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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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"nungen der Liebe, so Sie jederzeit für mich gehabt, darin
"gefunden. Das Andenken der Betrübniß, und itzt der
"stärksten, die ich Jhnen veranlaßt, da ich Jhren Gesin-
"nungen zuwider gelebt, ist mir um so viel fühlbarer, da
"die Erkenntniß der Wahrheit mein Unrecht mir lebhafter
"zeigt. Mit der aufrichtigsten Reue bitte ich Sie deswe-
"gen um Vergebung. Jch habe meinem itzigen Zustande
"die Annehmung des Glaubens an die Versöhnung Chri-
"sti zu danken. Jhr Gebet und die Erinnerung Jhres
"Beyspiels haben viel dazu beygetragen. Seyn Sie ver-
"sichert, daß Jhr Sohn das Gut gefunden, welches
"Sie für das einzige wahre halten. Sehen Sie sein Un-
"glück als das Mittel an, so ihn verhindert desselben zu
"verfehlen. Der Eindruck von dieser Seite wird alle die
"übrigen bey Jhnen schwächen, so wie er sie mir ganz aus-
"gelöscht hat. Jch empfehle mich Jhrer fernern Vorbitte
"bey Gott, so wie ich Christum meinen Erlöser unaufhör-
"lich bitte, Jhnen Jhr itziges Leiden so erträglich zu ma-
"chen, wie ich es seinem Beystand zu danken habe. Mit
"kindlicher Ergebenheit und Begrüßung meiner Geschwi-
"ster verharre ich u. s. w."

Fünf und dreißigste Unterredung, den
26sten April.

Jch erfuhr von dem Herrn Generallieutenant von Hoben,
daß Struensee in der abgewichenen Nacht sehr unru-
hig gewesen sey, Er habe mit den Füßen gestampft, mit
den Zähnen geknirscht, sich an den Fingern gebissen. Der
wachhabende Officier sey hinzugetreten, habe ihm aber im
tiefen Schlafe gefunden. Jch erkundigte mich bey meinem
unglücklichen Freunde, ob er etwa beunruhigende Träume
gehabt habe. Er antwortete mir, er habe sich des Morgens
beym Aufwachen an nichts anders erinnert, als daß ihm im
Schlafe die Reihe seiner Ueberzeugungsgründe vom Chri-
stenthum durchs Gedächtniß gegangen wäre. Von aller
dieser körperlichen Unruhe wisse er nichts.

Jch



“nungen der Liebe, ſo Sie jederzeit fuͤr mich gehabt, darin
“gefunden. Das Andenken der Betruͤbniß, und itzt der
“ſtaͤrkſten, die ich Jhnen veranlaßt, da ich Jhren Geſin-
“nungen zuwider gelebt, iſt mir um ſo viel fuͤhlbarer, da
“die Erkenntniß der Wahrheit mein Unrecht mir lebhafter
“zeigt. Mit der aufrichtigſten Reue bitte ich Sie deswe-
“gen um Vergebung. Jch habe meinem itzigen Zuſtande
“die Annehmung des Glaubens an die Verſoͤhnung Chri-
“ſti zu danken. Jhr Gebet und die Erinnerung Jhres
“Beyſpiels haben viel dazu beygetragen. Seyn Sie ver-
“ſichert, daß Jhr Sohn das Gut gefunden, welches
“Sie fuͤr das einzige wahre halten. Sehen Sie ſein Un-
“gluͤck als das Mittel an, ſo ihn verhindert deſſelben zu
“verfehlen. Der Eindruck von dieſer Seite wird alle die
“uͤbrigen bey Jhnen ſchwaͤchen, ſo wie er ſie mir ganz aus-
“geloͤſcht hat. Jch empfehle mich Jhrer fernern Vorbitte
“bey Gott, ſo wie ich Chriſtum meinen Erloͤſer unaufhoͤr-
“lich bitte, Jhnen Jhr itziges Leiden ſo ertraͤglich zu ma-
“chen, wie ich es ſeinem Beyſtand zu danken habe. Mit
“kindlicher Ergebenheit und Begruͤßung meiner Geſchwi-
“ſter verharre ich u. ſ. w.„

Fuͤnf und dreißigſte Unterredung, den
26ſten April.

