Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite



Grafen Brand, oft gesagt, wenn er glaubte, daß ich
es doch viel besser als er hätte, ich wäre nichts weniger
als glücklich. Sie glauben nicht, was für unzählige
Dinge mich immer beschäfftigten, die äußerlichen Um-
stände beunruhigten mich, ich mußte auf Anstalten zur
Sicherheit denken, ich mußte mich zu gleicher Zeit zwin-
gen, meine Unruhe mir selbst und andern zu verbergen,
den Tag brachte ich unter verdrießlichen Geschäfften und
langweiligen Zerstreuungen zu, zu meinen Arbeiten mußte
ich einen Theil der Nacht brauchen. Konnte ich in einer
solchen Situation glücklich seyn? Nun aber bin ich viel
heiterer und ruhiger. Jch beschäfftige mich mit der Re-
ligion, die mich sehr interessirt und mein einziger Trost
ist, ich sehe eine erwünschte Aussicht in die Zukunft vor
mir, und mein Tod beunruhigt mich nicht sehr und nicht
oft. Jch weiß nicht, wie mir weiter hin seyn wird,
aber daß weiß ich, daß ich itzt glücklich und ruhig bin,
und nicht begehre in meine vorige Lage zurückzukehren.

Er fragte mich noch, ob nicht die Kirche lehre,
daß Christus vom heiligen Geiste gezeugt sey. Er berief
sich dabey auf die Worte des Engels: Der heilige Geist
wird über dich kommen. Setzen Sie die folgenden
Worte hinzu, antwortete ich: die Kraft des Höchsten
wird dich überschatten, so werden Sie sehen, daß hier
von keiner eigentlichen Zeugung die Rede sey. Es wird
nur dieß gesagt: Gott wolle durch seinen Geist und
durch seine Allmacht veranstalten, daß Maria ohne Zu-
thun eines Mannes die Mutter des ihr verheißenen
Sohns werden könne. --

Sieben-



Grafen Brand, oft geſagt, wenn er glaubte, daß ich
es doch viel beſſer als er haͤtte, ich waͤre nichts weniger
als gluͤcklich. Sie glauben nicht, was fuͤr unzaͤhlige
Dinge mich immer beſchaͤfftigten, die aͤußerlichen Um-
ſtaͤnde beunruhigten mich, ich mußte auf Anſtalten zur
Sicherheit denken, ich mußte mich zu gleicher Zeit zwin-
gen, meine Unruhe mir ſelbſt und andern zu verbergen,
den Tag brachte ich unter verdrießlichen Geſchaͤfften und
langweiligen Zerſtreuungen zu, zu meinen Arbeiten mußte
ich einen Theil der Nacht brauchen. Konnte ich in einer
ſolchen Situation gluͤcklich ſeyn? Nun aber bin ich viel
heiterer und ruhiger. Jch beſchaͤfftige mich mit der Re-
ligion, die mich ſehr intereſſirt und mein einziger Troſt
iſt, ich ſehe eine erwuͤnſchte Ausſicht in die Zukunft vor
mir, und mein Tod beunruhigt mich nicht ſehr und nicht
oft. Jch weiß nicht, wie mir weiter hin ſeyn wird,
aber daß weiß ich, daß ich itzt gluͤcklich und ruhig bin,
und nicht begehre in meine vorige Lage zuruͤckzukehren.

Er fragte mich noch, ob nicht die Kirche lehre,
daß Chriſtus vom heiligen Geiſte gezeugt ſey. Er berief
ſich dabey auf die Worte des Engels: Der heilige Geiſt
wird uͤber dich kommen. Setzen Sie die folgenden
Worte hinzu, antwortete ich: die Kraft des Hoͤchſten
wird dich uͤberſchatten, ſo werden Sie ſehen, daß hier
von keiner eigentlichen Zeugung die Rede ſey. Es wird
nur dieß geſagt: Gott wolle durch ſeinen Geiſt und
durch ſeine Allmacht veranſtalten, daß Maria ohne Zu-
thun eines Mannes die Mutter des ihr verheißenen
Sohns werden koͤnne. —

