Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

nirgends, zu Hause. Er dient den Sitten und
also auch leicht den Begriffen und Götzen aller
Völker. Den unmittelbaren Beistand des Him-
mels, der Sonne, der Jahreszeiten bedarf er
weniger; so glaubt er auch leicht, seiner Klug-
heit und Gewandtheit alles zu verdanken, was
er besitzt. Während also Manufacturen und
der Handel unabhängiger von dem Laufe der
Natur sind, wird der Ackerbauer mit seiner gan-
zen Beschäftigung unaufhörlich in die Wechsel
der Jahreszeiten verflochten, gewinnt den Bo-
den lieb und immer lieber, auf dem er steht,
und behält in dem einfacheren, strengeren, von
unsichtbaren Mächten abhängigen Leben auch den
Gedanken eines einzigen höchsten Gutes, eines
einzigen Gottes, wenn er ihn einmal gefaßt hat,
gegenwärtiger.

Deshalb gründete Moses seinen Staat auf
den Ackerbau. Die Kindheit seines Volkes hätte,
von dem ersten Gedanken, den sie gefaßt hatte,
leicht durch Aussicht auf unendlichen Besitz fort-
gelockt, zerstreuet und verführt werden können.
Sollte in Zukunft, wenn der Geist der Nation
sich erst mit dem Boden verwachsen hatte, eini-
ger Handel nothwendig werden, so blieb die
Lage des Landes immer so vortheilhaft, wie sie
war; dieser Erwerbszweig entging dem Volke

nirgends, zu Hauſe. Er dient den Sitten und
alſo auch leicht den Begriffen und Goͤtzen aller
Voͤlker. Den unmittelbaren Beiſtand des Him-
mels, der Sonne, der Jahreszeiten bedarf er
weniger; ſo glaubt er auch leicht, ſeiner Klug-
heit und Gewandtheit alles zu verdanken, was
er beſitzt. Waͤhrend alſo Manufacturen und
der Handel unabhaͤngiger von dem Laufe der
Natur ſind, wird der Ackerbauer mit ſeiner gan-
zen Beſchaͤftigung unaufhoͤrlich in die Wechſel
der Jahreszeiten verflochten, gewinnt den Bo-
den lieb und immer lieber, auf dem er ſteht,
und behaͤlt in dem einfacheren, ſtrengeren, von
unſichtbaren Maͤchten abhaͤngigen Leben auch den
Gedanken eines einzigen hoͤchſten Gutes, eines
einzigen Gottes, wenn er ihn einmal gefaßt hat,
gegenwaͤrtiger.

Deshalb gruͤndete Moſes ſeinen Staat auf
den Ackerbau. Die Kindheit ſeines Volkes haͤtte,
von dem erſten Gedanken, den ſie gefaßt hatte,
leicht durch Ausſicht auf unendlichen Beſitz fort-
gelockt, zerſtreuet und verfuͤhrt werden koͤnnen.
Sollte in Zukunft, wenn der Geiſt der Nation
ſich erſt mit dem Boden verwachſen hatte, eini-
ger Handel nothwendig werden, ſo blieb die
Lage des Landes immer ſo vortheilhaft, wie ſie
war; dieſer Erwerbszweig entging dem Volke

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0028" n="20"/>
nirgends, zu Hau&#x017F;e. Er dient den Sitten und<lb/>
al&#x017F;o auch leicht den Begriffen und Go&#x0364;tzen aller<lb/>
Vo&#x0364;lker. Den unmittelbaren Bei&#x017F;tand des Him-<lb/>
mels, der Sonne, der Jahreszeiten bedarf er<lb/>
weniger; &#x017F;o glaubt er auch leicht, &#x017F;einer Klug-<lb/>
heit und Gewandtheit alles zu verdanken, was<lb/>
er be&#x017F;itzt. Wa&#x0364;hrend al&#x017F;o Manufacturen und<lb/>
der Handel unabha&#x0364;ngiger von dem Laufe der<lb/>
Natur &#x017F;ind, wird der Ackerbauer mit &#x017F;einer gan-<lb/>
zen Be&#x017F;cha&#x0364;ftigung unaufho&#x0364;rlich in die Wech&#x017F;el<lb/>
der Jahreszeiten verflochten, gewinnt den Bo-<lb/>
den lieb und immer lieber, auf dem er &#x017F;teht,<lb/>
und beha&#x0364;lt in dem einfacheren, &#x017F;trengeren, von<lb/>
un&#x017F;ichtbaren Ma&#x0364;chten abha&#x0364;ngigen Leben auch den<lb/>
Gedanken eines einzigen ho&#x0364;ch&#x017F;ten Gutes, eines<lb/>
einzigen Gottes, wenn er ihn einmal gefaßt hat,<lb/>
gegenwa&#x0364;rtiger.</p><lb/>
            <p>Deshalb gru&#x0364;ndete Mo&#x017F;es &#x017F;einen Staat auf<lb/>
den Ackerbau. Die Kindheit &#x017F;eines Volkes ha&#x0364;tte,<lb/>
von dem er&#x017F;ten Gedanken, den &#x017F;ie gefaßt hatte,<lb/>
leicht durch Aus&#x017F;icht auf unendlichen Be&#x017F;itz fort-<lb/>
gelockt, zer&#x017F;treuet und verfu&#x0364;hrt werden ko&#x0364;nnen.<lb/>
Sollte in Zukunft, wenn der Gei&#x017F;t der Nation<lb/>
&#x017F;ich er&#x017F;t mit dem Boden verwach&#x017F;en hatte, eini-<lb/>
ger Handel nothwendig werden, &#x017F;o blieb die<lb/>
Lage des Landes immer &#x017F;o vortheilhaft, wie &#x017F;ie<lb/>
war; die&#x017F;er Erwerbszweig entging dem Volke<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0028] nirgends, zu Hauſe. Er dient den Sitten und alſo auch leicht den Begriffen und Goͤtzen aller Voͤlker. Den unmittelbaren Beiſtand des Him- mels, der Sonne, der Jahreszeiten bedarf er weniger; ſo glaubt er auch leicht, ſeiner Klug- heit und Gewandtheit alles zu verdanken, was er beſitzt. Waͤhrend alſo Manufacturen und der Handel unabhaͤngiger von dem Laufe der Natur ſind, wird der Ackerbauer mit ſeiner gan- zen Beſchaͤftigung unaufhoͤrlich in die Wechſel der Jahreszeiten verflochten, gewinnt den Bo- den lieb und immer lieber, auf dem er ſteht, und behaͤlt in dem einfacheren, ſtrengeren, von unſichtbaren Maͤchten abhaͤngigen Leben auch den Gedanken eines einzigen hoͤchſten Gutes, eines einzigen Gottes, wenn er ihn einmal gefaßt hat, gegenwaͤrtiger. Deshalb gruͤndete Moſes ſeinen Staat auf den Ackerbau. Die Kindheit ſeines Volkes haͤtte, von dem erſten Gedanken, den ſie gefaßt hatte, leicht durch Ausſicht auf unendlichen Beſitz fort- gelockt, zerſtreuet und verfuͤhrt werden koͤnnen. Sollte in Zukunft, wenn der Geiſt der Nation ſich erſt mit dem Boden verwachſen hatte, eini- ger Handel nothwendig werden, ſo blieb die Lage des Landes immer ſo vortheilhaft, wie ſie war; dieſer Erwerbszweig entging dem Volke

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/28
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/28>, abgerufen am 29.03.2024.