Jch erfuhr von dem Herrn Generallieutenant von Hoben,
daß Struenſee in der abgewichenen Nacht ſehr unru-
hig geweſen ſey, Er habe mit den Fuͤßen geſtampft, mit
den Zaͤhnen geknirſcht, ſich an den Fingern gebiſſen. Der
wachhabende Officier ſey hinzugetreten, habe ihm aber im
tiefen Schlafe gefunden. Jch erkundigte mich bey meinem
ungluͤcklichen Freunde, ob er etwa beunruhigende Traͤume
gehabt habe. Er antwortete mir, er habe ſich des Morgens
beym Aufwachen an nichts anders erinnert, als daß ihm im
Schlafe die Reihe ſeiner Ueberzeugungsgruͤnde vom Chri-
ſtenthum durchs Gedaͤchtniß gegangen waͤre. Von aller
dieſer koͤrperlichen Unruhe wiſſe er nichts.

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[255/0267] “nungen der Liebe, ſo Sie jederzeit fuͤr mich gehabt, darin “gefunden. Das Andenken der Betruͤbniß, und itzt der “ſtaͤrkſten, die ich Jhnen veranlaßt, da ich Jhren Geſin- “nungen zuwider gelebt, iſt mir um ſo viel fuͤhlbarer, da “die Erkenntniß der Wahrheit mein Unrecht mir lebhafter “zeigt. Mit der aufrichtigſten Reue bitte ich Sie deswe- “gen um Vergebung. Jch habe meinem itzigen Zuſtande “die Annehmung des Glaubens an die Verſoͤhnung Chri- “ſti zu danken. Jhr Gebet und die Erinnerung Jhres “Beyſpiels haben viel dazu beygetragen. Seyn Sie ver- “ſichert, daß Jhr Sohn das Gut gefunden, welches “Sie fuͤr das einzige wahre halten. Sehen Sie ſein Un- “gluͤck als das Mittel an, ſo ihn verhindert deſſelben zu “verfehlen. Der Eindruck von dieſer Seite wird alle die “uͤbrigen bey Jhnen ſchwaͤchen, ſo wie er ſie mir ganz aus- “geloͤſcht hat. Jch empfehle mich Jhrer fernern Vorbitte “bey Gott, ſo wie ich Chriſtum meinen Erloͤſer unaufhoͤr- “lich bitte, Jhnen Jhr itziges Leiden ſo ertraͤglich zu ma- “chen, wie ich es ſeinem Beyſtand zu danken habe. Mit “kindlicher Ergebenheit und Begruͤßung meiner Geſchwi- “ſter verharre ich u. ſ. w.„ Fuͤnf und dreißigſte Unterredung, den 26ſten April. Jch erfuhr von dem Herrn Generallieutenant von Hoben, daß Struenſee in der abgewichenen Nacht ſehr unru- hig geweſen ſey, Er habe mit den Fuͤßen geſtampft, mit den Zaͤhnen geknirſcht, ſich an den Fingern gebiſſen. Der wachhabende Officier ſey hinzugetreten, habe ihm aber im tiefen Schlafe gefunden. Jch erkundigte mich bey meinem ungluͤcklichen Freunde, ob er etwa beunruhigende Traͤume gehabt habe. Er antwortete mir, er habe ſich des Morgens beym Aufwachen an nichts anders erinnert, als daß ihm im Schlafe die Reihe ſeiner Ueberzeugungsgruͤnde vom Chri- ſtenthum durchs Gedaͤchtniß gegangen waͤre. Von aller dieſer koͤrperlichen Unruhe wiſſe er nichts. Jch

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/267>, abgerufen am 28.03.2024.