnd eingegriffen haben, oder doch die Ge-
schichte kennen. Was sollen aber den Andern
das trockne Fachwerk, die dürre Regel und die
todten Kenntnisse?

In der Bewegung also, vor allen Dingen,
will der Staat betrachtet seyn, und das Herz
des wahren Staatsgelehrten soll, so gut wie
das Herz des Staatsmannes, in diese Bewegung
eingreifen. Die Aufgabe für Beide ist keines-
weges ein willkührliches Anordnen todter Stoffe;
das Glück der Völker läßt sich nicht ausstreuen,
wie Geld; das Streben einer Nation läßt sich
nicht abfinden, oder richten, durch einzelne, klug
vorgeschriebene und angewendete Arzneien; -- das
Werk der Politik ist nie abgemacht, so daß der
Staatsmann nach Hause, oder in den Privat-
stand, zurückkehren könnte. Kurz, man begiebt
sich, als Staatsmann und als Staatsgelehrter,
entweder ganz hinein in den Umschwung des
politischen Lebens, und trägt den Stolz, die
Schmerzen des erhabenen Staatskörpers, wie
seine eignen, auf immer; oder man bleibt ewig
außerhalb. --

Das nun ist das wohlfeile, vielbeliebte und

Weisheit der politiſchen Lehrbuͤcher zeigt, merk-
wuͤrdig und ſinnreich fuͤr Diejenigen, die ent-
weder ſelbſt ſchon in das Leben eines Staates
handelnd eingegriffen haben, oder doch die Ge-
ſchichte kennen. Was ſollen aber den Andern
das trockne Fachwerk, die duͤrre Regel und die
todten Kenntniſſe?

In der Bewegung alſo, vor allen Dingen,
will der Staat betrachtet ſeyn, und das Herz
des wahren Staatsgelehrten ſoll, ſo gut wie
das Herz des Staatsmannes, in dieſe Bewegung
eingreifen. Die Aufgabe fuͤr Beide iſt keines-
weges ein willkuͤhrliches Anordnen todter Stoffe;
das Gluͤck der Voͤlker laͤßt ſich nicht ausſtreuen,
wie Geld; das Streben einer Nation laͤßt ſich
nicht abfinden, oder richten, durch einzelne, klug
vorgeſchriebene und angewendete Arzneien; — das
Werk der Politik iſt nie abgemacht, ſo daß der
Staatsmann nach Hauſe, oder in den Privat-
ſtand, zuruͤckkehren koͤnnte. Kurz, man begiebt
ſich, als Staatsmann und als Staatsgelehrter,
entweder ganz hinein in den Umſchwung des
politiſchen Lebens, und traͤgt den Stolz, die
Schmerzen des erhabenen Staatskoͤrpers, wie
ſeine eignen, auf immer; oder man bleibt ewig
außerhalb. —

Das nun iſt das wohlfeile, vielbeliebte und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0039" n="5"/>
Weisheit der politi&#x017F;chen Lehrbu&#x0364;cher zeigt, merk-<lb/>
wu&#x0364;rdig und &#x017F;innreich fu&#x0364;r Diejenigen, die ent-<lb/>
weder &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chon in das Leben eines Staates<lb/>
handelnd eingegriffen haben, oder doch die Ge-<lb/>
&#x017F;chichte kennen. Was &#x017F;ollen aber den Andern<lb/>
das trockne Fachwerk, die du&#x0364;rre Regel und die<lb/>
todten Kenntni&#x017F;&#x017F;e?</p><lb/>
            <p>In der <hi rendition="#g">Bewegung</hi> al&#x017F;o, vor allen Dingen,<lb/>
will der Staat betrachtet &#x017F;eyn, und das Herz<lb/>
des wahren Staatsgelehrten &#x017F;oll, &#x017F;o gut wie<lb/>
das Herz des Staatsmannes, in die&#x017F;e Bewegung<lb/>
eingreifen. Die Aufgabe fu&#x0364;r Beide i&#x017F;t keines-<lb/>
weges ein willku&#x0364;hrliches Anordnen todter Stoffe;<lb/>
das Glu&#x0364;ck der Vo&#x0364;lker la&#x0364;ßt &#x017F;ich nicht aus&#x017F;treuen,<lb/>
wie Geld; das Streben einer Nation la&#x0364;ßt &#x017F;ich<lb/>
nicht abfinden, oder richten, durch einzelne, klug<lb/>
vorge&#x017F;chriebene und angewendete Arzneien; &#x2014; das<lb/>
Werk der Politik i&#x017F;t nie abgemacht, &#x017F;o daß der<lb/>
Staatsmann nach Hau&#x017F;e, oder in den Privat-<lb/>
&#x017F;tand, zuru&#x0364;ckkehren ko&#x0364;nnte. Kurz, man begiebt<lb/>
&#x017F;ich, als Staatsmann und als Staatsgelehrter,<lb/>
entweder ganz hinein in den Um&#x017F;chwung des<lb/>
politi&#x017F;chen Lebens, und tra&#x0364;gt den Stolz, die<lb/>
Schmerzen des erhabenen Staatsko&#x0364;rpers, wie<lb/>
&#x017F;eine eignen, auf immer; oder man bleibt ewig<lb/>
außerhalb. &#x2014;</p><lb/>
            <p>Das nun i&#x017F;t das wohlfeile, vielbeliebte und<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/0039] Weisheit der politiſchen Lehrbuͤcher zeigt, merk- wuͤrdig und ſinnreich fuͤr Diejenigen, die ent- weder ſelbſt ſchon in das Leben eines Staates handelnd eingegriffen haben, oder doch die Ge- ſchichte kennen. Was ſollen aber den Andern das trockne Fachwerk, die duͤrre Regel und die todten Kenntniſſe? In der Bewegung alſo, vor allen Dingen, will der Staat betrachtet ſeyn, und das Herz des wahren Staatsgelehrten ſoll, ſo gut wie das Herz des Staatsmannes, in dieſe Bewegung eingreifen. Die Aufgabe fuͤr Beide iſt keines- weges ein willkuͤhrliches Anordnen todter Stoffe; das Gluͤck der Voͤlker laͤßt ſich nicht ausſtreuen, wie Geld; das Streben einer Nation laͤßt ſich nicht abfinden, oder richten, durch einzelne, klug vorgeſchriebene und angewendete Arzneien; — das Werk der Politik iſt nie abgemacht, ſo daß der Staatsmann nach Hauſe, oder in den Privat- ſtand, zuruͤckkehren koͤnnte. Kurz, man begiebt ſich, als Staatsmann und als Staatsgelehrter, entweder ganz hinein in den Umſchwung des politiſchen Lebens, und traͤgt den Stolz, die Schmerzen des erhabenen Staatskoͤrpers, wie ſeine eignen, auf immer; oder man bleibt ewig außerhalb. — Das nun iſt das wohlfeile, vielbeliebte und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/39
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/39>, abgerufen am 23.04.2024.