Sieben-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0155" n="143"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Grafen Brand, oft ge&#x017F;agt, wenn er glaubte, daß ich<lb/>
es doch viel be&#x017F;&#x017F;er als er ha&#x0364;tte, ich wa&#x0364;re nichts weniger<lb/>
als glu&#x0364;cklich. Sie glauben nicht, was fu&#x0364;r unza&#x0364;hlige<lb/>
Dinge mich immer be&#x017F;cha&#x0364;fftigten, die a&#x0364;ußerlichen Um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nde beunruhigten mich, ich mußte auf An&#x017F;talten zur<lb/>
Sicherheit denken, ich mußte mich zu gleicher Zeit zwin-<lb/>
gen, meine Unruhe mir &#x017F;elb&#x017F;t und andern zu verbergen,<lb/>
den Tag brachte ich unter verdrießlichen Ge&#x017F;cha&#x0364;fften und<lb/>
langweiligen Zer&#x017F;treuungen zu, zu meinen Arbeiten mußte<lb/>
ich einen Theil der Nacht brauchen. Konnte ich in einer<lb/>
&#x017F;olchen Situation glu&#x0364;cklich &#x017F;eyn? Nun aber bin ich viel<lb/>
heiterer und ruhiger. Jch be&#x017F;cha&#x0364;fftige mich mit der Re-<lb/>
ligion, die mich &#x017F;ehr intere&#x017F;&#x017F;irt und mein einziger Tro&#x017F;t<lb/>
i&#x017F;t, ich &#x017F;ehe eine erwu&#x0364;n&#x017F;chte Aus&#x017F;icht in die Zukunft vor<lb/>
mir, und mein Tod beunruhigt mich nicht &#x017F;ehr und nicht<lb/>
oft. Jch weiß nicht, wie mir weiter hin &#x017F;eyn wird,<lb/>
aber daß weiß ich, daß ich itzt glu&#x0364;cklich und ruhig bin,<lb/>
und nicht begehre in meine vorige Lage zuru&#x0364;ckzukehren.</p><lb/>
        <p>Er fragte mich noch, ob nicht die Kirche lehre,<lb/>
daß Chri&#x017F;tus vom heiligen Gei&#x017F;te gezeugt &#x017F;ey. Er berief<lb/>
&#x017F;ich dabey auf die Worte des Engels: Der heilige Gei&#x017F;t<lb/>
wird u&#x0364;ber dich kommen. Setzen Sie die folgenden<lb/>
Worte hinzu, antwortete ich: die Kraft des Ho&#x0364;ch&#x017F;ten<lb/>
wird dich u&#x0364;ber&#x017F;chatten, &#x017F;o werden Sie &#x017F;ehen, daß hier<lb/>
von keiner eigentlichen Zeugung die Rede &#x017F;ey. Es wird<lb/>
nur dieß ge&#x017F;agt: Gott wolle durch &#x017F;einen Gei&#x017F;t und<lb/>
durch &#x017F;eine Allmacht veran&#x017F;talten, daß Maria ohne Zu-<lb/>
thun eines Mannes die Mutter des ihr verheißenen<lb/>
Sohns werden ko&#x0364;nne. &#x2014;</p>
      </div><lb/>
      <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Sieben-</hi> </fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[143/0155] Grafen Brand, oft geſagt, wenn er glaubte, daß ich es doch viel beſſer als er haͤtte, ich waͤre nichts weniger als gluͤcklich. Sie glauben nicht, was fuͤr unzaͤhlige Dinge mich immer beſchaͤfftigten, die aͤußerlichen Um- ſtaͤnde beunruhigten mich, ich mußte auf Anſtalten zur Sicherheit denken, ich mußte mich zu gleicher Zeit zwin- gen, meine Unruhe mir ſelbſt und andern zu verbergen, den Tag brachte ich unter verdrießlichen Geſchaͤfften und langweiligen Zerſtreuungen zu, zu meinen Arbeiten mußte ich einen Theil der Nacht brauchen. Konnte ich in einer ſolchen Situation gluͤcklich ſeyn? Nun aber bin ich viel heiterer und ruhiger. Jch beſchaͤfftige mich mit der Re- ligion, die mich ſehr intereſſirt und mein einziger Troſt iſt, ich ſehe eine erwuͤnſchte Ausſicht in die Zukunft vor mir, und mein Tod beunruhigt mich nicht ſehr und nicht oft. Jch weiß nicht, wie mir weiter hin ſeyn wird, aber daß weiß ich, daß ich itzt gluͤcklich und ruhig bin, und nicht begehre in meine vorige Lage zuruͤckzukehren. Er fragte mich noch, ob nicht die Kirche lehre, daß Chriſtus vom heiligen Geiſte gezeugt ſey. Er berief ſich dabey auf die Worte des Engels: Der heilige Geiſt wird uͤber dich kommen. Setzen Sie die folgenden Worte hinzu, antwortete ich: die Kraft des Hoͤchſten wird dich uͤberſchatten, ſo werden Sie ſehen, daß hier von keiner eigentlichen Zeugung die Rede ſey. Es wird nur dieß geſagt: Gott wolle durch ſeinen Geiſt und durch ſeine Allmacht veranſtalten, daß Maria ohne Zu- thun eines Mannes die Mutter des ihr verheißenen Sohns werden koͤnne. — Sieben-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/155
Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/155>, abgerufen am 25.04.2024.